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# taz.de -- Thailands marodes Feudalsystem: Südostasiens Absurdistan
> Mit dem Putsch vom Mai 2014 hat die Armee das Land in düsterste Zeiten
> katapultiert. Die Methoden der alten Eliten werden immer bizarrer.
Bild: Mai 2014, Militärputsch in Thailand: Die Soldaten gehen gegen die Rothem…
Nach über 13 Jahren habe ich dieses Land verlassen, das angesichts der
zahlreichen Krisenherde auf der Welt kaum Beachtung findet. Das politisch
vergiftete Klima war insofern ausschlaggebend für meine Rückkehr nach
Europa, da ich als in Thailand ansässige Journalistin mir weiterhin hätte
verkneifen müssen, zweierlei kritisch zu hinterfragen: die Rolle der
konstitutionellen Monarchie sowie derer, die behaupten, das Königshaus zu
lieben, doch aus dieser angeblichen Verehrung in Wirklichkeit nur ihren
Anspruch auf Machterhalt und Privilegien ableiten.
Wer in den Verdacht gerät, kein Freund des Feudalsystems aus Hofschranzen,
Technokraten und Militärs zu sein, dem drohen im Thailand des 21.
Jahrhunderts mehr denn je drakonische Haftstrafen.
Ins Rollen kam diese politische Krise vor zehn Jahren, und zwar durch
Demonstrationen der „Gelbhemden“ von der Volksallianz für Demokratie (PAD)
gegen den damaligen Premier Thaksin Shinawatra. Das konservative Lager,
darunter Bangkoker Ober- und Mittelschicht, hatte ihm Machtmissbrauch und
Illoyalität gegenüber König Bhumibol Adulyadej vorgeworfen.
Jene Proteste ebneten den Weg für den Putsch gegen den Populisten Thaksin
im September 2006, der vor allem von den ärmeren Wählerschichten im Norden
und Nordosten verehrt wird und dessen Parteien seit 2001 alle
Parlamentswahlen gewonnen hatten.
Wann immer eine Thaksin-treue Partei auch nach dessen Sturz einen Urnengang
für sich entschied, rief das die Handlanger der alten Eliten erneut auf den
Plan: So hatte die PAD 2008 den Regierungssitz und den internationalen
Flughafen besetzt. Die Proteste wurden erst abgeblasen, nachdem das
Verfassungsgericht die regierende People Power Party wegen angeblichen
Wahlbetrugs auflöste. Der Entscheid einer parteiisch agierenden Justiz war
eindeutig ein „juristischer Putsch“. Auch die „Rothemden“, die überwie…
Thaksin-Anhänger sind, hatten dies nicht hinnehmen wollen und Neuwahlen
gefordert, bis ihre Proteste 2010 blutig von der Armee niedergeschlagen
wurden.
## Nach dem Chaos kam der Staatsstreich
Nachdem Thaksins Schwester Yingluck Shinawatra 2011 erste Premierministerin
des Landes wurde, setzte die Protestbewegung Volkskomitee für Demokratische
Reformen (PDRC) – eine Art noch radikalerer Wiedergeburt der PAD – alles
daran, um Chaos zu schüren. Das mündete letztlich in den Staatsstreich vom
Mai 2014. Etliche Kritiker sind seitdem ins Exil geflohen.
Jene, die geblieben sind, sehen sich mit Einschüchterungen, Verhaftungen
und Anklagen konfrontiert. Nur kleinere Gruppen von Studenten und
Aktivisten wagen bislang den offenen Widerstand. Skandalös ist der Umgang
der Junta vor allem mit denen, die der Majestätsbeleidigung beschuldigt
werden. Im „Land des Lächelns“ gilt dies als Schwerverbrechen und kann pro
Anklagepunkt bis zu 15 Jahre Haft bedeuten.
Seit die Armee unter Diktator Prayuth Chan-ocha die Macht an sich gerissen
hat, wird das seit Jahren missbrauchte „Lese-Majeste“-Gesetz drakonischer
angewandt als je zuvor. Nicht nur die Anzahl der – vor Militärgerichten –
geführten Prozesse ist in die Höhe geschnellt, sondern auch die Höhe des
Strafmaßes. Es gibt Verurteilte, die für Jahrzehnte in den Knast müssen.
Ein Fall gilt als vollends absurd: Ein Thailänder wurde der
Majestätsbeleidigung beschuldigt, weil er sich in sozialen Netzwerken über
die mittlerweile verstorbene Lieblingshündin des Königs lustig gemacht
hatte.
## Parlament als Feigenblatt
Das alles ist Ausdruck für die Paranoia einer Junta, die Umfragen zur
angeblichen Zufriedenheit mit der Militärherrschaft veröffentlichen lässt,
die mit 99 Prozent Zustimmungsrate an nordkoreanische Verhältnisse
erinnern. Zugleich ist sie darauf erpicht, Neuwahlen so lange wie möglich
hinauszuzögern.
So hatte die vom Militär eingesetzte Nationalversammlung im September den
eigenen Verfassungsentwurf abgeschmettert. Dabei war dieser darauf
angelegt, ein System zu schaffen, das Interventionen des Militärs
legitimiert und in dem ein seiner Entscheidungsbefugnisse nahezu völlig
beraubtes Parlament als Feigenblatt hätte dienen sollen. Egal, wie weitere
Planspiele aussehen: Ziel ist es, die Mehrheit der Wähler zu zwingen, sich
der konservativen, demokratisch nicht legitimierten Elite unterzuordnen,
die politische Gleichberechtigung als Zumutung empfindet.
## Die Rolle des Königs
Dies dürfte nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass sich die Ära des
88-jährigen, schwerkranken Königs Bhumibol Adulyadej, der seit 1946 auf dem
Thron sitzt, dem Ende neigt und Kronprinz Maha Vajiralongkorn selbst unter
Royalisten umstritten ist.
Vajiralongkorn, dem jahrelang enge Verbindungen zum gestürzten Thaksin
nachgesagt wurden, gilt als Lebemann und Playboy. Nach außen hin jedoch
versuchen die alten Eliten und die regierende Junta den Eindruck zu
erwecken, sie stünden uneingeschränkt hinter dem 63-jährigen Thronfolger.
Kronrat, Hofschranzen, Technokraten, frühere Generäle und jetzige
Armeespitze werden nicht müde zu beteuern, das Königshaus stünde über der
Politik. Tatsächlich aber gehören der Palast, sein royales Netzwerk und das
Militär zu den am meisten politisierten und am engsten miteinander
verflochtenen Institutionen.
Einerseits habe der König interveniert, als die Armee gewaltsam gegen
pro-demokratische Demonstranten in den Jahren 1973 und 1992 vorging,
während er andererseits wiederholt Militärputsche absegnete, so Beobachter.
Die Ultra-Royalisten, die sich als ultimative Beschützer der Monarchie
gerieren und daraus Legitimität ableiten, tun dies in dieser politisch
heiklen, von Repressionen geprägten Zeit auf zunehmend bizarre Weise.
Wäre das Königshaus eine Institution, die das Volk – wie in europäischen
Ländern – hinterfragen und wo jeder, der will, sich zu einer
republikanischen Staatsform bekennen dürfte, wäre genau dieser
Machtanspruch gebrochen. Ob es in Thailand zu einem Volksaufstand kommen
wird, ist fraglich. Nicht zuletzt deshalb, weil das Königreich politisch
zerrissen bleibt.
10 Feb 2016
## AUTOREN
Nicola Glass
## TAGS
Thailand
Monarchie
Militärputsch
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