# taz.de -- Volksbegehren: Mietkompromiss auf der Kippe | |
> Kurz vor dem Parlamentsbeschluss gibt es in der Volksbegehren-Initiative | |
> große Zweifel: Die vermeintliche Einigung mit der SPD soll gar keine | |
> gewesen sein | |
Bild: Über 40.000 gültige Unterschriften kamen in der ersten Stufe des Mieten… | |
Es ist ein einzelner Satz, der zeigt, wie es um die vermeintliche Einigkeit | |
beim Mieten-Volksbegehren steht. „Wann wird eigentlich über unser Gesetz | |
gesprochen?“, fragt Ulrike Hamann, die beim Diskussionsabend am Dienstag im | |
taz-Café die Initiative vertritt, die das Volksbegehren trägt. Der Satz | |
überrascht, weil SPD-Politiker seit dem Frühjahr mit der Initiative über | |
genau dieses Gesetz gesprochen und verhandelt haben. Resultat war ein | |
Kompromiss im August, der sich nun in einem Gesetzentwurf wiederfindet. Ihn | |
will das Abgeordnetenhaus nächste Woche beschließen. Für Hamann aber ist | |
das nur „das Senatsgesetz“. | |
Das ist eine Formulierung, die den zuständigen Bau-Staatssekretär Engelbert | |
Lütke Daldrup hörbar verärgert: „Wir haben da doch nicht ein Gesetz | |
aufgeschrieben, das sich der Senat ausgedacht hat“, sagt der SPD-Politiker. | |
Hamann habe doch mit am Tisch gesessen. 100 Stunden, zählt er vor, habe man | |
mit der Initiative seit April gesprochen. Bis am 19. August Vertreter | |
beider Seiten im Abgeordnetenhaus Einigkeit über folgende Punkte | |
präsentierten: Rund 20.000 Sozialmieter sollen ab Januar 2016 höchstens 30 | |
Prozent ihres Einkommens für die Miete aufwenden müssen, den Rest übernimmt | |
das Land. Jede zweite frei werdende der rund 300.000 landeseigenen | |
Wohnungen soll für Geringverdiener reserviert sein. Und 900 Millionen Euro | |
sollen in den nächsten Jahren in Wohnungsneubau fließen. | |
Sollte all das bis Ende November per Gesetz im Abgeordnetenhaus beschlossen | |
sein, würden sie in ihrer Initiative dafür werben, das Volksbegehren nicht | |
weiter zu führen, waren die Vertreter der Initiative damals zu verstehen. | |
Nun finden sich die verabredeten Punkte tatsächlich alle im Gesetzentwurf. | |
Doch in einer Bewertung des Entwurfs, die seit einigen Tagen auf der | |
Internetseite der Initiative unter www.mietenvolksentscheidberlin.desteht, | |
hält sich das mit dem Einvernehmen in starken Grenzen. Von einer „Einigung“ | |
oder einem „Kompromiss“ könne keine Rede sein, heißt es da. Und: Was auch | |
immer im Abgeordnetenhaus beschlossen werde: „Wir werden uns damit nicht | |
zufrieden geben können.“ Was das genau heißt, bleibt vorerst offen. | |
Denn in die zweite Stufe der Unterschriftensammlung, in der rund 170.000 | |
Unterstützer nötig wären, um einen Volksentscheid durchzusetzen, wird das | |
Volksbegehren offenbar nicht gehen können – jedenfalls nicht wie einst | |
geplant im Januar. Nach eigener Darstellung hat die Initiative Kenntnis von | |
einer seit Monaten erwarteten Stellungnahme der Senatsverwaltung für | |
Inneres, ob das Volksbegehren überhaupt verfassungsgemäß ist. Den mag sie | |
zwar noch nicht veröffentlichen. Sie deutet aber an, dass sie eine | |
Fortsetzung nur in einem aufwendigen Rechtsstreit am | |
Landesverfassungsgericht erzwingen könnte. Das würde bedeuten, dass der | |
Senat das Begehren als nicht verfassungskonform einstuft. Die | |
Innenverwaltung mochte dies alles nicht bestätigen: „Aufgrund des Umfangs | |
und der komplexen Thematik dauert die abschließende Prüfung an, ist aber in | |
Bearbeitung“, äußerte sich ein Sprecher auf taz-Anfrage. | |
Im Abgeordnetenhaus gaben sich führende Politiker am Mittwoch gelassen: | |
„Das Gesetz wird nächste Woche in jedem Fall beschlossen“, sagte | |
SPD-Fraktionschef Raed Saleh der taz. Beim Koalitionspartner CDU, der an | |
den Verhandlungen nicht direkt beteiligt war, sagte Bauexperte Matthias | |
Brauner: „Ich gehe davon aus, dass auch für die Initiative das Verabredete | |
gilt.“ Die will sich fünf Tage nach dem Parlamentsentscheid beim nächsten | |
Treffen festlegen. Der Kreis der Stimmberechtigten ist offen – votieren | |
darf laut Initiativen-Sprecher Rouzbeh Taheri, wer an jenem Dienstagabend | |
dabei sein wird. Eine Gefahr, dass dann einmalige Besucher das Ergebnis | |
beeinflussen, sieht er nicht. Falls doch so etwas absehbar sei, gebe es als | |
Notbehelf eine Abstimmung allein unter den rund 30 registrierten | |
Mitgliedern des Trägervereins. | |
4 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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