# taz.de -- Die Wahrheit: Der Hamster des Kotelettkönigs | |
> Der Kotelettkönig war umgeben von hanebüchenen Gerüchten, doch sein | |
> Hamster war auch nicht von schlechten Eltern. | |
Raimund betrachtete den Hamster und war außer sich. „Kuck ihn dir an, der | |
hat ’n Detsch!“ – „Quatsch“, sagte ich, „der ist wie neu.“ – �… | |
erzählen, der Hamster des Kotelettkönigs hat schon immer geschielt?“ Es war | |
zugegebenermaßen nicht sehr wahrscheinlich. | |
Wir waren auf dem Weg in die Bäckerei Brüser gewesen, als der Hamster | |
unseren Weg kreuzte. Raimund sah ihn nicht und verpasste ihm versehentlich | |
einen Kick, sodass eine Pelzkugel durch die Luft schoss und gegen Brüsers | |
Glasschiebetür prallte, deren Lichtschranke für heranfliegende Hamster zu | |
langsam reagierte. | |
„Was machst du überhaupt hier?!“, schimpfte Raimund, betrachtete das | |
belämmert dreinblickende Kerlchen und schaute zu Bernie’s Bratwurstbude | |
hinüber, wo der Kotelettkönig traurig an einem Tischchen saß. Er saß dort | |
immer, sommers wie winters, und verspeiste Koteletts. Nie sprach er mit | |
jemandem, auch Bernie machte er nur ein Zeichen, wenn er Kotelettnachschub | |
brauchte, und immer turnte der Hamster auf ihm herum. | |
Manchmal allerdings hielt der Hamster inne und schien dem Kotelettkönig | |
etwas zuzuflüstern. Dann lachte der Kotelettkönig, sodass die | |
Kotelettkönigmasse vibrierte, und tippte eine Nachricht in sein Handy, die | |
er, bevor er sie abschickte, dem Hamster zeigte, woraufhin auch dieser zu | |
kichern schien und der König ein neues Kotelett bestellte, von dem er dem | |
Hamster ein Stück heruntersäbelte, das dieser mit ketchupverschmiertem Maul | |
zerkaute. | |
Logisch, dass es die abenteuerlichsten Gerüchte über den Kotelettkönig gab. | |
Die meisten waren sehr blutrünstig und gipfelten in der Vermutung, dass er | |
der Boss der hiesigen Fleischmafia, der Hamster sein Sekretär und die SMS | |
samt und sonders Todesurteile waren. | |
Auch Raimund hing, wie zu erwarten, dieser Theorie an, und als er den | |
Hamster in seiner Hand noch einmal betrachtete, schien er kurz zu | |
überlegen, ob er ihn nicht verschwinden lassen sollte. Doch Weicheier wie | |
wir eignen sich nicht zu Hamstermördern, und so sagte er: „Vielleicht isst | |
du in der nächsten Zeit besser keine Schnitzel aus unserem Schlachthof“, | |
und machte sich auf den Weg zu Bernies Imbiss hinüber. | |
Für eine Sekunde kniff ich die Augen zusammen, denn auch wenn ich nicht | |
daran glaubte, dass der Kotelettkönig im Schlachthof fürchterliche | |
Verbrechen mithilfe von Ausbeinmessern und Fleischwölfen verüben ließ, war | |
es doch immerhin nicht undenkbar. | |
Als aber der Kotelettkönig den Hamster in Raimunds Hand entdeckte, wurde er | |
vor lauter Wiedersehensfreude vom königlichen Lachen geschüttelt, zog | |
Raimund auf den Stuhl neben sich und nötigte ihn nur, während der Hamster | |
noch immer etwas blepblep auf dem Tisch herumtorkelte, acht oder zehn | |
Koteletts mit ihm zu verspeisen. Das hatte zwar gewiss verheerende Folgen | |
für Raimunds Blutfettwerte, musste aber, wenn er sich zum Ausgleich ein | |
paar Wochen lang stramm vegetarisch ernährte, nicht unbedingt zum Tode | |
führen. | |
23 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Joachim Schulz | |
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