# taz.de -- Arte-Doku „Die große Fifa-Story“: Was hat dich bloß so ruinie… | |
> In dieser Woche wird der Nachfolger von Sepp Blatter gewählt. Arte zeigt | |
> zur Einstimmung, wie aus dem Weltfußballverband geworden ist, was er | |
> heute ist. | |
Bild: Die Fifa soll viel Geld an den kamerunischen Fußballverband überwiesen … | |
„Durchaus zu Recht“, schreibt die Fifa auf ihrer [1][Website], würde der | |
Weltfußballverband als „Vereinte Nationen des Fußballs“ bezeichnet. So | |
sieht man sich in Zürich selbst: weltumspannend, altruistisch, | |
friedensstiftend. Wer die Fifa mit den Vereinten Nationen gleichsetzt, | |
steht leider nicht. Schade. Denn es dürften nicht mehr allzu viele sein, | |
die das so sehen. Für die meisten steht die Fifa mittlerweile als ein | |
Synonym für weltweite Korruption: selbstbereichernd, verbrecherisch, | |
selbstherrlich. Wie konnte es so weit kommen? | |
Arte sucht mit „Die große Fifa-Story“ – oder, wie der Film passender auf | |
Französisch heißt: „La planète Fifa“ – nach Antworten darauf in der | |
Geschichte des Weltfußballverbands. Der 90-Minüter ist die Einstimmung auf | |
den kommenden Fifa-Kongress in Zürich an diesem Freitag, auf dem die 209 | |
Nationalverbände einen neuen Herrscher ihres Planeten wählen werden. | |
Der Film von Jean-Louis Perez zeichnet nach, wie aus der 1904 gegründeten | |
und damals „lächerlich kleinen“ Fifa, wie sie Yves Rimet, der Enkel des | |
legendären Präsidenten Jules Rimet beschreibt, ein viele Milliarden | |
umsetzender Verband wurde, der mittlerweile gar die Macht hat, für seine | |
Turniere nationale Gesetze in den Ausrichterländern außer Kraft setzen zu | |
lassen. | |
Perez zeichnet dafür drei historische Linien nach: Die erste ist die | |
Internationalisierung. Sie beginnt sehr früh mit eben jenem Jules Rimet, | |
der 1921 Fifa-Präsident wird und schon die erste WM, die der | |
eurozentristische Verband 1930 veranstaltet, in Uruguay stattfinden lässt. | |
## Und dann kommt Joao Hevelange | |
Die zweite Linie ist die Kommerzialisierung: Sie beginnt eigentlich schon | |
1932 mit dem Umzug der Fifa von Paris nach Zürich. Die Schweiz hatte mit | |
dem Franken eine stabile Währung. Doch so richtig Fahrt nimmt sie erst 42 | |
Jahre später auf, gemeinsam mit der dritten Linie: der Korrumpierung des | |
Verbandes. Für Perez beginnt diese Linie 1974, als der Brasilianer Joao | |
Havelange zum Fifa-Präsidenten gewählt wird. | |
Doch viel wichtiger als die Wahl war das, was Havelange zuvor | |
veranstaltete: Wahlkampf. Richtigen Wahlkampf. Havelange reiste nach | |
Moskau, sicherte sich dort alle Stimmen des Ostblocks – und versprach im | |
Gegenzug, sich für Moskaus Bewerbung um die Olympischen Spiele 1980 | |
starkzumachen. Er reiste mit seinem Maskottchen Pelé in diverse | |
afrikanische Staaten und sicherte sich die Stimmen des ganzen Kontinents, | |
unter anderem weil er herausgefunden hatte, dass 14 afrikanische | |
Nationalverbände ihre Fifa-Mitgliedsbeiträge nicht bezahlt hatten und nicht | |
zahlen konnten. Havelange übernahm die Beiträge der Länder aus eigener | |
Tasche. Sie mussten als Gegenleistung nur für ihn stimmen. Die vielleicht | |
ersten gekauften Stimmen bei einer Fifa-Präsidentenwahl. | |
Unter Havelanges Regentschaft sollten nun Internationalisierung, | |
Kommerzialisierung und Korruption Hand in Hand in Hand gehen. Coca-Cola | |
wurde als Großsponsor gewonnen. Sechs Millionen Dollar zahlte das | |
Unternehmen dafür. Und Adidas, vermutlich die erste Firma, die das | |
Potenzial des Fußballs erkannte und dessen Chef Horst Dassler als | |
Königsmacher im internationalen Sport galt, war natürlich auch als Sponsor | |
an Bord. Wie viel Geld dafür floss, weiß kaum jemand. Dassler und Havelange | |
sollen den Deal per Handschlag besiegelt haben. „Das sind äußerst mafiöse | |
Strukturen“, sagt dazu ein Havelange-Biograf: „Wir machen das unter uns aus | |
und basta.“ | |
## Und dann kommt Joseph Blatter | |
Parallel beginnt Havelange, die Fernsehübertragungsrechte für die | |
Weltmeisterschaften zu vermarkten. Auch hier hat bald Dassler seine Finger | |
mit im Spiel. Er gründet 1982 die International Sports & Leisure (ISL), | |
kauft die Rechte und verscherbelt sie mit satten Gewinnen weiter. Die Fifa | |
wird zur Marke. Und an der Seite des Brasilianers war ab 1975 immer ein | |
kleiner Schweizer: Joseph Blatter, der seinen Ziehvater 1998 an der Spitze | |
ablöst. | |
Blatter treibt das Geschäft in ungeahnte Höhen: Obwohl das System ISL, in | |
dem über Jahrzehnte Schmiergelder an Fifa-Funktionäre flossen, implodiert, | |
fließen weiter Milliarden für die Übertragungsrechte. Sponsoren stehen | |
Schlange. Es gibt viel Geld zu verteilen. „Der Präsident der Fifa ist wie | |
der Weihnachtsmann“, sagt Guido Tognoni, der ehemalige | |
Kommunikationsdirektor der Fifa. Und Blatter spielt gerne den | |
Weihnachtsmann. Er erhält sich so die Gunst der vielen Verbände und | |
überlebt so jede Anschuldigung, jeden Skandal. | |
Bis zum Jahr 2015. | |
Dann sind wir wieder am Anfang der Doku: Der 27. Mai 2015, Hotel Baur au | |
Lac in Zürich, die Schweizer Behörden nehmen auf Bitten des | |
US-amerikanischen FBI hin [2][sieben Fifa-Funktionäre] fest. Die New Yorker | |
Staatsanwältin [3][Loretta Lynch] nimmt den Kampf auf. Sie bezeichnet die | |
Fifa als mafiöse Organisation. | |
Blatter wird zwar zwei Tage nach den Festnahmen [4][wiedergewählt], doch | |
der Druck steigt. Im Juni verspricht er, sein Amt [5][bald aufzugeben]. | |
Bald ist jetzt. „Wird der Fifa ein Neuanfang gelingen?“, fragt die | |
Doku-Stimme am Ende aus dem Off. Das kann nur eine rhetorische Frage sein. | |
Wer dennoch eine ausführliche Antwort darauf wissen will, sollte sich in | |
der [6][Mediathek] den Beitrag des WDR-Magazins „Sport Inside“ von | |
Sonntagabend über Salman al Khalifa anschauen. Der Scheich aus Bahrain ist | |
der große Favorit auf die Nachfolge von Joseph Blatter. | |
23 Feb 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://de.fifa.com/associations/ | |
[2] /!5201265/ | |
[3] /!5201614/ | |
[4] /!5201713/ | |
[5] /!5202190/ | |
[6] http://www1.wdr.de/fernsehen/information/sport_inside/fifa-kandidaten-100.h… | |
## AUTOREN | |
Jürn Kruse | |
## TAGS | |
Fifa | |
Joseph Blatter | |
Fifa-Präsident | |
Arte | |
Brasilien | |
Fifa-Präsident | |
Fußball | |
Fifa | |
Franz Beckenbauer | |
Fifa-Ethikkommission | |
Fifa | |
Fifa-Präsident | |
Fifa | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Ex-Fifa-Chef João Havelange ist tot: Dunkler Fürst des Weltfußballs | |
Er machte die Fifa zum globalen Konzern, galt als korrupt und kooperierte | |
mit Diktatoren. Hundertjährig ist João Havelange nun in Rio de Janeiro | |
gestorben. | |
Kommentar zur Neuausrichtung der Fifa: Sie können nicht anders | |
Letzte Chance Reformpaket: Bekommt die Fifa die notwendige Mehrheit für | |
einen Neuanfang? Skepsis ist angebracht. | |
Wahl zum Fifa-Präsidenten: Es bleibt in der Familie | |
Stimmenkauf, Unterdrückung unliebsamer Sportler und kein Bezug zum Fußball: | |
Scheich Salman gilt als Favorit bei der Wahl zum Verbandsvorsitz. | |
Was kann die Fifa-Reform?: Geplante Selbstentmachtung | |
Der Wahlkampf um die Präsidentschaft ist im Gange. Bedeutsamer ist die | |
Abstimmung über Reformen. Ein Überblick. | |
Beckenbauer und Fifa-Ethikkommission: Der Kaiser wird verwarnt | |
Bei der Fifa-Untersuchung zur Vergabe von Fußball-Weltmeisterschaften | |
kooperierte Franz Beckenbauer nicht genug. Nun muss er 7.000 Franken Strafe | |
zahlen. | |
Ex-Fifa-Generalsekretär 12 Jahre gesperrt: Jerôme Valcke ist raus | |
Hinter der Fassade von Blatters rechter Hand, Jerôme Valcke, versteckt sich | |
ein knallharter Geschäftsmann. Der Ethikrat belegte ihn nun mit zwölf | |
Jahren Sperre. | |
Präsidentschaftswahl bei der Fifa: Hilfe für Europa aus dem Südsudan | |
Zur Wahl empfiehlt der afrikanische Kontinentalverband den bahrainischen | |
Fußballfunktionär Scheich Salman. Einzelne Verbände wollen aber anders | |
abstimmen. | |
Wahlkampf um Fifa-Präsidentschaft: Das große Rennen | |
Die fünf Kandidaten für das Amt des Fifa-Präsidenten jetten um die Welt und | |
sammeln Stimmen. Gemeinsame Auftritte vor der Wahl scheuen sie. | |
Antikorruptionsexperte über Fifa: „Nicht alle sind Gangster“ | |
Er wollte die Fifa reformieren – und ist gescheitert. Der | |
Antikorruptionsexperte Mark Pieth über den Zustand des | |
Fußball-Weltverbands. |