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# taz.de -- Rüstungsgeschäfte mit Saudi-Arabien: Deutschlands Waffenbrüder
> Trotz der Massenhinrichtung will die Bundesregierung weiter Waffen nach
> Saudi-Arabien liefern. Der Handel mit dem Tod ist ein gutes Geschäft.
Bild: Über Umwege bis nach Saudi-Arabien: Eurofighter.
Berlin/Genf taz | Nach der Massenhinrichtung in Saudi-Arabien zieht die
Bundesregierung vorerst keine Konsequenzen – lässt aber eine Hintertür
offen: Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) deutete am Montag an,
eventuell weniger Rüstungsexporte in Richtung Riad zu genehmigen. „Wir
müssen jetzt überprüfen, ob wir in Zukunft auch defensive Rüstungsgüter
kritischer beurteilen müssen“, sagte er.
Aus seinem Ministerium hieß es, man werde die aktuellen Entwicklungen vom
vergangenen Wochenende berücksichtigen, wenn deutsche Rüstungsunternehmen
das nächste Mal Geschäfte mit Saudi-Arabien anmelden.
Eine Reaktion, mit der die Regierung hinter Forderungen aus der Opposition
zurückbleibt: Politiker aus den Reihen von Linkspartei und Grünen hatten
sich zuvor dafür ausgesprochen, Waffenexporte an das Regime sofort zu
stoppen. Einzelne Koalitionsabgeordnete schlossen sich ihnen an.
So sagte der Unionspolitiker Michael Hennrich der Rheinischen Post, ein
„Moratorium bei den Waffenlieferungen wäre jetzt das richtige Signal“.
Fraktionsvize Franz Josef Jung warnte dagegen, wer Handelsbeziehungen
abbreche, würde Einflussmöglichkeiten aufgeben.
Vorerst wird die Bundesregierung also nicht mit der langen Tradition
deutsch-saudischer Waffengeschäfte brechen. Rüstungsdeals mit Saudi-Arabien
gehörten schon zu Zeiten der rot-grünen Koalition zu den profitabelsten
Geschäften der deutschen Waffenindustrie.
Seit dem Amtsantritt von Angela Merkel vor zehn Jahren haben die
Rüstungsgeschäfte mit Riad noch einmal deutlich zugenommen. Seitdem werden
sie von der Bundesregierung nicht mehr nur mit wirtschaftlichen Interessen
begründet, sondern auch mit der „sicherheitspolitischen Notwendigkeit“,
wichtige Bündnispartner zu schützen und damit den Nahen und Mittleren Osten
zu „stabilisieren“.
## Schiffe, Panzer und Gewehre
Laut den jährlichen Rüstungsexportberichten der Bundesregierung erhielt
Saudi-Arabien von 2001 bis 2014 Waffen im Gesamtwert von knapp 2,6
Milliarden Euro. Darunter waren Kriegsschiffe, Panzer und gepanzerte
Fahrzeuge, Feuerleiteinrichtungen, Gewehre und andere Kleinwaffen sowie
Munition. Ausweislich dieser offiziellen Regierungsberichte war Deutschland
damit hinter den USA wichtigster Rüstungslieferant für das Regime in Riad.
„Die Berichte der Bundesregierung verschleiern allerdings, dass die
tatsächlichen Ausfuhren deutscher Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien noch
höher liegen“, kritisierte Jürgen Grässlin, Leiter des Freiburger
Rüstungsinformationsbüros. Zum Beispiel weise der Bericht für 2014
lediglich Exporte nach Saudi-Arabien im Wert von 208 Millionen Euro aus.
Darin nicht enthalten seien aber wichtige, in Deutschland produzierte
Bauteile für das von Riad bestellte Kampfflugzeug Eurofighter, ein
deutsch-britisches Gemeinschaftsprojekt.
Die deutschen Bauteile wurden nach Großbritannien geliefert, wo der
Eurofighter endmontiert und nach Saudi-Arabien ausgeliefert wurde. Im
Bericht der Bundesregierung wird nur der Export der Bauteile nach
Großbritannien aufgeführt. Dieser Umwegexport von Bauteilen für ein
Kampfflugzeug steht auch im Widerspruch zur Ankündigung von
Bundeswirtschaftsminister Gabriel, keine Ausfuhr von Kriegswaffen nach
Saudi-Arabien mehr zu genehmigen.
Der Export solcher Waffen muss vom geheim tagenden Bundessicherheitsrat
genehmigt werden. Ihm gehören neben der Bundeskanzlerin der
Wirtschaftsminister und sechs weitere Fachminister an.
## Nummer 3 der wichtigsten Abnehmer
Auch das Versprechen Gabriels, Rüstungsexporte in Krisenregionen und Länder
mit schlechter Menschenrechtslage restriktiver zu handhaben, wurde mit
Blick auf Saudi-Arabien nur teilweise erfüllt.
Zwar stoppte Gabriel Geschäfte mit Kleinwaffen und verhinderte vorläufig
den Export der von Riad begehrten Leopard-II-Panzer. Doch nach einem
relativen Rückgang im Jahr 2014 verdoppelten sich die Ausfuhren nach
Saudi-Arabien allein im ersten Halbjahr 2015 und katapultierten das Land
auf Platz 3 der wichtigsten Abnehmer der deutschen Waffenindustrie.
Hinzu kommen Rüstungsgüter im Wert von rund 178,7 Millionen Euro, deren
Export nach Saudi-Arabien die Bundesregierung im gleichen Zeitraum
genehmigte, darunter Geländefahrzeuge, Übungsdrohnen für das Training von
Kampfpiloten sowie Teile für gepanzerte Fahrzeuge und Kampfflugzeuge.
4 Jan 2016
## AUTOREN
Tobias Schulze
Andreas Zumach
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