Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Flüchtlinge im sächsischen Clausnitz: „Wir wollen einfach nur w…
> Die Flüchtlinge in Clausnitz haben Angst. Der Bürgermeister macht
> auswärtige „Krawallmacher“ für die Anfeindungen verantwortlich.
Bild: Flüchtlinge suchten Frieden und fanden Clausnitz
Clausnitz dpa | Eigentlich hatten sie auf ein neues Zuhause in Clausnitz
gehofft. Doch nun kennen Lena und ihre Schwestern nur einen Gedanken. „Wir
wollen weg, einfach nur weg“, sagt die 42-Jährige aus Syrien. Seit zwei
Tagen hätten sie kaum etwas gegessen, an Schlaf sei nicht zu denken. „Wir
haben Angst“, sagt Lena. Sie sitzt mit anderen Frauen an einem großen
Holztisch im Aufenthaltsraum der Clausnitzer Flüchtlingsunterkunft. Es ist
ein zweigeschossiger grüner Neubau, ringsherum Felder. Die Jalousien sind
heruntergelassen.
Die Frau mit dem dunkelblauen Kopftuch hat immer noch die Bilder von der
grölenden Menge vor Augen, die Donnerstagabend versuchte, die Ankunft der
Flüchtlinge in dem kleinen Ort im Osterzgebirge zu verhindern. Manche
hätten symbolisch einen Finger über den Hals gezogen. „Dabei sind wir doch
gerade vor Gewalt und Hass geflüchtet“, sagt Lena.
Ihr Neffe, ein 15 Jahre alter Junge, sei von der Polizei in den
Schwitzkasten genommen worden. Er ist mit seiner Mutter zur Polizei
gegangen, um Anzeige zu erstatten, sagt sie. Knapp 20 Asylbewerber sind in
Clausnitz untergebracht.
Clausnitz sorgt derzeit bundesweit für Aufsehen. Nicht nur wegen des
protestierenden Mobs von gut 100 Menschen, sondern auch weil Videos ein
hartes Vorgehen der Polizei zeigen.
## Der Bürgermeister schämt sich
Der Clausnitzer Bürgermeister Michael Funke (parteilos) macht für die
Feindseligkeiten gegen Flüchtlinge vor allem Auswärtige verantwortlich. Er
habe eine ganze Reihe von „Krawallmachern“ nicht gekannt. Funke spricht von
„Demo-Touristen“. Zugleich beteuert er, dass er sich für die Anfeindungen
schäme. „Da fehlen mir die Worte.“
Auch die sächsische Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) ist am
Montag nach Clausnitz gekommen. „Es geht überhaupt nicht, dass sich Wut und
Hass gegen Menschen richtet, die in Not sind.“ Zugleich ermahnt sie, bei
allen Diskussionen um Ausländerfeindlichkeit in Sachsen die vielen Helfer
nicht zu vergessen, die sich um Flüchtlinge kümmerten.
Vor vier Wochen hat sich auch in Clausnitz eine Willkommensinitiative
gegründet. Am Donnerstagabend saßen die Helfer mit Abendessen und
Obstkörben für die Neuankömmlinge in der Unterkunft.
„Wir sind nicht braun, wir sind nicht rechts“, sagt Bürgermeister Funke.
Für seine Gemeinde, die als Wander- und Skiregion vom Tourismus lebt,
befürchtet er Einbußen durch die „hässlichen Bilder“. Schon jetzt gebe es
zahlreiche Absagen, Vermieter berichteten von Beschimpfungen und
Hass-Mails. „Die Spätfolgen sind noch gar nicht abzuschätzen.“
Dabei sieht Funke Asylbewerber als Gewinn für seine Region, die unter
Abwanderung leidet. Er berichtet von einer ersten Annäherung am Sonntag,
als die Kinder gemeinsam Fußball spielten. Mit ein paar Brocken Englisch
habe man sich verständigt, auch ein Ingenieur sei unter den Flüchtlingen.
Auch Sachsens Integrationsministerin Köpping sieht Asylbewerber in Zeiten
des demografischen Wandels als Chance für den ländlichen Raum. „Wenn sie
eine Perspektive finden, überlegen sie, ob sie bleiben. Wenn sie aber nur
Hass und Widerstand erleben, werden sie nicht bleiben.“
Lena und ihre zwei Schwestern wollen weiter. Zu Verwandten in den Westen
Deutschlands. Wenn sie auch nicht genau wissen, wo diese leben. Einen
halben Monat Flucht hat die Familie aus Syrien hinter sich. Sie wollten
immer nach Deutschland, weil es dort so friedlich und multikulturell sei.
„Wir sind enttäuscht.“
22 Feb 2016
## AUTOREN
Christiane Raatz
## TAGS
Clausnitz
Schwerpunkt Rassismus
Flüchtlinge
Schwerpunkt Flucht
Sachsen
Schwerpunkt Landtagswahlen
Kopftuch
Clausnitz
Clausnitz
Schwerpunkt Rassismus
Clausnitz
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Rassismus
Heidenau
Bautzen
Clausnitz
Clausnitz
## ARTIKEL ZUM THEMA
CDU-Bürgermeister will mehr Flüchtlinge: Wenn zehn Familien bleiben würden
Zu Besuch in Hettstedt in Sachsen-Anhalt. Der Gegend, aus der die Menschen
weggehen, könnten Flüchtlinge helfen. Wäre da nur nicht die AfD.
Publizistin über Frauen im Islam: „Man muss auch zweifeln dürfen“
Welches innere Korsett trägt die Muslimin? Sineb El Masrar über dicke
Frauen, Monobrauen und islamische Angstpädagogik.
Kolumne Dumme weiße Männer: Die Prinzen von Clausnitz
Clausnitz zeigt, dass dumme weiße Männer wegen Wehwehchen an die Decke
gehen. Ihre Opfer sind Leute, denen es wirklich schlecht geht.
Nach Übergriff in Clausnitz: Keine Ermittlungen gegen Flüchtlinge
Zunächst hieß es, es werde auch gegen Asylsuchende aus dem angegriffenen
Bus ermittelt. Davon ist jetzt keine Rede mehr.
Nach Ereignissen in Clausnitz: Sachsen, wir haben ein Problem
Der Bundestag geht mit dem Bundesland im Osten ins Gericht: Es ist von
institutionellem Rassismus und Dunkeldeutschland die Rede.
Angriff auf Flüchtlingsbus in Clausnitz: Petry räumt AfD-Beteiligung ein
Die AfD-Vorsitzende Petry bestätigte eine Beteiligung von AfD-Mitgliedern
in Clausnitz. Sachsens Ministerpräsident Tillich fordert
„gesamtgesellschaftliche Aktion“.
Flüchtlingsroute durch Griechenland: Chaos an der mazedonischen Grenze
An der griechisch-mazedonischen Grenze hat die Polizei eine Eisenbahntrasse
geräumt. Hunderte Migranten hatten sie am Montag besetzt und den Verkehr
gestoppt.
Übergriffe gegen Asylbewerber: Warum Sachsen?
Über zwei Jahrzehnte erzkonservatives Lebensgefühl: Das Bundesland führt
die Statistiken zu fremdenfeindlichen Straftaten an.
Linken-Chefin über die sächsische Polizei: „Es herrscht faktische Straffrei…
Die Parteivorsitzende der Linken, Katja Kipping, fordert eine Polizeireform
in Sachsen. Die Lage ermutige geradezu zu rassistischen Übergriffen.
Reaktionen auf Übergriffe in Sachsen: „Nicht bis zum ersten Toten warten“
Das Flüchtlingsheim in Clausnitz bekommt einen neuen Leiter.
Bundesjustizminister Maas warnt derweil vor Rassismus, Bundeskanzlerin
Merkel ist „beschämt“.
Kolumne „Deutschland, was geht?“: Wir haben in 20 Jahren nichts gelernt
Ich bin wütend. Weil Polizisten ihrer Pflicht nicht nachkommen. Und weil
ich meine Eltern in dem Bus von Clausnitz sitzen sehe.
Rassismus im sächsischen Clausnitz: De Maizière nimmt Polizei in Schutz
Trotz Kritik am rabiaten Vorgehen in Clausnitz stellt sich Maizière hinter
die Polizei. Gewalt sei im Osten stärker sichtbar, erklärt
Ex-Bundestagspräsident Thierse.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.