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# taz.de -- Mietenvolksbegehren in Berlin: Senat umarmt Aktivisten
> Lange waren der Senat und das Mietenbündnis Widersacher. Nun zieht die
> Initiative wohl ihren Gesetzentwurf zurück. Einer der Mitstreiter
> wechselt die Seite.
Bild: Erfolgreich, ohne erfolgreich zu sein: Aktivisten des Mietenvolksbegehren…
Vor kaum einer außerparlamentarischen Initiative hatte der Senat so viel
Respekt wie vor dem Bündnis für einen Mietenvolksentscheid. Kein Wunder,
wollte die Initiative doch parallel zur Abgeordnetenhauswahl im September
über eine sozialere Wohnungspolitik abstimmen lassen. Das hat der Senat
erfolgreich abgewendet: Die Mietenaktivisten werden nach taz-Informationen
in der kommenden Woche abschließend entscheiden, ihren Gesetzentwurf
zurückziehen. Einer ihrer Mitstreiter wechselt zudem die Seite: Er soll
eine Schlüsselposition in der Verwaltung der landeseigenen
Wohnungsunternehmen bekommen.
Das Bündnis für einen Mietenvolksentscheid hatte sich im vergangenen Jahr
für eine Staffelung der Mieten sowohl in landeseigenen Wohnungsunternehmen
als auch in Sozialwohnungen eingesetzt. Innerhalb von zwei Monaten
sammelten sie deutlich mehr Unterschriften als nötig, um ein Volksbegehren
einzuleiten.
Die SPD-Fraktion trat in Verhandlungen mit den Aktivisten, gemeinsam
stellten Sozialdemokraten und Vertreter des Bündnisses im August eine
Einigung vor. Die mündete im sogenannten Wohnraumversorgungsgesetz: Es
gilt seit Januar und sieht vor, dass MieterInnen bedürftiger Haushalte in
landeseigenen oder Sozialwohnungen nur maximal 30 Prozent ihres Einkommens
für die Nettokaltmiete ausgeben müssen, den Rest trägt das Land. Frei
werdende Wohnungen sollen zudem verstärkt an Bedürftige und Flüchtlinge
gehen.
Innerhalb des Bündnisses gab es heftige Diskussionen über das Gesetz. Die
einen waren mit dem Kompromiss zufrieden, anderen gingen die Zugeständnisse
des Senats nicht weit genug. Laut Sprecher Rouzbeh Taheri soll bei einer
Vollversammlung am kommenden Dienstag endgültig entschieden werden, ob das
Bündnis am ursprünglichen Gesetzentwurf festhält – oder ihn zurückzieht.
Der Sprecher wollte der Abstimmung nicht vorgreifen. Nach taz-Informationen
gilt eine Mehrheit für das Zurückziehen des Antrags aber als sicher.
Das vom Senat formulierte Gesetz schreibt neben den Mietsubventionen auch
die Einrichtung einer Behörde vor, die für die landeseigenen
Wohnungsunternehmen politische Leitlinien entwickelt. Sie soll
kontrollieren, ob die Unternehmen ihrem Versorgungsauftrag gerecht werden.
Einem der Initiatoren des Volksentscheids, Jan Kuhnert, soll dabei eine
Schlüsselposition zukommen: Er übernimmt dem Vernehmen nach einen von zwei
Vorstandsposten dieser Behörde.
Es gebe Gespräche zwischen Kuhnert und Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen
(SPD), bestätigte dessen Sprecherin Eva Henkel. Eine offizielle
Entscheidung werde aber erst in Kürze gefällt. Henkel erläuterte: „Die
Personalie ist ein Ausdruck davon, dass der Senat den gefundenen Kompromiss
ernst nimmt und ihn verwirklichen will.“
Der 64-jährige Kuhnert gilt als Fachmann, er ist in der
wohnungswirtschaftlichen Kommunal- und Unternehmensberatung tätig. Ganz
zufällig ist die Zusammenarbeit mit dem Finanzsenator nicht: Kuhnert und
Kollatz-Ahnen kennen sich von Anfang der 90er Jahre aus Hessen. Kuhnert saß
damals für die Grünen im Landtag, Kollatz-Ahnen arbeitete für einen
SPD-Minister. Schon damals verhandelten sie miteinander über
Wohnungspolitik.
Der baupolitische Sprecher der Grünen bezeichnete die Personalentscheidung
am Montag als gute Lösung. „Kuhnert ist jemand, der wirtschaftlich denken
und arbeiten kann“, so Andreas Otto.
Das Mietenbündnis reagierte mit einer Stellungnahme auf den Wechsel ihres
Mitstreiters in die Verwaltung. Der Senat versuche mit dem Jobangebot, die
Initiative „für die Legitimation seiner zukünftigen Politik zu nutzen“,
schreibt die Initiative. „Wir hoffen natürlich, dass Jan Kuhnert weiterhin
alle Spielräume nutzt, um für die Mieter*innen Verbesserungen zu
erreichen.“ In der neuen Funktion könne er allerdings nicht mehr in dem
außerparlamentarischen Bündnis mitarbeiten, sein Amt sei „nicht mit einer
weiteren Mitarbeit in der Initiative zu vereinbaren“.
27 Jan 2016
## AUTOREN
Antje Lang-Lendorff
## TAGS
Direkte Demokratie
Berliner Senat
Wohnen
Mietenvolksentscheid
Volksbegehren
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Volksbegehren
Mieten
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