Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- OB-Wahl in Freiburg: Ex-Grüne gegen Alt-Grünen
> Monika Stein möchte am Sonntag Oberbürgermeister Dieter Salomon ablösen.
> Ihr Thema: wohnen. Ihr Wahlkampfdrink: „Salomons Albtraum“.
Bild: Und wenn es nicht klappt, Frau Stein? „Dann gehe ich zurück in die Sch…
Freiburg taz | Die Bierbänke sind restlos besetzt, das Café Atlantik ist
eine Institution in Freiburg. Heute sind es die drei aussichtsreichsten
Oberbürgermeister-Kandidaten, die für ein brechend volles Haus sorgen.
Monika Stein, randlose Brille, rote offene Haare und ein selbstbewusstes
Lächeln, sitzt zwischen Amtsinhaber Dieter Salomon und dem jungen
Herausforderer von der SPD, Martin Horn. Wenn ihre Kontrahenten reden,
zuckt manchmal ihre rechte Augenbraue belustigt.
Etwa als OB Dieter Salomon überraschend Bereitschaft signalisiert, ein
Musikerhaus mit Proberäumen und Auftrittsmöglichkeiten zu unterstützen,
sagt sie nur trocken: „Das Schöne am Wahlkampf ist, dass sich manche Dinge
plötzlich ganz schnell regeln“, und hat die Lacher auf ihrer Seite.
Es ist OB-Wahlkampf in Freiburg und viele gehen hin. Nicht nur im Café
Atlantik, auch bei anderen Kandidaten-Debatten müssen Bürger nach Hause
geschickt werden. Ist das die Wechselstimmung? Eigentlich bietet die
Ausgangslage wenig Platz für Überraschungen. Seit 16 Jahren regiert der
Grüne Dieter Salomon die Stadt mit dem toskanischen Klima so bürgerlich,
dass die CDU schon zum zweiten Mal keinen eigenen Kandidaten gegen ihn ins
Rennen schickt. Es gibt die üblichen Abnutzungserscheinungen, aber keine
großen Verfehlungen. Doch Monika Stein, die einzige Frau unter den
insgesamt sechs Kandidaten, setzt darauf, dass die Leute genug haben von
dem souverän, aber auch etwas selbstherrlich regierenden OB.
Der Abend im Café Atlantik ist für Stein ein Heimspiel. Die jungen, im
Zweifel links orientierten Studenten, die Subkultur-Szene, sie sehen in der
Hauptschullehrerin und langjährigen Stadträtin ihre Kandidatin. Aber nicht
nur sie.
Einige Tage später, ein Treffen mit Stein in einem Café in der Freiburger
Innenstadt: Während des Gesprächs kommen immer mal wieder Leute am Tisch
vorbei: „Wir wählen sie und drücken die Daumen.“ Stein freut sich.
## Kann klappen
Die Idee, gegen Salomon anzutreten, sei bei ihr erst gereift, als man sie
gefragt habe, erzählt sie. „Man kann ja nicht immer nur fordern, dass mehr
Frauen in Führungspositionen kommen und dann selber kneifen.“ Anfangs sei
sie vor allem angetreten, um soziale Themen in die Diskussion zu bringen.
Aber in den letzten Wochen habe sie das Gefühl, sie werde Dieter Salomon
wirklich gefährlich. Je länger der Wahlkampf dauert, desto häufiger
beginnen ihre Sätze mit: „Wenn ich Oberbürgermeisterin bin.“ Selbstbewusst
sagt sie: „Aus einem ,Das könnte klappen' ist inzwischen ein ,Es kann
klappen‘ geworden.“
Die Ex-Grüne, die unter anderem von der Linkspartei unterstützt wird,
fordert, dass die Eintrittspreise für Freibäder nicht steigen, der
Freiburg-Pass für Bedürftige günstiger wird – kleinere Dinge, die bei armen
Familien dennoch eine große Rolle spielen. Steins Hauptthema ist aber
günstiger Wohnraum. Der ist knapp in Freiburg, wo jährlich etwa tausend
Einwohner hinzukommen und in der ein selbstbewusstes, oft alternatives
Bürgertum Hochhäuser und Verdichtung in ihren Vierteln gar nicht gerne
sieht. Stein fordert eine Quote von 50 Prozent sozialen Wohnungen bei
Neubauten.
Salomon hat das Thema in seiner Amtszeit erst spät erkannt. Und die
Freiburger erinnern sich noch an das Jahr 2007. Damals wollte Salomon
unterstützt von der CDU die städtische Wohnungsbaugesellschaft mit ihren
Sozialwohnungen verkaufen, um die Kassen der hoch verschuldeten Stadt zu
entlasten. Nur ein Bürgerentscheid verhinderte den Verkauf.
## Arbeit an der Hauptschule
Auch Stein, damals noch Mitglied der Grünen-Fraktion, hatte sich nicht
öffentlich gegen Salomons Pläne gestellt. Der Druck sei ungeheuer gewesen
und linke Meinungen wie ihre seien im Grünen-Establishment, das die
Ratsfraktion repräsentierte, nicht erwünscht gewesen, sagt sie heute. 2008
verließen Stein und ein weiteres Mitglied die Grünen-Fraktion und gründeten
eine eigene Gruppierung, die Grüne Alternative Freiburg.
Die Alt-Grünen in Freiburg hätten den Bezug zur Realität verloren, sagt
Stein. Das macht sie auch Salomon zum Vorwurf, der als Mittel gegen die
Wohnungsnot den Bau von mehr Eigentumswohnungen empfiehlt. „Er kann sich
gar nicht mehr vorstellen, dass es Menschen gibt, für die das gar keine
Option ist“, sagt sie.
Die 48-Jährige arbeitet als Lehrerin an einer Werkrealschule, auch während
des Wahlkampfs bereitet sie zwei Klassen für die Abschlussprüfung vor. Sie
kennt die Nöte der Schüler und sitzt auch oft bei deren Eltern zu Hause.
„Ich weiß, wie es in vielen Familien mit Hartz IV zugeht“, sagt sie.
Es ist kein verbissener Wahlkampf, dazu ist das soziale Klima in Freiburg
allgemein zu milde. Und trotz Steins Vorgeschichte mit den Grünen: Salomon
und sie verbindet so etwas wie professionelle Sympathie. Salomon lobt Stein
immer wieder ungefragt in den Podiumsdiskussionen, sogar bei einer
Unterstützerparty Steins tauchte Salomon überraschend auf, und kippte sogar
tapfer ihren Wahlkampf-Drink. Der Name: „Salomons Albtraum“.
19 Apr 2018
## AUTOREN
Benno Stieber
## TAGS
Grüne
Freiburg
Oberbürgermeisterwahl
Dieter Salomon
Freiburg
Oberbürgermeisterwahl
Grüne
Sexualisierte Gewalt
Freiburg
## ARTIKEL ZUM THEMA
Oberbürgermeisterwahl in Freiburg: Grünen-OB Salomon ist abgewählt
Dieter Salomon war erster grüner Oberbürgermeister einer deutschen
Großstadt. Der parteilose Martin Horn tritt das Amt am 1. Juli an.
Oberbürgermeisterwahl in Freiburg: Wunsch nach Wandel
Freiburg ist die grünste Großstadt Deutschlands. Am Sonntag könnte die Ära
von Oberbürgermeister Salomon enden. Warum?
Wahl in Freiburg: Grüne Götterdämmerung
Amtsinhaber Dieter Salomon unterliegt bei der Freiburger
Oberbürgermeisterwahl einem Parteilosen. Die Stichwahl könnte aber eine
Frau entscheiden.
Populismus bei den Grünen: Folgen der Verbürgerlichung
Selbst Freiburgs grüner Oberbürgermeister Dieter Salomon fordert in der
Zuwanderungsdebatte „hartes Durchgreifen“. Verkehrte Welt?
Freiburg, die Grünen und das Stadion: Aufbegehren in Mooswald
Die grün regierte Stadt bemüht sich um eine Politik des Dialogs mit den
Bürgern. Nun gibt es Streit um den Stadionneubau des SC Freiburg.
OB-Wahl in Freiburg: Grüner Salomon im Amt bestätigt
50,5 Prozent bekam Dieter Salomon im ersten Wahlgang und bleibt damit
weitere acht Jahre OB. Diesmal gaben ihm auch Konservative ihre Stimme,
viele Linke dagegen nicht.
Bürgermeister-Wahl in Freiburg: Der Mann der anderen Seite
Der Grüne Dieter Salomon wurde 2002 von einer grün-rot-roten Mehrheit zum
Oberbürgermeister von Freiburg gewählt. Nun will er wiedergewählt werden -
gegen SPD und Linkspartei.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.