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# taz.de -- Eskalation am Golf: Ein knallharter Machtkampf
> Bei der Rivalität zwischen Saudi-Arabien und dem Iran geht es nicht nur
> um Religion. Und an beiden kommt die Politik des Westens nicht vorbei.
Bild: Demonstrantinnen am Montag in Teheran
KAIRO taz | Die gegenwärtigen Auseinandersetzungen in der arabischen Welt
werden häufig als Religionskonflikt zwischen Sunniten und Schiiten
interpretiert, ähnlich dem 30-jährigen Krieg zwischen Katholiken und
Protestanten in Europa. Gerne wird zurückgeblickt ins 7. Jahrhundert auf
die Zeit nach dem Tod des Propheten Muhammad, um die Spaltung der
muslimischen Gemeinde und deren Auswirkungen bis heute zu erklären.
Doch was als Religionskonflikt herüberkommt, ist eher ein knallharter
weltlicher Machtkampf um Einflusszonen der beiden Regionalmächte Iran und
Saudi Arabien. Sie messen ihre Kräfte in Stellvertreterkriegen, allen voran
in Syrien, dem Jemen, aber auch dem Irak, und das bereits seit Jahren. Sie
nutzen dabei lokale Konflikte in diesen Ländern und positionieren sich als
Schutzmacht für jeweils eine Seite, in der Hoffnung, so ihre
Einflusssphären ausbauen zu können.
So weit, so alt. Der Grund für die neuste Eskalation, die zu einem Abbruch
der diplomatischen Beziehungen geführt hat, entspringt der Tatsache, dass
sich die Gewichte zwischen beiden Regionalmächten gerade verschieben.
Der Iran ist mit dem Atomabkommen international wieder salonfähig geworden.
In Teheran gibt sich die internationale Geschäftswelt die Klinke in die
Hand, auf der Suche nach zukünftigen lukrativen Geschäftsmöglichkeiten. Der
Iran fühlt sich im Aufwind.
## Heute gilt Saudi-Arabien als Bösewicht
Saudi Arabien, bisher der selten kritisierte Liebling der USA in der Region
und auch Verbündeter Europas, befindet sich dagegen im freien Fall. Noch
nie war das Ansehen Saudi Arabiens im Westen so schlecht wie heute. War
einst Iran der Schurkenstaat, übernimmt jetzt zunehmend Saudi Arabien im
Westen die Feindesrolle.
Dazu kommen der sinkende Ölpreis und ein saudisches Defizit, das 15 Prozent
des Bruttosozialproduktes des Wüstenlandes entspricht. Die Zeiten, in denen
in Saudi Arabien Milch und Honig flossen, sind vorbei. Auch die
Zukunftsaussichten sind eher düster, in einer Welt, die aufgrund des
Klimawandels von fossilen Brennstoffen Abstand nimmt und erneuerbare
Energien fördert.
Der Iran sonnt sich also in seiner neuen Rolle, während die saudische
Führung eher panisch um sich schlägt. Beides führt dazu, dass der Konflikt
der Regionalmächte in Bewegung geraten ist. Beides ist auch der Grund,
warum die Stellvertreterkriege etwa in Syrien nicht so schnell zu Ende
gehen werden.
In Syrien unterstützt der Iran das Assad-Regime, auch direkt mit
Revolutionsgarden und mit Truppen der von dem Iran gesponserten
libanesischen Hisbollah-Miliz. Saudi Arabien versorgt dagegen Teile der
syrischen Rebellen mit Geld und Waffen.
## Folgen für Syrien und den Jemen
Welche Taten werden der neuen Eskalation nun folgen? Kommt es zu einem
direkten Krieg, ist die ängstlich gestellte Frage der Stunde. Vielleicht
sollte man sich aber eher fragen, welche Taten nicht folgen werden. Sowohl
der Iran als auch Saudi Arabien haben an den Wiener Syrien-Gesprächen
teilgenommen, wohl auch, weil ihr kleinster gemeinsamer Nenner, die Angst,
dass die Instabilität in Syrien auf sie selbst übergreifen könnte, immer
stärker geworden war.
Die Teilnahme der beiden wichtigsten regionalen Köche dieses Konfliktes ist
eine Voraussetzung, ihn zu lösen. Ende des Monats sollten die
Syrien-Gespräche fortgesetzt werden. Ob mit oder ohne Saudi Arabien und dem
Iran steht nun aber in den Sternen. Es wird nicht leicht sein, beide
Staaten bei den Syrien-Verhandlungen wieder an einen Tisch zu bekommen.
Aber ohne sie ist eine Lösung des Syrien-Konfliktes unwahrscheinlich.
Gleiches gilt für den Krieg im Jemen, an dem Saudi Arabien direkt auf der
Seite der alten Regierung und der Iran indirekt auf Seiten der
Houthi-Rebellen teilnimmt. Die Ende vergangenen Jahres gescheiterten
Waffenstillstandsverhandlungen sollen diesen Monat wieder aufgenommen
werden. Doch Saudi-Arabien bombardierte unmittelbar nach dem Abbruch der
diplomatischen Beziehungen zu Iran als eine Art Reflex am Sonntag wieder
die von den Houthis kontrollierte jemenitische Hauptstadt Sanaa.
## Die Politik des Westens
Für den Westen stellt sich nun die Frage, wie er sich in diesem Konflikt
positionieren soll. Das Beste wäre wohl, zur Beruhigung beider Seiten
beizutragen und sie im Fall Syrien langsam wieder einander näher zu
bringen, im ureigensten europäischen Interesse. Denn die europäische
Flüchtlingskrise ist auch ein Nebenprodukt des saudisch-iranischen
Konfliktes und der Vertriebenen, die deren Stellvertreterkriege
produzieren. Das Schlimmste wäre, den Schurkenstaat Iran nun durch den
Schurkenstaat Saudi-Arabien zu ersetzen. Denn das vergangene Jahrzehnt hat
gezeigt, was passiert, wenn versucht wird, eine Regionalmacht zu isolieren
wie im Fall des Iran.
Wir müssen nicht die gleiche Erfahrung mit Saudi Arabien machen, um am Ende
wieder festzustellen, dass westliche Politik und Diplomatie ohne die
Zusammenarbeit mit den wichtigsten Regionalmächten in eine Sackgasse führt.
Wer jetzt meint, alleine auf die iranische Karte setzen zu können und die
saudische zu verteufeln, wird schnell ausgespielt haben. Ein um sich
schlagendes Saudi Arabien ist eine Wild Card, die niemand kontrolliert.
5 Jan 2016
## AUTOREN
Karim El-Gawhary
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