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# taz.de -- Populismus bei den Grünen: Folgen der Verbürgerlichung
> Selbst Freiburgs grüner Oberbürgermeister Dieter Salomon fordert in der
> Zuwanderungsdebatte „hartes Durchgreifen“. Verkehrte Welt?
Bild: Stärkung des Populismusgefühls: Freiburgs grüner Oberbürgermeister Di…
Schon gehört? Erst fällt flüchtlingsbedingt irgendwo am Rhein der Karneval
aus, dann bleiben anderswo vor Männergruppen, die einen nordafrikanischen
Eindruck machen, die Schwimmbadtüren verschlossen – und jetzt das:
Freiburg, ausgerechnet das traditionell linksalternative und grün regierte
Freiburg, schließt die Grenzen seines Nachtlebens vor dem Ansturm
amüsierwütiger und womöglich notgeiler Flüchtlinge.
Da können die Gutmenschen mal sehen! Das kann selbst die Lügenpresse nicht
verschweigen! Sogar der grüne Oberbürgermeister sagt, wie’s ist. Es handele
sich, so Dieter Salomon, bei den mutmaßlichen Tätern um mutmaßliche
Maghrebiner, „die kampfbereit und bewaffnet sind“. Frisches Brackwasser auf
die Mühlen einer gesellschaftlichen Diskussion, in der noch der winzigste
Ansatz zur Differenzierung zuverlässig zu Staub zermahlen wird. Hier „wir“,
dort „die“, Zaun dazwischen, fertig.
Zum Repertoire selbst konservativer Politiker zählt längst die Forderung
nach „Versachlichung“ einer Debatte, die offenbar nur noch von Mob und
Gegenmob geführt wird. Wer behält die Nerven? Und was ist überhaupt
passiert? Die Badische Zeitung hatte am Wochenende berichtet, unter anderem
sei es im linken White Rabbit zu einer versuchten Vergewaltigung und zu
Übergriffen bis in die Kabine der Damentoilette gekommen. Besucherinnen
seien auf der Tanzfläche bedrängt worden und über „das Maß normaler
Anmache“, was immer das genau sein mag, hinaus von männlichen Flüchtlingen
belästigt worden – von Taschendiebstählen und Messerstechereien ganz zu
schweigen.
„Wir haben beschlossen, dass wir vorerst keine Menschen mehr in das White
Rabbit reinlassen werden, die nur eine Aufenthaltsgestattung besitzen“,
zitiert die Badische Zeitung aus einer E-Mail, die seitens des Betreibers
an Veranstalter ging. Wobei es ohnehin das gute Recht jedes Türstehers ist,
nur jene Menschen reinzulassen, deren Nase ihm gefällt. Und sollte pauschal
eine ganze Gruppe ausgegrenzt werden, ist es deren gutes Recht, gegen
Diskriminierung zu klagen.
Nun wären Linksalternative keine Linksalternativen, suchten sie nicht nach
linken Alternativen zu pauschalen Verboten. Ins White Rabbit kommt nur
noch, wer sich durch erklärte Ablehnung von Gewalt, Sexismus und
Diskriminierung eine entsprechende Clubkarte erwerbe. Schilder werden
aufgehängt und T-Shirts getragen, auf denen ein Orientierungsloser die
Regeln nachlesen kann. Der Sozialbürgermeister (SPD) will einen runden
Tisch anberaumen. Die Stadt selbst schätzt die Mehrheit der Flüchtlinge als
„rechtstreu“ ein. Und während sich auf diese Weise die Wogen des
Allgemeinwohls glätten, während schon die Clubs selbst die erste
Berichterstattung als „reißerisch“ kritisieren – gibt Freiburgs
Oberbürgermeister Dieter Salomon der FAZ ein Interview.
Darin fordert der Grüne ein „hartes Durchgreifen“ und eine „harte Linie�…
damit „das Sicherheitsgefühl auf den Straßen zunimmt und die Polizei mehr
Präsenz zeigen kann“. Eine Polizei wohlgemerkt, die laut eigener Auskunft
gar keine Kenntnis von einem nennenswerten Ansteigen von Straftaten hat.
Salomons Kalkül, nun bei gewissen Wählerschichten „trotz“ seiner
Parteizugehörigkeit als „Realist“ wahrgenommen zu werden, spielt einer
abwartenden Rechten in die Hände. Wenn sogar der Salomon das sagt, wählt
doch gleich das Original. Effizienter als mit einer solchen markigen
Mischung aus Mutmaßungen und Härte lässt sich der ohnehin schwankende Wille
zur fallweisen Differenzierung gar nicht brechen. Warum aber äußert sich
ausgerechnet ein Grüner, der’s doch besser wissen müsste, so populistisch
und ungeschickt?
Vielleicht, weil die grünen Schwebeteilchen dort, wo sie Verantwortung
tragen, bereits allzu tief in den schlammigen Bodensatz der Tagespolitik
eingesunken sind. Mancherorts scheint die Verbürgerlichung der Grünen,
verbunden mit einer Durchdringung durch „bürgerliche“ Werte und
Wehrhaftigkeitsfantasien, so weit fortgeschritten zu sein, dass die
entsprechenden Politiker den Anschluss an die Zivilgesellschaft vor Ort
verloren haben – und die ist, nicht nur in Freiburg, viel weiter.
25 Jan 2016
## AUTOREN
Arno Frank
## TAGS
Sexualisierte Gewalt
Populismus
Flüchtlinge
Freiburg
Dieter Salomon
Grüne
Schwerpunkt Landtagswahlen
Freiburg
Politik
Sexualisierte Gewalt
Sexualisierte Gewalt
Migration
Schwerpunkt Rassismus
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