# taz.de -- Nach der Parlamentswahl im Iran: Die politische Mitte ist zurück | |
> Gemäßigte im Iran sind wieder deutlicher in wichtigen Institutionen | |
> vertreten. Viele hoffen nun auf eine Liberalisierung der Gesellschaft. | |
Bild: Fototermin der Gemäßigten, in der Mitte Expräsident Rafsandschani. | |
BERLIN taz | Die Islamische Republik hat sich mit den Wahlen vom Freitag | |
einen Schritt hin zur Mitte bewegt. Nachdem die vom Wächterrat getroffene | |
Vorwahl die Reformer weitgehend ausgeschlossen hatte, haben reformwillige | |
Wähler sich für das kleinere Übel und damit für Gemäßigte und moderate | |
Konservative entschieden. Damit kehrt diese politische Strömung, die nach | |
den Protesten von 2009 gegen die umstrittene Wiederwahl von Präsident | |
Mahmud Ahmadinedschad aus der Politik verbannt wurde, auf die politische | |
Bühne zurück. | |
Dem Innenministerium zufolge ist die Entscheidung über 230 der 290 | |
Parlamentssitze im ersten Wahlgang gefallen. Über die restlichen 60 Sitze | |
entscheidet eine Stichwahl im April. Unter den 230 gewählten Abgeordneten | |
werden 103 den Konservativen und 95 den Gemäßigten zugeordnet. Der Rest | |
besteht aus Unabhängigen, von denen man nicht weiß, wie sie sich in Zukunft | |
positionieren werden. Einen großen Sieg hat die Liste Omid (Hoffnung), | |
bestehend aus Reformern, Gemäßigten und moderaten Konservativen, in Teheran | |
errungen. Hier gelang der Liste, alle für Teheran vorgesehenen 30 Sitze zu | |
gewinnen. | |
Überraschend ist auch, dass mehrere Ultras und Erzkonservative wie Mehdi | |
Kutscheksadeh oder Ruhollah Hosseinian, die zu den schärfsten Gegnern der | |
Regierung gehörten, unter den Verlierern sind. Kutscheksadeh hatte | |
Außenminister Mohammed Dschawad Sarif, der für die Atomverhandlungen | |
verantwortlich war, als „Verräter“ bezeichnet. Und Hosseinian wünschte der | |
iranischen Verhandlungsdelegation den Tod. | |
Günstig für die Moderaten war die relativ hohe Wahlbeteiligung von etwa 60 | |
Prozent. Hinzu kam die Popularität von Präsident Hassan Rohani und seiner | |
Regierung, die infolge des Atomabkommens und der Aufhebung der Sanktionen | |
enorm gestiegen ist. Die Iraner hoffen nun auf einen wirtschaftlichen | |
Aufschwung, eine Öffnung nach außen, aber auch auf eine Liberalisierung des | |
Landes. Rohani hatte vor seiner Wahl 2013 eine Öffnung nach innen | |
angekündigt. Seine Regierung hat sich jedoch auf den Atomkonflikt und die | |
Außenpolitik konzentriert. Nun hoffen die Iraner, dass die Regierung durch | |
die Stärkung der Moderaten im Parlament eine größere Rückendeckung erhält, | |
um endlich Reformen durchzusetzen. | |
## Konservative auch im Expertenrat geschwächt | |
Die konservativen Blätter, die ebenfalls von den Erfolgen der Moderaten | |
überrascht wurden, versuchen, die Euphorie in der Bevölkerung einzudämmen. | |
Der Herausgeber der Tageszeitung Kayhan, die als Sprachrohr der | |
Ultrarechten bezeichnet wird, schrieb: „Die Staatsordnung der Islamischen | |
Republik ist derart gestaltet, dass keine Partei und keine Fraktion in der | |
Lage ist, grundsätzliche Änderungen des Systems durchzusetzen. Die | |
Richtlinien der Politik werden vom Revolutionsführer Chamenei bestimmt, und | |
die meisten Institutionen stehen unter seiner Kontrolle.“ | |
Auch bei der Wahl des Expertenrats konnten die Moderaten wichtige Erfolge | |
erzielen. Der Rat hat 88 Mitglieder, die nur aus Geistlichen bestehen und | |
für acht Jahre gewählt werden. Er hat die Aufgabe, den Revolutionsführer zu | |
wählen. Hier wurde die Fraktion der Konservativen und Ultras, die bislang | |
die absolute Mehrheit innehatte, geschwächt. Der erzkonservative | |
Vorsitzende des Wächterrats, Ahmad Dschannati, steht als Letzter auf der | |
Teheraner Liste. Im Expertenrat ist das Kräfteverhältnis nicht eindeutig. | |
Sicher ist nur, dass die Mitte gestärkt aus den Wahlen hervorgegangen ist. | |
1 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Bahman Nirumand | |
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