# taz.de -- Wahl zum Fifa-Präsidenten: Es bleibt in der Familie | |
> Stimmenkauf, Unterdrückung unliebsamer Sportler und kein Bezug zum | |
> Fußball: Scheich Salman gilt als Favorit bei der Wahl zum | |
> Verbandsvorsitz. | |
Bild: Gute Stimmung bei Salman bin Ibrahim al-Chalifa | |
Berlin taz | Die Fifa bleibt die Fifa. Da können die US-Behörden noch so | |
viele bestechende und bestechliche Funktionäre festnehmen lassen. Da können | |
noch so irre Nachrichten über bis dato unbekannte Schmiergeldzahlungen die | |
Schlagzeilen dominieren. Da können noch so viele Funktionäre heilig | |
versprechen, dass jetzt alles anders wird, nachdem die Fifa selbst ihren | |
Langzeitpräsidenten und obersten Hüter des korrupten Systems, Sepp Blatter | |
für sechs Jahre vom Fußball ausgeschlossen hat. Die Fifa bleibt sich treu. | |
Und so wundert sich niemand, dass einem der Kandidaten um das Amt zwei Tage | |
vor dem Votum von einem veritablen britischen Parlamentsmitglied | |
vorgeworfen wird, er habe Stimmen gekauft. Die Rede ist von Salman bin | |
Ibrahim al-Chalifa, dem Präsidenten des Fußballverbands von Bahrain. Der | |
wollte 2009 Chef des Asiatischen Kontinentalverbands werden und soll Gelder | |
aus Fifa-Entwicklungsprogrammen zum Stimmenkauf eingesetzt haben. Das | |
zumindest behauptet der Abgeordnete der Konservativen im Unterhaus, Damian | |
Collins. Er scheiterte, versuchte es vier Jahre später noch einmal. Für die | |
dann erfolgreiche Wahl 2013 soll er mindestens die Stimme Kirgisistans | |
gekauft haben. | |
Natürlich gibt es längst ein Dementi des blaublütigen Kandidaten, der dem | |
bahrainischen Herrscherhaus angehört. Und natürlich kann sich niemand | |
vorstellen, dass die frischen Vorwürfe irgendeinen Einfluss auf die | |
Abstimmung am Freitag haben könnte. Da ist noch nie ein Funktionär gewählt | |
worden, obwohl er Stimmen gekauft hat, sondern weil er Stimmen gekauft hat. | |
So ist sie eben, die Fifa. | |
Und so wird sie wohl bleiben. Scheich Salman gilt als Favorit für die Wahl. | |
Dafür soll ein anderer Scheich gesorgt haben. Ahmad al-Fahad al-Sabah, der | |
Chef des Nationalen Olympischen Komitees von Kuwait ist ein versierter | |
Stimmenorganisator, ohne dessen Hilfe es der deutsche Thomas Bach eher | |
nicht an die Spitze des Internationalen Olympischen Komitees geschafft | |
hätte. Um ihn gibt es vor der Wahl von Zürich jede Menge Gerüchte. Da | |
twittern Journalisten, sie hätten Informationen aus dem Umfeld eines | |
Kandidaten, der gesagt habe, der Kuwaiter sei sich sicher, dass der | |
Bahrainer bereits 105 der 207 Stimmen sicher habe. Wenn der Bahrainer | |
wirklich gewinnen sollte, niemand würde sich wundern. Man ist bei der Fifa. | |
Da gewinnt der die Wahl, der sich die meisten Stimmen organisiert. | |
## Geld versprochen | |
Es wundert sich auch niemand darüber, dass ein Mann aus Bahrain über den | |
Weltfußball regieren will. Die Fifa hat ja auch schon eine ganze Fußball-WM | |
nach Katar vergeben, einem Land, dessen größter fußballerischer Erfolg die | |
Verpflichtung des im Karriereherbst müde geworden spanischen Weltmeisters | |
Xavi Hernández, für ein Ligateam ist. Bahrain, das Inselkönigreich im | |
Persischen Golf hat keine 1,5 Millionen Einwohner und wahrlich keine große | |
Fußballgeschichte. Zweimal wäre die Nationalmannschaft Bahrains fast bei | |
einer WM gelandet. Vor den Turnieren 2006 und 2010 fehlte in den Playoffs | |
jeweils nur ein Tor zum großen Turnier. Als Fußballnation wird das | |
Königreich deshalb dennoch wohl niemand bezeichnen. Weil Salman aber Geld | |
versprochen hat, weil er dafür sorgen will, eine Finanzierungslücke von | |
über 500 Millionen Euro zu schließen, die sich bald auftun könnte, weil | |
nach all den Korruptionsskandalen des vergangenen Jahres keine neuen | |
Großsponsoren bei der Fifa anklopfen, wird er geschätzt. | |
Und nicht mal, dass Scheich Salman vorgeworfen wird, in der wohl | |
finstersten Fußballgeschichte des Landes eine üble Rolle gespielt zu haben, | |
macht ihn als Fifa-Boss undenkbar. Ein Verband, der nicht dafür sorgen | |
kann, dass Menschen für den Bau von WM-Stadien nicht versklavt werden, wie | |
es in Katar geschieht, der nicht garantieren kann, dass ein Einsatz auf | |
einer Baustelle nicht tödlich endet, der wird nicht allzu laut aufschreien, | |
wenn publik wird, dass einer seiner Funktionäre an der blutigen | |
Niederschlagung der Reformbewegung 2011 in Bahrain beteiligt war. Sportler, | |
die mitdemonstriert haben, wurden damals von ihren Verbänden aus den Kadern | |
entfernt, weggesperrt und gefoltert. Daran gibt es keinen Zweifel. | |
Salman sagte über jene Zeit, er habe von alledem nichts gewusst, und eine | |
aktive Rolle habe er schon gar nicht gespielt bei der Unterdrückung des | |
Aufstands der schiitischen Minderheit des Landes, der mit Hilfe aus | |
Saudi-Arabien blutig niedergeschlagen worden war. Dass die bahrainische | |
Nachrichtenagentur BNA, eine staatsnahe Einrichtung, nach der | |
Niederschlagung vermeldete, Scheich Salman sei mit der Leitung einer | |
Kommission betraut, die aufmüpfige Sportler aufspüren sollte, spricht | |
dagegen. | |
Das WDR-Magazin „Sport inside“ hat einen nach Australien ausgewanderten | |
Fußballer gesprochen, der in Bahrain zum Folteropfer geworden war. Seine | |
Familie hatte Salman als Präsident des Fußballverbands um Hilfe gebeten. | |
Zumindest von diesem Fall müsste der Scheich also Kenntnis haben. | |
Immerhin hat der DFB angekündigt, Salman die Stimme zu verwehren. Reinhard | |
Rauball, der als Vertreter des Deutschen Fußball-Bunds zum Fifa-Kongress | |
reist, hat das Thema Menschenrechte als ein Gewinnerthema für den Fußball | |
ausgemacht. Es dürfe da keinen Sündenfall geben, meint er. Er steht mit | |
seiner Meinung gewiss nicht allein da. Auch für die Engländer ist Salman | |
ein Problemkandidat. | |
Es ist auch die Fifa selbst, die mit ihrer Wahlkommission verhindert, dass | |
sich die Kandidaten ernsthaft mit umstrittenen Positionen beschäftigen. Der | |
jordanische Prinz Ali, einer der drei chancenlosen Kandidaten, hatte leise | |
Kritik an Salmans Äußerungen zu den Vorgängen in Bahrain geäußert und | |
umgehend Post von der Wahlkommission bekommen. Man solle sich nicht zu | |
Kandidaten äußern, hieß es. Jetzt sagt er nichts mehr. Wundert das | |
irgendjemanden? Es soll eben alles in der Familie bleiben. So wollte es | |
Sepp Blatter immer, und so soll es auch bleiben. | |
Ein Fußballfamilienmensch ist gewiss auch Gianni Infantino, der Kandidat, | |
der von der Uefa als Platzhalter für den wegen Korruption aus dem Verkehr | |
gezogen Michel Platini ins Rennen geschickt wurde. Dieser Bewerber, der | |
Salman noch am ehesten gefährlich werden könnte, hat sich mit Tokyo | |
Sexwale, dem völlig unambitionierten Kandidaten aus Südafrika, auf der | |
Gefängnisinsel Robben Island getroffen. Dort hatten Gefangene um die | |
Befreiungsikone Nelson Mandela einst eine Fußballmannschaft gegründet. | |
„Leidenschaft und Menschlichkeit im Fußball gibt es überall“, hatte | |
Infantino nach seinem Besuch getwittert. Sepp Blatter, der auch so gern das | |
Gute im Fußball sehen wollte, hätte es nicht schöner sagen können. Schön | |
vor allem für Leute wie Scheich Salman. So hat man in der Fifa immer über | |
Menschenrechte gesprochen. Gut möglich, dass das so bleibt. | |
25 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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