Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Saurons heilige Socke
> Eines Tages tauchte sie im Café auf einer Fensterbank auf. Sie war rot
> und hatte am Bündchen gelbe Streifen – und niemand wollte sie entfernen,
> bis …
Die Socke tauchte an einem sehr gewöhnlichen Märztag im Café Gum auf.
Nachts, als Pete, der Gumwirt, begann, die Gläser zusammenzuräumen und die
letzten Gäste aufzuscheuchen, entdeckte er sie auf einer Fensterbank. Er
brachte sie zur Theke und hielt sie hoch. „Hier“, sagte er, „wem gehört
die?“ Sie war rot, selbstgestrickt und hatte am Bündchen gelbe Streifen,
und Rudi, der Blödmann, quakte: „Igitt, nimm das Käseding weg, das stinkt
ja bestialisch!“
Pete, der eigentlich Petris hieß und Grieche war und daher jeder
Herausforderung eiskalt ins Auge blickte, schaute Rudi mitleidig an, hielt
sich die Socke vor die Nase und sagte schnuppernd: „Blödsinn, die ist
frisch gewaschen. Wahrscheinlich hat irgendwer auf dem Nachhauseweg vom
Waschsalon hier einen Kaffee getrunken und sie verloren. Morgen“, fuhr er
fort, „wird er zurückkommen und sie suchen“, und so legte er sie zurück a…
die Fensterbank.
Doch niemand vermisste die Socke. Stattdessen begann sie zu wandern. Mal
lag sie im Leihbuchregal, mal hing sie in der mumifizierten Yuccapalme, und
schließlich stülpte irgendein Witzbold sie „Volpi, the Cyborg2“ auf die
Hörner – dem futuristischen Wolpertinger, den Raimund vor ein paar Jahren
aus Altmetallresten zusammengeschraubt hatte, nachdem er eines Morgens mit
der Eingebung aufgewacht war, als Bildhauer noch berühmt zu werden.
Zudem schlossen sich manche Gäste Rudis Gemecker an – allen voran die
Doppelkopfrunde „Alte Kämpen 84“, die weiland aus einer
Anti-Wackersdorf-Demo-Fahrgemeinschaft hervorgegangen war und seit
Menschengedenken jeden Freitag am großen Ecktisch Karten spielte. Die
Kämpen hängten ein Transparent mit der Aufschrift „Uns stinkt’s!“ über…
Tisch, überreichten Pete eine Petition und drohten ihm damit, ins Prokopop
Z umzuziehen, wenn er die Socke nicht entferne. Sturkopp Pete indessen
sagte: „Nix da, ich lass mich nicht erpressen!“, und sah unbeeindruckt zu,
wie die Truppe von hinnen zog.
Der Widerstand gegen die Socke aber riss nicht ab, weitere Komitees wurden
gegründet, und daher war es ein reines Glück, dass eines Abends drei
schwarzgekleidete, sehr bleiche, sehr dünne Jungs mit sehr langen
schwarzgefärbten Haaren auftauchten und staunend den Wolpertinger
anstarrten. „Tatsache“, murmelte einer, „Saurons heilige Socke!“ Dann
wandte er sich an Pete: „Bitte, dürfen wir sie mitnehmen? Wir müssen sie in
Sicherheit bringen. Wenn die Hobbits sie finden, wird die Erde bis ans Ende
aller Zeiten von den grässlichen Halblingen beherrscht!“
„Sag ja!“, raunte ich ihm zu, und Pete nickte tatsächlich, so dass im Café
Gum fortan nicht mehr über ein unscheinbares Kleidungsstück, sondern wieder
über die Bundesligaergebnisse und andere wichtige Dinge diskutiert wurde.
Nur die „Alten Kämpen“ waren beleidigt und kehrten nicht mehr zurück,
obwohl es im Prokopop Z so duster war, dass sie dauernd Buben und Könige
verwechselten und fast jedes Spiel mit Geschrei und Beschimpfungen endete.
8 Mar 2016
## AUTOREN
Joachim Schulz
## TAGS
Herr der Ringe
Liebe
Freunde
Fotografie
Tiere
Italien
Kriminalität
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Die Meerjungfrauenkrankheit
Ein Rendezvous, das beim Arzt beginnt, verheißt nicht selten Seltsames…
Die Wahrheit: Schuld und Waschmaschine
Seit Jahren stehen da 99 Gefallen auf der Sollseite im großen Buch der
Hilfsleistungen. Doch jetzt ist die Stunde der Wiedergutmachung gekommen …
Die Wahrheit: Der Weg zur Fritteuse
Wie ich mich durch ein blödes Fotoprojekt mal dermaßen beobachtet fühlte,
dass mir angst und bange wurde vor dem Jenseits.
Die Wahrheit: Der Hamster des Kotelettkönigs
Der Kotelettkönig war umgeben von hanebüchenen Gerüchten, doch sein Hamster
war auch nicht von schlechten Eltern.
Die Wahrheit: Der heilige Löffel
Auch für hartgesottene Berufsversager gibt es Hoffnung, wenn sich die
Tochter einer waschechten Pizzakönigin ihrer annimmt.
Die Wahrheit: Romeo und Julia
Manche Paare sind vom Untergang bedroht, andere verhalten sich einfach nur
clever.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.