| # taz.de -- Hinrichtungen in Saudi-Arabien: Empörung nach Exekutionen | |
| > Unter den 47 Hingerichteten in Saudi-Arabien war auch der schiitische | |
| > Geistliche und Regimekritiker Nimr al-Nimr. Nachbarstaaten protestieren, | |
| > Grüne und Linke auch. | |
| Bild: In Bahrain protestieren Anhänger des hingerichteten schiitischen Scheich… | |
| Dubai/Riad ap/dpa | Saudi-Arabien hat 47 Häftlinge wegen Terrorvorwürfen | |
| hinrichten lassen, darunter der führende schiitische Oppositionelle Scheich | |
| Nimr al-Nimr. Dies gab das Innenministerium bekannt. Die Urteile seien am | |
| Samstag in Riad und zwölf weiteren Städten vollstreckt worden, nachdem alle | |
| Berufungsmöglichkeiten ausgeschöpft gewesen seien. Der schiitisch geführte | |
| Iran reagierte mit scharfer Kritik. | |
| Al-Nimr war die zentrale Figur schiitischer Proteste während des arabischen | |
| Frühlings 2011. Sein Tod könnte in dem überwiegend sunnitischen Königreich | |
| Unruhen der schiitischen Minderheit auslösen. Die | |
| Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte das Todesurteil | |
| gegen den seit 2012 inhaftierten al-Nimr kritisiert und Saudi-Arabien | |
| vorgeworfen, abweichende Meinungen zu unterdrücken. Neben al-Nimr wurden | |
| nach Angaben von Anwälten noch drei weitere schiitische Oppositionelle | |
| hingerichtet. | |
| Daneben wurde auch der Al-Kaida-Ideologe Faris al-Schuwail exekutiert, der | |
| bereits 2004 nach einer Terrorwelle festgenommen worden war. Der | |
| Al-Kaida-Ableger im Jemen hatte schon im Dezember mit Gewalt gedroht, falls | |
| Mitglieder des globalen Terrornetzwerks hingerichtet würden. Staatliche | |
| saudische Medien hatten im November berichtet, dass die Hinrichtung von | |
| fast 50 Häftlingen bevorstehe. Amnesty International hatte bereits damals | |
| protestiert. Jetzt meldete sich die US-Menschenrechtsgruppe Human Rights | |
| Watch mit Kritik. | |
| Nahost-Direktorin Sarah Leah Whitson beklagte, der Prozess gegen al-Nimr | |
| sei nicht fair gewesen. Seine Hinrichtung werde die religiöse Spaltung des | |
| Landes verschlimmern. Stattdessen müsse die systematische Diskriminierung | |
| der Schiiten beendet werden. | |
| ## Al-Nimr betonte, nie zu Gewalt aufgerufen zu haben | |
| Vor seiner Festnahme hatte der Geistliche öffentlich gesagt, das Volk | |
| wünsche keine Herrscher, die Protestierende töten oder ungerecht behandeln. | |
| In seinem Prozess beklagte er nach Angaben seines Bruders Ungerechtigkeit | |
| gegen die vor allem im Osten des Landes lebenden Schiiten. Die politischen | |
| Vorwürfe stritt er demnach nicht ab, betonte aber, er sei nie bewaffnet | |
| gewesen und habe nie zu Gewalt aufgerufen. | |
| Ihm wurde auch Einfluss auf die Proteste von Schiiten im nahen Inselstaat | |
| Bahrain zugeschrieben. Saudi-Arabien hatte Soldaten dorthin entsandt, um | |
| den Aufstand zu bekämpfen. | |
| Die amtliche Nachrichtenagentur SPA veröffentlichte eine Liste mit den | |
| Namen der 47 Hingerichteten. Darunter waren neben 45 Staatsbürgern | |
| Saudi-Arabiens auch ein Bürger des Tschad und ein Ägypter. Auch das | |
| Staatsfernsehen meldete die Exekutionen und sendete Häftlingsfotos. Al-Nimr | |
| war Nummer 46. Sein Bild zeigte ihn mit grauem Bart und dem traditionellen | |
| rot-weißen Tuch, das saudische Männer als Kopfbedeckung tragen. Der | |
| Geistliche war Mitte 50. | |
| ## 157 Hinrichtungen in Saudi-Arabien 2015 | |
| Das Innenministerium teilte mit, die Exekutionen seien in Gefängnissen | |
| ausgeführt und nicht öffentlich zur Schau gestellt worden. Todeskandidaten | |
| in Saudi-Arabien werden in der Regel mit dem Schwert enthauptet. Im gerade | |
| abgelaufenen Jahr 2015 hatte Saudi-Arabien mindestens 157 Menschen | |
| exekutiert, so viele wie seit 1995 nicht mehr. | |
| Der oberste Geistliche Saudi-Arabiens, Großmufti Scheich Abdulasis al | |
| Scheich, verteidigte die Exekutionen. Diese entsprächen islamischem Recht | |
| und den Sicherheitserfordernissen des Königreichs. Das iranische | |
| Außenministerium kritisierte dagegen vor allem die Vollstreckung des | |
| Todesurteils gegen al-Nimr. Dies zeige „Unvorsichtigkeit und | |
| Unverantwortlichkeit“, sagte ein Sprecher. Der schiitische Iran und das | |
| sunnitische Saudi-Arabien konkurrieren um die Vormachtstellung im Nahen | |
| Osten. | |
| Im benachbarten Bahrain, wo Schiiten die Mehrheit der Bevölkerung stellen, | |
| kam es zu Protesten. Angaben zu möglichen Toten oder Verletzten gab es | |
| zunächst nicht. | |
| ## Kritik aus der deutschen Opposition | |
| Auch Linke und Grüne kritisierten die saudische Regierung. „Die | |
| Massenhinrichtungen à la IS durch die wahabitische Diktatur in Saudi | |
| Arabien gefährden den Frieden in der gesamten Region“, sagte die Sprecherin | |
| für internationale Beziehungen der Linksfraktion, Sevim Dagdelen. | |
| Der außenpolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, erklärte, die | |
| vollstreckten Todesurteile seien „der letzte Weckruf für die | |
| Bundesregierung, die „strategische Partnerschaft“ mit einem Staat zu | |
| beenden, dessen Praktiken sich vom sogenannten Islamischen Staat kaum | |
| unterscheiden.“ | |
| Saudi-Arabien hatte 2015 laut Menschenrechtlern so viel Todesurteile | |
| vollstreckt wie seit 20 Jahren nicht mehr. Der Anstieg geht einher mit der | |
| Machtübernahme von König Salman. Er war Ende Januar nach dem Tod seines | |
| Vorgängers Abdullah auf den Thron gestiegen. | |
| Von Januar bis November waren demnach mindestens 151 Menschen hingerichtet | |
| worden, hatte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International | |
| mitgeteilt – im gesamten Jahr 2014 seien es 90 gewesen. In Saudi-Arabien | |
| ist für zahlreiche Taten die Todesstrafe vorgesehen, darunter Mord, | |
| Vergewaltigung, Drogenhandel und „Hexerei“. Die Verurteilten werden | |
| entweder enthauptet oder erschossen. | |
| 2 Jan 2016 | |
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