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# taz.de -- Berlinale Wettbewerb – „Foucoammare“: Die Unmöglichkeit eine…
> Gianfranco Rosis Film „Fuocoammare“ ist ein Dokument der
> Fassungslosigkeit. Er erzählt von einem Jungen auf Lampedusa und dem
> Flüchtlingsdrama.
Bild: Gewiefter kleiner Macho: Samuele Pucillo in „Foucoammare“.
Gianfranco Rosi hat ein Faible für begnadete Exzentriker, die ohne große
Worte zu einem großen Fresko heutiger „Italianità“ beitragen können. Nach
seinem in Venedig prominent ausgezeichneten Semidokumentarfilm „Sacro Gra“,
der schräge Eigenbrötler am Rand von Rom porträtierte, nahm sich Rosi
ursprünglich ein Projekt über einen auf Lampedusa verwurzelten,
aufgeweckten 12-Jährigen vor, der als Prototyp der italienischen Zukunft
gelten könnte.
Dann aber eskalierte 2014 die Flüchtlingskrise. Immer mehr Tote und schwer
gezeichnete Überlebende des gefährlichen Transfers von Tunesien nach
Italien landeten auf der Insel. Rosi blieb und drehte mit hochauflösender
Kamera Szenen dieser abgründig kontrastierenden Welten. Sein
Wettbewerbsbeitrag, „Fuocoammare“, ist eines seiner Kunststücke in Sachen
visueller und schnittdramaturgischer Opulenz und zugleich das Dokument
seiner Fassungslosigkeit.
Rosi lässt die postheroische Welt des Kindes und das unmittelbare Grauen
der afrikanischen Flüchtlinge wie hermetische Blöcke gegeneinanderprallen.
Da sind die ruhigen, panoramaweiten Landschafts- und Wetterbilder, in denen
er Samueles Ausbüxen vor dem Schulalltag folgt. Der verschmitzte kleine
Macho animiert die Großeltern zu Geschichten über alte Seefahrerzeiten,
während er selbst lieber mit der Schleuder hantiert und seine Fantasie um
Waffenhelden kreist.
Der Filmtitel „Fuocoammare“ entstammt einem alten Schlager, der im
Inselradio gespielt wird. Glaubt man dem melancholischen Erzählmodus Rosis,
verharrt Lampedusa schläfrig und ignorant, als würde sich nicht ein paar
Kilometer weiter ein erschreckendes anderes „Feuer am Meer“ ereignen.
## Ein anonymer Rap-Song
Einmontiert in die brüchige Idylle sind Schlaglichter auf den
Überlebenskampf der Bootsflüchtlinge, die Rosis „Reporterpflicht“ mit ein…
diffusen Sehnsucht nach Spuren visueller Prägnanz wenn nicht Schönheit
verschmelzen. Da zeigt er etwa die menschenleere Radarzentrale der Marine
im Morgenrot, während man den verzweifelten Hilferuf eines Bootsflüchtlings
hört, der seine Position nicht angeben kann und plötzlich verstummt. Oder
Seenotrettungen mit Hubschraubern und Booten, Registrierungsaktionen sowie
die niederschmetternde „Abfertigung“ bei der Bergung der Toten.
Rosi, der sich den Männern in Schutzanzügen als Einmannteam anschloss,
kommt dem Grauen sehr nah, aber im Unterschied zur Erzählebene um Samuele
sucht er nicht nach Männern und Frauen, die über ihre unmittelbar elende
Verfassung hinaus als Subjekte von sich erzählen. Selbst der furiose
Rap-Song eines Nigerianers, der wie im Rausch den Durst seiner Mitreisenden
in der Wüste, die Schläge in libyschen Gefängnissen und die Panik
herausschreit, bleibt anonym.
Die Kluft überbrückt allein der weise Oberarzt des Inselkrankenhauses. Er
behandelt die vom Dieselöl und Salzwasser Verbrannten und sagt, was Rosi
vielleicht mit seinem heikel unentschiedenen Film meint: Man muss den
Flüchtlingen helfen.
14 Feb 2016
## AUTOREN
Claudia Lenssen
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