# taz.de -- Pressefreiheit in der Türkei: Fragen unerwünscht | |
> Deniz Yücel, Ex-tazler und „Welt“-Korrespondent, steht in der Türkei | |
> unter Beschuss. Er hatte Merkel zu der Lage der Menschenrechte im Land | |
> befragt. | |
Bild: Kritische Fragen unerwünscht auf der Pressekonferenz am Montag. | |
Istanbul taz | Der deutsche Türkei-Korrespondent der Welt, Deniz Yücel, ist | |
Opfer einer staatlich orchestrierten Kampagne geworden. Sämtliche | |
regierungsnahen Medien wie Yeni Șafak, Yeni Akit, Star und Sabah | |
beschimpften den Journalisten, der bis vergangenen April bei der taz | |
gearbeitet hatte, in den letzten zwei Tagen oftmals wortgleich als | |
„PKK-Sympathisanten“ und „Religionsfeind“. | |
Der Anlass: Deniz Yücel wagte es, während der gemeinsamen Pressekonferenz | |
von Angela Merkel und dem türkischen Premier Ahmet Davutoğlu am | |
Montagnachmittag eine kritische Frage zu stellen. Unter anderem wollte er | |
völlig zu Recht von Merkel wissen, warum sie von ihrer noch vor gut einem | |
Jahr geäußerten Kritik an mangelnder Meinungsfreiheit und der Lage der | |
Menschenrechte in der Türkei heute nichts mehr wissen wolle und zu dem | |
brutalen Vorgehen von Armee und Polizei gegen die Kurden im Land schweige. | |
Merkel redete sich heraus. Sie sagte, die Situation im deutsch-türkischen | |
Verhältnis habe sich nun mal geändert. Davutoğlu hingegen griff Yücel an: | |
Das sei ja überhaupt keine Frage, sondern ein politisches Statement. Aber | |
der Umstand, dass Yücel eine solche Frage überhaupt stellen könne, sei doch | |
der Beleg dafür, dass es in der Türkei durchaus Pressefreiheit gebe. | |
Am Dienstagvormittag legte Davutoğlu in einer Ansprache an seine Fraktion | |
nach. Er gab bekannt, dass Yücel neben der deutschen auch die türkische | |
Staatsbürgerschaft hat. „Dieser Journalist versuchte zu provozieren und | |
Schuldzuweisungen gegen die Türkei zu betreiben. Gut, jeder kann fragen, | |
aber er bekommt dann auch die Antwort, die er verdient.“ | |
Die Antwort ist eine Hetzkampagne der regierungsnahen Medien gegen Yücel. | |
„Schaut mal, wer dieser PKK-Journalist ist, den Davutoğlu so souverän | |
zurechtgewiesen hat“, schrieb Sabah und verwies auf ein Interview, dass | |
Yücel im letzten Jahr mit einem PKK-Führer im Nordirak geführt hatte. Ein | |
anderes Onlineportal nannte ihn einen Religionsfeind, was schon fast einer | |
Drohung gleichkommt. | |
## Türkische Regierung gegen ausländische Korrespondenten | |
Die Angriffe auf Yücel sind ein weiteres Indiz dafür, dass die türkische | |
Regierung, nachdem die inländische Oppositionspresse nahezu mundtot gemacht | |
wurde, jetzt auch gegen ausländische Korrespondenten schärfer vorgeht. Als | |
Erstes werden dabei Journalisten, die die türkische Staatsbürgerschaft | |
haben und für ausländische Medien arbeiten, angegriffen. | |
Vor Yücel waren das Selin Girit, Mitarbeiterin der BBC und schon vor | |
längerer Zeit Dilek Zaptçıoğlu, die damals für die Financial Times | |
Deutschland arbeitete. Im letzten Jahr wurde aber auch Hasnain Kazim vom | |
Spiegel in der Regierungspresse attackiert, weil er angeblich Präsident | |
Erdoğan angegriffen habe. | |
Allerdings bleibt es nicht bei Kampagnen. Erstmals seit mehr als zwanzig | |
Jahren deutete die türkische Regierung in diesem Jahr an, dass man | |
möglicherweise einigen Korrespondenten die Presse-Akkreditierung verweigern | |
könnte. | |
Die norwegische Kollegin des Aftenposten, die erst im Herbst in die Türkei | |
gekommen war, [1][musste jetzt ausreisen] und wird zukünftig von Amman aus | |
über den Nahen Osten berichten. Drei deutsche Journalisten, darunter auch | |
Yücel, warten immer noch auf ihre Akkreditierung, die sie bereits im | |
letzten Jahr beantragt haben. | |
Deniz Yücel selbst wollte die Kampagne nicht kommentieren. Auf seiner | |
Facebook-Seite schrieb er, dass es vielen Kollegen in der Türkei weit | |
schlimmer ergehe als ihm. | |
11 Feb 2016 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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