# taz.de -- Nach Ereignissen in Clausnitz: Sachsen, wir haben ein Problem | |
> Der Bundestag geht mit dem Bundesland im Osten ins Gericht: Es ist von | |
> institutionellem Rassismus und Dunkeldeutschland die Rede. | |
Bild: Der SPD-Bundestagsabgeordnete Uli Grötsch mit einer Karte, die fremdenfe… | |
BERLIN taz | Da hatten die Schüler aus Bitterfeld, die an diesem Mittwoch | |
den Bundestag besuchten, wirklich Glück. Hätte die letzte DDR-Volkskammer | |
die Bundesländergrenze ein wenig weiter nördlich gezogen, dann läge | |
Bitterfeld heute in Sachsen, nicht in Sachsen-Anhalt. Und die Sachsen kamen | |
nicht gut weg in der kurzfristig angesetzten aktuellen Stunde. | |
Von „Dunkeldeutschland“ sprach der bayerische SPD-Abgeordnete Uli Grötsch, | |
während er eine Karte der Amadeu Antonio Stiftung mit fremdenfeindlichen | |
Straftaten verteilen ließ. „Sachsen ist komplett übersät mit roten | |
Punkten.“ Grötsch ist von Beruf Polizist, und seine sächsischen Kollegen | |
stehen ebenfalls arg unter Beschuss. | |
Nach den Ereignissen in der vergangenen Woche, als eine johlende Schar in | |
Clausnitz im Erzgebirge einen Bus mit Flüchtlingen umlagerte, Polizisten | |
die Reisenden zum Teil rabiat aus dem Bus ins Haus verfrachteten und Bürger | |
in Bautzen ein brennendes Flüchlingsheim beklatschten, hatten die Grünen | |
eine Aussprache im Parlament beantragt. Freuen konnte sich die Fraktion | |
über den schnellen Erfolg jedoch nicht, denn wie deren parlamentarische | |
Geschäftsführerin Britta Haßelmann monierte, fehlte die gesamte Regierung. | |
Die Minister hatten die zweite Reihe, die Staatssekretäre vorgeschickt. Das | |
sei ein Unding angesichts der Situation, kritisierte Haßelmann. | |
Wie schlimm die Situation ist, darüber gingen die Meinungen auseinander. | |
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter wertete das Verhalten der Polizei als | |
„Fall von institutionellem Rassismus“. Günter Krings hingegen, der als | |
Staatssekretär den Innenminister Thomas de Maizière (CDU) vertrat, stärkte | |
wie schon sein Chef der Polizei den Rücken. Aus den Szenen der im Internet | |
kursierenden Videos könne man keine Rückschlüsse auf den Einsatz ziehen, | |
fand er. | |
Der sächsische Unionsabgeordnete Günter Baumann sang zunächst ein Hohelied | |
auf sein Land: „Das Bild der vergangen Tage, das ist nicht unser Sachsen. | |
Wir sind stolz auf unser Sachsen, auf Tourismus und Wirtschaft“, posaunte | |
er, bevor er sich bei den Asylbewerbern für einige seiner Landsleute | |
entschuldigte. | |
Dass Sachsen ein Problem hat, so viel Einigkeit gab es. Aber warum? Krings | |
schob das auf die Spätfolgen jahrzehntelanger regressiver Abschottung im | |
Osten, während die Linke die geschichtlichen Ursachen allein in den letzten | |
25 Jahren suchte, in denen Sachsen von der CDU regiert wurde. „Der Mob | |
fühlt sich in Sachsen nicht nur im Recht, sondern in Sicherheit“, sagte der | |
Linken-Abgeordnete Michael Leutert und berichtet von seinen Zeiten im | |
linken Jugendverein im sächsischen Mittweida. Der Verein sei damals | |
wiederholt von Rechtsextremen angegriffen worden. Die Behörden hätten | |
darauf reagiert, indem sie Bußgeldbescheide an die Jugendlichen verteilten, | |
weil die Scherben am nächsten Tag noch auf dem Gehweg lagen. | |
Der Generalsekretär der sächsischen CDU, Michael Kretschmer, betont, der | |
Kampf gegen Rechtsextremismus, nein gegen jegliche Extremismus sei ein | |
zentrales Anliegen seiner Partei. „Aber“, schob Kretschmer nach: „Die | |
Antifa ist in diesem Kampf kein Partner, sondern ein Problem.“ „Das ist das | |
Problem“, rief Leutert. Da waren die Mikros schon aus und die Schüler | |
gegangen. | |
24 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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