# taz.de -- Rassismus im sächsischen Clausnitz: De Maizière nimmt Polizei in … | |
> Trotz Kritik am rabiaten Vorgehen in Clausnitz stellt sich Maizière | |
> hinter die Polizei. Gewalt sei im Osten stärker sichtbar, erklärt | |
> Ex-Bundestagspräsident Thierse. | |
Bild: De Maizière am Sonntagabend: „Ich kann Kritik an diesem Polizeieinsatz… | |
BERLIN afp/epd/dpa | Nach den fremdenfeindlichen Pöbeleien im sächsischen | |
Clausnitz hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) die Polizei in | |
Schutz genommen. „Ich kann Kritik an diesem Polizeieinsatz nicht erkennen“, | |
sagte de Maizière am Sonntagabend im „Bericht aus Berlin“ der ARD. Die | |
Vorfälle seien für die Polizei nicht vorhersehbar gewesen. Es sei richtig | |
gewesen, die Flüchtlinge aus dem Bus in die Flüchtlingsunterkunft und damit | |
in Sicherheit zu bringen. | |
Der Polizei war vorgeworfen worden, [1][hart gegen die Flüchtlinge im Bus | |
vorgegangen zu sein] und einige von ihnen unter Anwendung von Gewalt aus | |
dem Bus gezerrt und in die Flüchtlingsunterkunft gebracht zu haben. Eine | |
pöbelnde Menge hatte den Bus mit den ankommenden Flüchtlingen in Clausnitz, | |
einem Ortsteil der Gemeinde Rechenberg-Bienenmühle, blockiert. | |
De Maizière stellte klar, dass „Gewalt“, „Hass“ oder „Hetze“ gegen | |
schutzsuchende Flüchtlinge „inakzeptabel“ sei. Es sei richtig gewesen, die | |
Menschen aus dem Bus zu bringen. „Stellen Sie sich mal vor, der Bus wäre | |
zurückgefahren. Dann hätten ja diese grölenden Leute noch Recht bekommen“, | |
sagte der Minister. „Nein, das war in Ordnung.“ | |
Keine Einschätzung wollte de Maizière dazu abgeben, dass die Polizei nun | |
gegen verängstigte Insassen des Busses ermitteln will. Das könne er nicht | |
beurteilen, sagte der Innenminister dazu. Die Integrationsbeauftragte der | |
Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), hatte das Verhalten der Polizei | |
„erschütternd“ genannt: „Ein Mob brüllt ausländerfeindliche Parolen und | |
verhindert die Fahrt eines Busses mit Flüchtlingen zur Unterkunft, und die | |
Polizei kündigt Ermittlungen gegen Flüchtlinge im Bus an.“ | |
Der Sender MDR berichtete unterdessen, der Bruder des | |
Flüchtlingsheimleiters von Clausnitz habe die Proteste in dem Ort | |
mitorganisiert. Dem MDR-Magazin „exakt“ sagte Karsten H. demnach, er habe | |
aber nicht gewollt, dass die Situation so eskaliert. Er habe nur eine | |
Demonstration gewollt, um die Kritik an der Asylpolitik in Deutschland | |
deutlich zu machen: „Wir wollten den Flüchtlingen nie was tun. (...) Die | |
Kinder haben uns definitiv leidgetan. Das war von niemandem gewollt; | |
zumindest die, die von uns hier aus dem Ort gekommen sind.“ Der Leiter der | |
Flüchtlingsunterkunft soll [2][Mitglied der rechtspopulistischen AfD sein.] | |
## Osten für Fremdenhass empfänglicher? | |
Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) hat dem | |
ausländerfeindlichen Mob von Clausnitz vorgeworfen, er pervertiere den Satz | |
„Wir sind das Volk“. „Diese Menge dreht den Ruf ‚Wir sind das Volk in | |
seinem Sinn um“, sagte Thierse den Zeitungen der Essener | |
Funke-Mediengruppe. Im Wendejahr 1989 sei dies ein Ruf der Ohnmächtigen und | |
Schwachen gegen die Mächtigen der SED-Diktatur gewesen. „Heute wird dieser | |
Ruf gegen die Ohnmächtigen und Schwachen geschrien, gegen die Ausländer und | |
Fremden, die zu uns kommen“, kritisierte der SPD-Politiker. „Das nenne ich | |
eine Pervertierung des Rufes ‚Wir sind das Volk‘.“ | |
Die fremdenfeindlichen Geschehnisse von Clausnitz und Bautzen sind nach | |
Ansicht Thierses nur mit den „radikalen Umbrüchen“ der vergangenen Jahre zu | |
erklären. „Hass und Gewalt sind im Osten stärker sichtbar und hörbar“, u… | |
die Bevölkerung im Osten sei empfänglicher für menschenfeindliche | |
Botschaften. „Wer in den vergangenen 25 Jahren so viele Veränderungen | |
überstehen musste, ist offensichtlich weniger gefestigt in seinen | |
demokratischen und moralischen Überzeugungen“, sagte Thierse. | |
Grünen-Chefin Simone Peter [3][sagte der Passauer Neuen Presse]: „Die | |
sächsische Regierung verharmlost seit Jahren die rechte Gefahr.“ Der grüne | |
Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler sprach in der hannoverschen | |
Neuen Presse von „Polizeiversagen“ und forderte Ulbigs Rücktritt. Sachsens | |
Linkspartei-Chef Rico Gebhardt sagte: „Langsam beginne ich, an eine | |
selbstverordnete, rechtsäugige Blindheit von Teilen der sächsischen Polizei | |
und vor allem ihres Dienstherrn zu glauben.“ | |
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) warnt vor einem „immer engeren | |
organisatorischen Zusammenschluss von rechtsradikalen Gruppierungen, die | |
sich formieren wollen“. Er sagte dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“: �… | |
dürfen wir nicht tatenlos zusehen.“ Der Staat müsse seine Kräfte bündeln. | |
Hetze und Hass überschritten immer öfter die Grenzen der Meinungsfreiheit. | |
„Verbalradikalismus ist immer auch die Vorstufe zu körperlicher Gewalt“, | |
betonte der Minister. | |
Er verwies auf einen „dramatischen Anstieg“ der Zahl rechtsextremistisch | |
motivierter Straftaten in Deutschland. So habe es im vergangenen Jahr mehr | |
als 1.000 Straftaten allein gegen Unterkünfte von Flüchtlingen und | |
Asylbewerbern gegeben. Bei einem für März einberufenen Treffen der Bundes- | |
und Landesjustizminister solle deshalb die bessere Zusammenarbeit der | |
Behörden vorbereitet werden. Maas schlug die Spezialisierung von | |
Staatsanwaltschaften vor. Man werde sich auch mit der Frage beschäftigen, | |
„was wir präventiv tun können, um eine weitere Radikalisierung in den | |
Justizvollzugsanstalten zu verhindern“. | |
22 Feb 2016 | |
## LINKS | |
[1] /Rassistische-Krawalle-in-Clausnitz/!5279951 | |
[2] /Fluechtlinge-in-Clausnitz/!5276890 | |
[3] http://www.pnp.de/nachrichten/politik/1971805_Fremdenfeindliche-Attacken-in… | |
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