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# taz.de -- Thailands König ist tot: Monarch des Establishments
> Bhumibol setzte sich für die Demokratie ein, umgab sich aber mit
> Hardlinern. Zuletzt nutzten Konservative ihn, um Oppositionelle zu
> verfolgen.
Bild: Beten bis zum Schluss: Untertanen knien vor einem Bild von König Bhumibol
BERLIN taz | Seit Jahren war Thailands König Bhumibol Adulyadej schwerkrank
gewesen. Öffentlich hatte sich der 88-Jährige kaum noch sehen lassen. Wenn
überhaupt, so konnte die einfache Bevölkerung höchstens einen flüchtigen
Blick auf den Monarchen erhaschen, wenn er – begleitet von einem Autokorso
– das Krankenhaus zu selten gewordenen Anlässen verließ. Nun ist er
verstorben.
Bhumibol war das am längsten amtierende Staatsoberhaupt der Welt. Geboren
wurde er am 5. Dezember 1927 im US-Bundesstaat Massachusetts, wo sein
Vater, Prinz Mahidol Adulyadej, sein Medizinstudium absolvierte. Seine
Mutter Mom Sangwal war eine Bürgerliche. Jugend- und Ausbildungsjahre
verbrachte Bhumibol, der unter anderem Rechts- und Politikwissenschaften
studierte, überwiegend in der Schweiz. Er begeisterte sich für Fotografie
und Jazzmusik, lernte das Saxophonspielen.
Ende April 1950, eine Woche vor seiner offiziellen Krönung, heiratete er
Sirikit Kitiyakara, aus der Ehe gingen vier Kinder hervor. Gerühmt wurde er
dafür, dass er landwirtschaftliche Projekte aus seiner Privatschatulle
bezahlte – was ihm nicht schwerfiel, da er zeitweilig als reichster Monarch
weltweit galt.
An erster Stelle der Thronfolge hatte er nicht gestanden: König wurde er
nur, nachdem sein älterer Bruder Ananda am 9. Juni 1946 unter mysteriösen
Umständen erschossen aufgefunden worden war. Insgesamt dauerte die Ära
Bhumibol 70 Jahre und war ebenso ambivalent wie Thailands jüngere
Geschichte: Auf Militärdiktaturen folgten blutig unterdrückte
Volksaufstände, Wahlen und erneute Putsche.
Der konstitutionelle Monarch intervenierte einerseits, als die Armee
pro-demokratische Demonstrationen in 1973 und 1992 gewaltsam niederschlug,
während er andererseits Putsche abgesegnet und sich mit pro-royalistischen
Hardlinern umgeben habe. Auf dem Höhepunkt des von Studenten angeführten
Volksaufstands im Oktober 1973, als das Militär brutal gegen die
Demonstranten vorging, hatte der König die Palasttore öffnen lassen, um den
Verfolgten Zuflucht zu gewähren.
## Mythos von politischer Neutralität
Drei Jahre später, als in den Nachbarländern Vietnam, Laos und Kambodscha
die Kommunisten die Oberhand gewannen, war die politische Wirklichkeit eine
andere: So hätten Bhumibol und Sirikit dem 1973 vertriebenen, in Mönchsrobe
zurückgekehrten militärischen Ex-Diktator Thanom Kittikachorn offiziell
einen Besuch abgestattet, so Kritiker. Zudem habe der Palast
rechtsgerichtete Gruppierungen unterstützt, die – ebenso wie staatliche
Sicherheitskräfte – an dem Massaker an Studenten der Thammasat Universität
am 6. Oktober 1976 beteiligt gewesen waren, die gegen Thanoms Rückkehr
protestiert hatten.
Thailands altes Establishment suchte Bhumibol als Mythos politischer
Neutralität und Garanten gesellschaftlicher Stabilität zu stilisieren, den
dieser nicht verkörpert hatte. Bis heute werden Kronrat, Militärs,
Technokraten und Bangkoker Geldadel nicht müde zu beteuern, das Königshaus
stünde über der Politik. Zugleich sind es jene konservativen Kreise, die
die Monarchie zu politischen Zwecken missbrauchen, um politische
Einmischung in Form von Militärputschen zu legitimieren und sich auf diese
Weise ihre ureigenen Privilegien in Thailands marodem Feudalsystem zu
sichern.
Bhumibol war nicht nur Sinnbild der von den traditionellen Eliten
ausgegebenen Ideologie „Nation, Religion, Monarchie“; vielmehr gehören
Palast, sein royales Netzwerk und die Armee zu den am meisten politisierten
und engsten miteinander verflochteten Institutionen des Landes.
Fraglich ist indes, wieviel Einfluss der von vielen Thais verehrte Bhumibol
tatsächlich hatte: Der einst an der Bangkoker Chulalongkorn Universität
lehrende Politikwissenschaftler Giles Ungpakorn argumentiert, die wahre,
hinter dem Thron lauernde Macht sei das Militär. So existiere die Monarchie
nur, um die Taten des Militärs und anderer Eliten zu rechtfertigen, so der
Thai-Brite Giles, der der Majestätsbeleidigung bezichtigt worden und 2009
nach Großbritannien geflohen war.
## Putsch in der Farbe des Königs
Ob aus Überzeugung oder nicht: Nach außen billigte Bhumibol auch die
Staatsstreiche von 2006 und 2014, in deren Folge die demokratisch gewählten
Regierungen unter Premier Thaksin Shinawatra und dessen Schwester,
Premierministerin Yingluck Shinawatra, gestürzt worden waren. Beiden
Putschen waren Straßenproteste und von der Opposition boykottierte Wahlen
vorangegangen. Zuvor hatte Bhumibol den Demonstranten, die 2006 nach
königlicher Intervention gerufen hatten, noch eine Absage erteilt: „Wartet
nicht auf einen vom Königshaus ernannten Premierminister, weil das keine
Demokratie wäre.“
Damals hatten die Militärs Thaksin des Machtmissbrauchs und des mangelnden
Respekts für das Könighaus bezichtigt. Bei dem als „sanfter Putsch“
bezeichneten Umsturz 2006 hatte einmal mehr die Monarchie als Legitimation
herhalten müssen: So waren die Gewehre der Soldaten mit Bändern in Gelb
umwickelt gewesen – der Symbolfarbe Bhumibols.
In den folgenden, teils von blutiger politischer Gewalt überschatteten
Jahren, in denen erneut die Thaksin-Gegner (Gelbhemden) sowie die
überwiegend aus Thaksin-Anhängern bestehenden Rothemden auf die Straßen
gingen, schwieg der als „Vater der Nation“ bezeichnete Monarch zur
desaströsen politischen Lage.
Ob aus politischer Schwäche oder fortschreitender Krankheit intervenierte
Bhumibol auch nicht, seit die Junta unter Diktator Prayuth Chan-ocha nach
dem Putsch vom Mai 2014 einen immer drastischeren Missbrauch des
drakonischen Gesetzes gegen Majestätsbeleidigung betreibt, in dessen Folge
jeder schuldig Gesprochene pro Anklagepunkt mit bis zu 15 Jahren Haft
bestraft wird. Mit Absicht lassen die angeblichen Beschützer der Monarchie
jene Geburtstagsansprache des Königs von 2005 außen vor, in der Bhumibol
erklärte, dass Kritik an seiner Person zugelassen werden müsse: „Wenn
gesagt wird, der König könne nicht kritisiert werden, dann würde das
bedeuten, dass der König nicht menschlich sei.“
„Je häufiger das Gesetz angewendet wird, desto mehr wird es die Monarchie
beflecken“, sagt der im japanischen Exil lebende Politologe und
Juntakritiker Pavin Chachavalpongpun. Der Palast habe sich selbst
unnötigerweise Feinde geschaffen, was zu einem rapiden Autoritätsverlust
führe. Der Ruf des thailändischen Königshauses dürfte weiter erodieren, da
nach dem vergleichsweise verehrten Bhumibol mit dem als Lebemann und
Playboy geltenden Kronprinzen Maha Vajiralongkorn ein Mann auf den Thron
gelangt, der selbst vom royalistischen Establishment verachtet wird.
13 Oct 2016
## AUTOREN
Nicola Glass
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