| # taz.de -- Berlinale, Tag 6: Was bisher geschah: Gegen das Mittelmaß | |
| > Regisseur Thomas Vinterberg wurde mit „Dogma 95“ bekannt – auf dem Podi… | |
| > spricht er von Revolte, Genitalien und seinem Film „Kollektivet“. | |
| Bild: Zehn Menschen = ein „Kollektivet“. | |
| Das Manifest Dogma 95 ist heute fast ein Mythos. Thomas Vinterberg, dessen | |
| Film „Kollektivet“ (Die Kommune) im Wettbewerb läuft, war es, der es mit | |
| seinem Kollegen Lars von Trier verfasste und durch Avantgarde-Filme das | |
| Kino nachhaltig prägte. | |
| Es ging ihnen 1995 darum, „das Filmemachen zu reinigen. Es war eine Revolte | |
| gegen das existierende Kino. Gegen die Mittelmäßigkeit der Filme und unsere | |
| eigene“, so Vinterberg am Montag auf der Bühne des Berliner Hebbel Am Ufer. | |
| „Wir wollten uns befreien, indem wir uns beschränken.“ Gleich mit dem | |
| Erstling, „Das Fest“, über die Enthüllung eines Kindesmissbrauchs kam der | |
| Erfolg. „Und plötzlich gab es Dogma-Möbel und Dogma-Lunchboxes!“ | |
| Das vom Intendanten der Berliner Festspiele Thomas Oberender vor | |
| ausverkauftem Saal geführte Gespräch findet unter dem Motto „The Director | |
| Must Not Be Credited: Collectives“ statt, das auf die zehnte und letzte | |
| Forderung des Dogma-Manifestes und auf Vinterbergs zentrales Werkthema | |
| verweist: die Beziehung des Individuums zur Gemeinschaft. | |
| Wie Vinterberg mit seinen Schauspielern zusammenarbeite, fragt Oberender. | |
| „Machtspiele sind nutzlos. Ich muss zunächst Klarheit darüber schaffen, | |
| dass ich der Verantwortliche bin“, gesteht er umstandslos. „Wenn das klar | |
| ist, bin ich für Vorschläge offen.“ Bis zu zwei Wochen vor den Dreharbeiten | |
| wird geprobt – allerdings nicht die Szenen, die im Drehbuch stehen, sondern | |
| die Momente davor. | |
| Zusammen mit den Schauspielern entstehen Figuren mit Vergangenheit und | |
| Träumen, durch Spiel und Streit legen sie gemeinsam fest, was im Film | |
| gezeigt, was versteckt wird. „Je solider die Fundamente, desto mehr können | |
| die Akteure vor der Kamera loslassen.“ | |
| Bei „Kollektivet“, der von einer Hippiekommune handelt und heute Abend | |
| Premiere feiert, sei es ihm wichtig gewesen, Klischees zu vermeiden. „Wobei | |
| ich“, sagt er freudig, „auf eine Minute nackter Genitalien nicht verzichten | |
| wollte.“ | |
| Vinterberg selbst wuchs in einer Kopenhagener Kommune auf, in der zwar | |
| keine Drogen oder freie Liebe, dafür aber umso freizügigere Ideen, Späße | |
| und Absurditäten am großen Küchentisch geteilt wurden. Als er sieben war, | |
| entschieden sich seine Eltern für den kollektiven Lebensstil außerhalb von | |
| Norm und Autorität. | |
| Der Film basiere aber nur lose auf seinen Erfahrungen. „Nicht ich | |
| persönlich, sondern der Mensch an sich ist interessant.“ Um diese Neugier | |
| aufrechtzuerhalten, müsse man in Bereiche gehen, in denen man sich nicht | |
| mehr sicher fühle. Sich diesem Risiko als Kollektiv zu stellen – das | |
| schaffe die Gemeinschaft. Auch im Filmteam halte man nach dem Dreh | |
| zusammen, die Reaktionen des Publikums abwartend. | |
| 16 Feb 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Elise Graton | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Berlinale | |
| Thomas Vinterberg | |
| Berliner Szenen | |
| Schwerpunkt Berlinale | |
| Dänemark | |
| Schwerpunkt Berlinale | |
| Schwerpunkt Berlinale | |
| Schwerpunkt Berlinale | |
| Schwerpunkt Berlinale | |
| Down-Syndrom | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Berliner Szenen: Wertiges Kamelhaar | |
| Shoppen in Charlottenburg: Es zieht mich körperlich hin zu allem, auf oder | |
| unter dem man schlafen könnte. Den Rest brauche ich nicht. | |
| Quotendebatte auf der Berlinale: Routine der Ausgrenzung | |
| Warum liegt die kreative Gestaltungsmacht im Fernsehen in den Händen von | |
| Männern über 50? Die Organisation Pro Quote Regie kämpft dagegen. | |
| Berlinale Staralbum: Trine Dyrholm: Die Unterschätzte | |
| Sie scheint über den Dingen zu schweben. Trine Dyrholm spielt mit vollem | |
| Gefühlseinsatz. Man möge sie mit Preisen überschütten. | |
| Berlinale – Wettbewerb: Freigeister, Nacktbader, Ausprobierer | |
| Eine paradiesische Ordnung? Thomas Vinterberg zeigt im Kommunen-Drama | |
| „Kollektivet“ sein besonderes Gespür für Eskalationen. | |
| Berlinale, Tag 7: Was bisher geschah: Zu früh gehen geht gar nicht | |
| Die ganzen wichtigen Leute, die es keine zehn Minuten in einem Film | |
| aushalten – braucht kein Mensch. Aber auch sonst hat man im Kino keine | |
| Ruhe. | |
| Berlinale-Wettbewerbsfilm „Genius“: Richtig trostlos | |
| Der mit dem Rotstift die Sätze killt: „Genius“ von Michael Grandage hat | |
| einen Lektor als Helden. So geht aufgeblasenes Bildungskino. | |
| Wettbewerb der Berlinale: Wandern, Boxen und Rimbaud | |
| André Téchinés großartiger Film „Quand on a 17 ans“ erzählt von zwei s… | |
| ungleichen Protagonisten und deren Erwachsenwerden. | |
| Berlinale Wettbewerb – „Foucoammare“: Die Unmöglichkeit einer Insel | |
| Gianfranco Rosis Film „Fuocoammare“ ist ein Dokument der Fassungslosigkeit. | |
| Er erzählt von einem Jungen auf Lampedusa und dem Flüchtlingsdrama. | |
| Deutscher Film im Berlinale-Wettbewerb: Sich restlos in die Krise fallen lassen | |
| Wie geht es einem Paar, bei dessen Kind pränatal Trisomie 21 diagnostiziert | |
| wird? Anne Zohra Berracheds „24 Wochen“ zeigt die Krise der Eltern. |