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# taz.de -- Bürgermeister-Wahl in Freiburg: Der Mann der anderen Seite
> Der Grüne Dieter Salomon wurde 2002 von einer grün-rot-roten Mehrheit zum
> Oberbürgermeister von Freiburg gewählt. Nun will er wiedergewählt werden
> - gegen SPD und Linkspartei.
Bild: Dieter Salomon (rechts) im Gespräch mit dem Dalai Lama.
Herr Gröger wendet sich an den Mann zu seiner Rechten: "Sie kandidieren als
Grüner?" Gelächter im Saal.
Oberbürgermeister Dieter Salomon lächelt ernst. "Ja, meine Partei
unterstützt mich."
Wahlkampfveranstaltung im Freiburger Konzerthaus mit den drei Kandidaten
für das Amt des Oberbürgermeisters. Herr Gröger ist als
Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler Gastgeber des Abends. Seine Frau
habe ihm aufgetragen, ein Witzchen zur Auflockerung zu machen. Allerdings
lacht kaum einer der etwa 500 Zuhörer. Später wird Salomon bissig gefragt,
ob die CDU seine Wiederwahl am 25. April denn nicht auch unterstütze.
"Mir wäre völlig neu, dass die CDU mich unterstützt", sagt der OB. Gemurmel
im Saal.
Salomon war Fraktionsvorsitzender der Grünen im Stuttgarter Landtag, bevor
er 2002 die Wahl in Freiburg gewann. Seither ist er der erste und einzige
Grünenpolitiker, der eine Stadt dieser Größe (220.000 Einwohner) regiert.
Die Grünen sind in Freiburg inzwischen die führende Volkspartei. Seine
absolute Mehrheit kam damals zustande, weil zu den grünen Wählern im
zweiten Wahlgang noch SPD- und Linke-Wähler dazukamen, denen er lieber war
als die CDU-Kandidatin.
Inzwischen haben sich die Lager in Freiburg neu formiert. Salomon regiert
mit einer grün-schwarzen Gemeinderatsmehrheit inklusive der Freien Wähler.
SPD und Linke sind in der Salomon-Opposition. Das ist so, seit der OB 2006
mit seinem CDU-Finanzbürgermeister Otto Neideck den Deal ausheckte, zum
Zwecke der Haushaltssanierung die städtischen Wohnungen zu verkaufen - und
von einem Bürgerentscheid gestoppt wurde. Spätestens seither gilt Salomon
in Teilen der Bürgerschaft als Neoliberaler und Mann der anderen Seite.
Die SPD, vor Salomon 40 Jahre an der Macht, hat ihren Kultur- und
Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach losgeschickt, um das Amt
zurückzugewinnen. Der Jurist hat den geplanten Wohnungsverkauf als "dümmste
Entscheidung seit dem Turmbau von Babel" bezeichnet. Das zeigt, dass er
Freiburg so wichtig nimmt, wie man das in Freiburg erwartet. Seine
Strategie wird im Konzerthaus schnell klar: Der gescheiterte
Stadtbauverkauf soll der Sündenfall sein, der die Notwendigkeit eines
Wechsels hin zu einem sozialeren und partizipativeren Modell belegt. In der
Deutung von SPD und Linker ist Salomon ein saturierter Machtpolitiker, der
Politik für eine elitäre Clique macht. Und dazu noch ein arroganter
Schnösel, der seine Gemeinderäte auch gern mal abkanzelt. Stimmt gar nicht,
sagt Salomon. "Ich pflege ein gutes Miteinander."
Das bringt ihm einen mittleren Lacher ein. Ansonsten ist er auf der Hut. Ja
nicht schnöselig wirken. Und sich auf keinen Fall provozieren lassen. Sein
Hauptthema ist Bildung.
Die Sache ist für von Kirchbach, 53, nicht einfach. Zum einen landete die
SPD bei der letzten Kommunalwahl trotz ihres Topthemas Wohnungsverkauf nur
bei 17,9 Prozent. Zum anderen arbeitet er seit acht Jahren mit Salomon
zusammen. Immer wenn Salomon mit staatstragender Miene die "vertrauensvolle
Zusammenarbeit" mit dem SPD-Kollegen lobt oder gar fragt, warum er denn in
der ganzen Zeit von ihm "zu den meisten Themen nichts gehört" habe, wird
von Kirchbach zappelig. Irgendwann hält er es nicht mehr aus und ruft: "Ich
habe acht Jahre genug damit zu tun gehabt, den größten Unsinn zu
verhindern." Danach hat er rote Backen und lächelt zufrieden.
Kandidat Nummer 3 ist Günter Rausch, der für die linke Initiative "Wechsel
im Rathaus" antritt. Unterstützt wird er auch von der Grünen Alternative
Freiburg (2 Sitze), die sich 2008 abgespalten hat, weil sie die grüne
Regierungspolitik und den grünen OB ausdrücklich ablehnt. Rausch, 57, ist
Franke und Professor für Sozialmanagement an der Evangelischen Hochschule
in Freiburg. Und so spricht er auch. Es ist ihm wichtig, dass er "keiner
Partei angehört". Früher war er in der DKP. Er bearbeitet dieselben Felder
wie von Kirchbach. Nur vertritt er explizit den Teil der Bevölkerung, den
er "kleine Leute" nennt, etwa die Mieter jener Sozialwohnungen, die Salomon
verkaufen wollte. Rausch hat maßgeblich dazu beigetragen, dass es nicht
dazu kam. Seine Vision ist eine "Bürgerkommune" mit breiter Partizipation.
Auf Sachfragen lässt er sich nicht ein.
Am nächsten Tag im Rathaus. Draußen regiert Freiburg-Wetter. In der
Stadtmitte sitzen sie mit den Sonnenbrillen vor den Cafés. Salomon wirkt
ausgeschlafen, jung und erwachsen zugleich. Im Sommer wird er 50.
Warum treten Sie eigentlich noch mal an?
Weils grad "Riesenfreude" mache, sagt er. Wegen der Pension, sagen seine
Gegner. Aus seiner Sicht ist seine achtjährige Amtszeit eine
Erfolgsgeschichte. Erst eine harte Periode der Sanierung als Erbschaft des
sozialdemokratischen Vorgängers. Kürzungen, Umstrukturierungen,
Haushaltssperren. "Wir hatten kein Geld, waren handlungsunfähig, und ich
musste allen Leuten auf den Füßen rumtreten, furchtbar." Und jetzt eine
zweite Phase, "in der wir am Machen sind". Er zählt die wichtigsten
Projekte auf: Nahverkehr, Wohnungsbau, Kinderbetreuung, Schulsanierung,
Klimaschutz. "Ohne Geld sind Sie nur ein armes Schwein. Mit Geld kann man
wirklich die Dinge vorantreiben, wenn man sich klug anstellt. Und jetzt
haben wir grade die Phase mit Geld." Anders als in anderen Kommunen sehen
die Finanzprognosen für die nächsten Jahre in Freiburg nicht düster aus.
Angesichts von 6,5 Prozent Arbeitslosenquote und vielen, stabilen
Arbeitsplätzen im Bereich öffentliche Dienstleistungen kommt es vor, dass
die Freiburger andernorts gefragt werden, warum sie eigentlich immer so
aufgeregt seien.
Salomon stammt aus einem Wirtshaus im Allgäu. Promovierter Politologe, mit
31 im Landtag. Echte Aufstiegsbiografie. Er lebt seit drei Jahrzehnten in
Freiburg. Für viele ist er immer noch "der Dieter". Dass es dieser Stadt
wichtig ist, anders zu sein als alle anderen, darüber kann er Witze machen,
aber er sieht das erste Freiburger Gebot auch immer wieder bestätigt.
Deutschlands südlichste Metropole sei "eine Stadt des provinziellen
Größenwahns", hat er mal in der taz gesagt, "der größte Quatsch" habe hier
den Anspruch, "dem Weltgeist abgelauscht" zu sein. Und er passe prächtig
dazu.
Ein Satz, den er im Gespräch häufig verwendet: "Das gibt es auch nur in
Freiburg." Etwa dass ihm die Grünen am Anfang dieselben wütenden
Protestbriefe schickten wie seinem SPD-Vorgänger. Sein Job ist es, auf
Grundlage der süddeutschen Gemeindeverfassung Mehrheiten für seine Projekte
zu finden. Er sagte den Grünen, er regiere am liebsten mit ihnen. Aber wenn
sie verrückte Dinge wollten, dann organisiere er auch andere Mehrheiten. Am
Anfang glaubten sie das nicht. Dann mussten sie es glauben.
Heute, sagt er, "sind die Grünen Regierungsfraktion und stolz auf die
Bilanz, die wir haben". Sie hätten gemerkt: "Regieren ist viel besser als
opponieren." 80 Prozent umsetzen sei besser als gar nichts umsetzen. Für
Salomon war das schon immer klar, weshalb er schon in den 90ern
"Superrealo" genannt wurde.
In Konstanz muss der Grüne OB Horst Frank gegen die eigene Partei Politik
machen. In Freiburg sieht man nicht mehr jedes Mal die Gründungsideale der
Partei verraten, wenn Salomon die grüne Position etwas weiter auslegt,
damit eine Mehrheit zusammenkommt. Das muss er. Die Grünen repräsentieren
ein Viertel der Bürger und haben 12 von 48 Sitzen. Die CDU hat 10 Sitze,
die freien Wähler haben 3.
Fühlt sich die CDU denn nun so wohl mit Salomon, dass sie keinen Kandidaten
aufstellt? Faktisch hat Baden-Württembergs CDU in Großstädten zunehmend
Probleme und in Freiburg seit 1956 keine OB-Wahl gewinnen können. Der
baden-württembergische Exminister und CDU-Kandidatenchefscout Andreas
Renner sagt, die CDU müsse zwar den Anspruch haben, in Freiburg einen
Kandidaten zu stellen, aber in diesem Fall sei der Verzicht darauf
angesichts der Gesamtkonstellation "die richtige Entscheidung". Andere
sagen: Die CDU hatte weder das Geld noch den Kandidaten, um eine Chance zu
haben. Renner kennt Salomon aus seiner Zeit als Stadtoberhaupt von Singen.
Seine Einschätzung: "Salomon ist ein Grüner, aber einer, der im Grunde
seines Herzens zutiefst bürgerlich ist."
Im Übrigen ist die CDU in Freiburg selbstverständlich progressiver als
anderswo. Darüber hinaus ist "Herr Dr. Dieter Salomon" im konservativen
Lager aber auch bestens vernetzt und für manche eine Respekts- und
Repräsentationsperson, von der man Freiburg auch global gut vertreten
fühlt, wenn er die Ökomoderne bei Clinton präsentiert. Oder in China.
Könnte sein, dass sich die CDU demnächst noch für Salomon ausspricht.
Könnte auch sein, dass nicht.
Aus Salomons Sicht haben die Parteigänger der Grünen mittlerweile
eingesehen, "dass die Grünen eine bürgerliche, werteorientierte Partei mit
hohem Bildungsniveau und ab bestimmtem Alter auch mit einem hohen Einkommen
sind und keine Prekariatspartei". Zum anderen sei die CDU nicht mehr so wie
zu Zeiten des Ministerpräsidenten Erwin Teufel. Da habe es noch
"Glaubenskriege" im Landtag gegeben wegen Ganztagsschulen oder Betreuung
für unter Dreijährige. Passé. Bildung, Klimaschutz, selbst Integration:
"Zumindest die CDU-Gemeinderatsfraktion hat mit der Politik, die ich mache,
überhaupt kein Problem."
In den Fluren des Rathauses hängen Bilder der früheren Oberbürgermeister.
Vorgänger Rolf Böhme hatte Salomon zum Amtsantritt ein Böhme-Porträt neben
die Bürotür hängen lassen. Inzwischen hängt es in einem dunklen Eck. Wird
er so eins auch von sich anfertigen lassen?
"Nein, werde ich nicht."
Und? Wie geht die Wahl aus?
"Gut", antwortet Dieter Salomon.
Zur Not würde auch eine einfache Mehrheit im zweiten Wahlgang zur
Wiederwahl ausreichen. So war es beim Grünen-Kollegen Frank in Konstanz.
Auf dem Wahlzettel steht die Partei übrigens gar nicht drauf.
19 Mar 2010
## AUTOREN
Peter Unfried
Peter Unfried
## TAGS
Grüne
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OB-Wahl in Freiburg: Ex-Grüne gegen Alt-Grünen
Monika Stein möchte am Sonntag Oberbürgermeister Dieter Salomon ablösen.
Ihr Thema: wohnen. Ihr Wahlkampfdrink: „Salomons Albtraum“.
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