# taz.de -- Baustellen für Fußball-WM in Katar: Demos, Petitionen und Moralap… | |
> NGOs kritisieren seit Langem die Arbeitsbedingungen auf den Baustellen | |
> für die Fußball-WM 2022. Doch in Katar ändert sich nur wenig. | |
Bild: NGOs kritisieren miese Arbeitsbedingungen und Hungerlöhne. Aber Katar ä… | |
BERLIN taz | Was Katar für den Weltfußball bedeutet, ist am Dienstag vor | |
dem Landgericht Düsseldorf Verhandlungsgegenstand. Das Emirat sei das | |
„Krebsgeschwür des Weltfußballs“, hatte der frühere Präsident des Deuts… | |
Fußballbundes, Theo Zwanziger, gesagt. Und der katarische Fußballverband | |
sieht darin eine „nicht hinnehmbare Verleumdung und Herabwürdigung“ und | |
klagt. Der Streitwert liegt bei 100.000 Euro. Schon zu anderen Anlässen | |
hatte Zwanziger Verhältnisse in Katar angeprangert und gar einen Boykott | |
der Fußball-Weltmeisterschaft durch Fans gefordert. | |
Wie es auf den Baustellen in Katar, wo derzeit Stadien, Hotels und andere | |
Projekte für die Fußball-WM 2022 hochgezogen werden, zugeht, dokumentieren | |
unter anderem der Weltgewerkschaftsbund (IGB), Amnesty International und | |
die NGO „Human Rights Watch“. „Unsere Researcher sind vor Ort“, sagt Re… | |
Spöttel von Amnesty International. Doch von nennenswerten Verbesserungen | |
kann sie nicht berichten. | |
Neben dem Regime in Katar selbst beanstanden die NGOs auch die Länder, aus | |
denen die Arbeitsmigranten auf den Baustellen kommen: vor allem Nepal und | |
Indien. Regina Spöttel sagt, dass dort „oft zwielichtige Agenturen die | |
Menschen anwerben“. | |
Daneben stehen die Sportverbände im Fokus der Kritik. Das ist nicht nur der | |
Weltfußballverband Fifa. Im Januar 2015 fand die Handball-WM in dem Emirat | |
statt, 2019 ist es die Leichtathletik-WM, und dass man sich vergeblich um | |
die Olympischen Spiele 2016 und 2020 bemüht hat, bedeutet wenig: Solange | |
das Geld da ist, wird sich der Wüstenstaat wohl bewerben. | |
## Arbeitsbedingungen schlechter als überall sonst | |
Wie die Arbeitsbedingungen aussehen, bescheibt Mohan Logu Naicker. Er ist | |
Zimmermann und Mitglied der in Südindien tätigen Bauarbeitergewerkschaft | |
TKTMS. „Ich war in Russland, auf den Malediven und auch in Dubai | |
beschäftigt. In Katar sind die Bedingungen schlechter als in allen anderen | |
Ländern“, berichtete er auf einer Demonstration des IGB. | |
„An diesem Zustand hat sich nichts verbessert. Ich musste 14 Stunden | |
täglich arbeiten. Allerdings reichte mein Lohn immer noch nicht dafür aus, | |
den bei meinem Rekrutierungsagenten aufgenommenen Kredit zurückzuzahlen. | |
Uns allen war klar, dass uns eine Gefängnisstrafe drohte, wenn wir kündigen | |
oder uns über die schlechten Bedingungen beklagen würden.” | |
Was können die meist europäischen und amerikanischen Firmen im Arbeitsrecht | |
bewirken, die mit Millionenaufträgen Projekte hochziehen und unmittelbar an | |
der Ausbeutung der Arbeitsmigranten verdienen? Nach Schätzungen des IGB | |
werden die Kosten, die die Fußball-WM in Katar mit sich bringt, dramatisch | |
sein: Werden es für die WM 2018 in Russland etwa 11,8 Milliarden Dollar | |
sein und waren es für die WM 2014 in Brasilien noch 15 Milliarden, so wird | |
für Katar mit bis zu 222 Milliarden Dollar gerechnet. Das ergibt sich | |
daraus, dass jede Infrastruktur für ein derartiges Weltereignis fehlt. Die | |
Gewinnerwartung internationaler Firmen soll sich laut IGB um die 15 | |
Milliarden Dollar bewegen. | |
Der deutsche Konzern Hochtief gehört zu den Unternehmen, die in Katar | |
verdienen. Nach grober Schätzung des IGB kann er „mit gesteigerten | |
Umsatzerlösen in Höhe von Hunderten Millionen Dollar“ rechnen. Auf | |
taz-Anfrage teilt Hochtief zu einem von ihm gebauten Tunnel plus Ausbau des | |
Abwassersystems der Hauptstadt Doha mit – der Auftragswert liegt bei 265 | |
Millionen Euro –, Misshandlungen, wie sie von manchen Baustellen gemeldet | |
werden, seien „für uns schon rein menschlich nicht akzeptabel“. | |
Darüber hinaus verweist Hochtief darauf, dass das Unternehmen börsennotiert | |
ist: „Jegliche Verletzungen sozialer Standards würden sofort auf uns | |
zurückfallen.“ Als Beispiel für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen | |
heißt es: „So rief zum Beispiel ein für die Projektdauer festangestellter | |
Muezzin die muslimischen Kollegen drei- bis fünfmal am Tag zum Gebet.“ | |
## Problem ist die Kontrolle der Subunternehmer | |
An dem skandalösen Arbeitsrecht, das in Katar herrscht, dem Kafala-System, | |
ändert das aber zunächst nichts. Das bewirkt, dass Wanderarbeitskräften – | |
von ihnen sind zwischen 1,5 und 1,7 Millionen im Land – das Recht | |
verweigert wird, Katar zu verlassen oder für ein anderes Unternehmen zu | |
arbeiten. Es erlaubt Arbeitgebern auch, die Pässe der Arbeitsmigranten an | |
sich zu nehmen, ihnen das Recht zu verweigern, auf einer Bank Geld zu | |
leihen oder etwa den Führerschein zu machen. | |
Experten wie Regina Spöttel verweisen jedoch darauf, dass es oft nicht um | |
das Gebaren großer internationaler Konzern geht. „Vor allem bei Unternehmen | |
mit vielen Subunternehmern ist die Lage problematisch. Denn es ist fast | |
unmöglich, bei jedem Subunternehmer unsere Forderungen nach besseren | |
Lebens- und Arbeitsbedingungen für Arbeitsmigranten im Auge zu behalten“, | |
sagt sie. „Gerade hier sind die großen Unternehmen selbst gefragt, genauer | |
hinzuschauen.“ | |
Federführend bei gewerkschaftlichen Kampagnen zu Katar ist bislang die Bau- | |
und Holzarbeiter-Internationale (BHI), der Weltverband der Bauarbeiter. | |
BHI-Generalsekretär Ambet Yuson erklärt: „Wir haben bereits auf | |
unterschiedliche Art und Weise versucht, die Fifa dazu zu bewegen, sich | |
dafür einzusetzen, dass die Gewerkschaften mit ins Boot genommen werden und | |
sich für die Arbeitnehmerrechte in Katar einsetzen können.“ | |
## Wen kritisieren? Die Fifa ist eh zu schwach | |
Das Problem: Solange die Fifa stark und ihr Präsident Sepp Blatter | |
unangreifbar schien, ließ sie die Forderungen an sich abprallen – sie war | |
in keiner Legitimationskrise. Seit die Fifa aber durch die | |
Korruptionsskandale geschwächt ist, hat sie auch kaum noch Macht, um | |
gegenüber dem katarischen Regime fordernd aufzutreten. | |
Wo der Hebel anzusetzen ist, mit dem die Kritik erfolgreich werden kann, | |
ist das zentrale Problem von IGB, Amnesty International und Human Rights | |
Watch. Es gibt Online-Petitionen, dazu Appelle an die WM- und | |
Fifa-Sponsoren, Druck zu machen oder ihre Zusammenarbeit aufzukündigen, und | |
Demonstrationen. Und es gibt den Versuch, westliche Entscheider moralisch | |
zu erreichen. „Kein Vorstandsvorsitzender würde auf ein Geschäftsmodell | |
setzen, das seine eigenen Söhne und Töchter versklavt“, heißt es beim IGB. | |
Als bislang schärfstes Schwert fungieren die gut recherchierten Berichte. | |
Dies, die über gute und überprüfbare Recherchen hergestellte | |
Öffentlichkeit, ist der bislang einzige halbwegs erfolgversprechende | |
Ansatz, Verbesserungen in Katar zu erreichen. | |
2 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
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