Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Geplanter Schutz für JournalistInnen: Soll das die Lösung sein?
> Eine Journalistin wurde kürzlich auf einer Legida-Demo angegriffen. Nun
> will der MDR MitarbeiterInnen nur noch mit Wachleuten losschicken.
Bild: Beliebte Parole unter Pegidisten und Co
Lutz Bachmann trug ein Schild mit der Aufschrift „Rapefugees not welcome“,
als er von der Bühne vor dem Leipziger Naturkundemuseum kam. Die
MDR-Journalistin Ine Dippmann wollte das festhalten, zückte ihr Handy,
machte ein Foto, machte ein zweites – und zack schlug es ihr jemand aus der
Hand. Doch das war’s noch nicht. „Der zweite Schlag hat mich dann ins
Gesicht getroffen.“ So [1][erzählt sie es] tags darauf dem Tagesspiegel.
[2][Legida feierte am Montag sein einjähriges Bestehen], Lutz Bachmann war
quasi der Stargast. Mit ihm war die Pegida-Frontfrau Tatjana Festerling
dort. Festerling hatte kurz vor dem Angriff auf Dippmann noch zum Griff zum
landwirtschaftlichen Werkzeug geraten: „Wenn die Mehrheit der Bürger noch
klar bei Verstand wäre, dann würden sie zu Mistgabeln greifen und diese
volksverratenden, volksverhetzenden Eliten aus den Parlamenten, aus den
Gerichten, aus den Kirchen und aus den Pressehäusern prügeln.“ Eine
Anhängerin scheint dem Aufruf umgehend Folge geleistet und zugelangt zu
haben.
Der Radiosender MDR Info will nun, dass ReporterInnen nicht mehr allein von
derartigen Demonstrationen berichten: „Wir haben beschlossen, Reporterinnen
und Reporter bei solchen Einsätzen künftig generell von Sicherheitspersonal
begleiten zu lassen“, teilte Jana Hahn, Hörfunkchefin der Hauptredaktion
Information, mit.
Kann das wirklich die Lösung sein? Auf der einen Seite müssen sich Arbeit-
und Auftraggeber langsam Gedanken machen, wie sie ihre ReporterInnen vor
Ort schützen können. Schließlich sind die Übergriffe auf JournalistInnen
bei rechten Demonstrationen mittlerweile zur bizarren Normalität geworden.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat nun gar unter
[3][augenzeugen.info] ein eigenes Blog zu dem Thema gestartet, wo Fälle
gesammelt werden sollen. Außerdem hilft es, wenn es um die anschließende
Aufklärung der Straftaten geht, nicht allein zu sein. „Am Montagabend hat
mir ein Zeuge gefehlt“, sagt Dippmann im Tagesspiegel.
## Pressefreiheit unter Personenschutz
Auf der anderen Seite steht die Frage, wie viel die im Grundgesetz
verankerte Pressefreiheit noch wert ist, wenn sie nur unter Personenschutz
zur Geltung kommen kann. Medien sind nicht mehr frei, wenn sie permanent
beschützt werden müssen. Sie sind dann sogar ziemlich unfrei.
Klar, so etwas lässt sich leicht sagen, wenn man in der Redaktion am
Schreibtisch sitzt und nicht ständig befürchten muss, die Fresse poliert zu
bekommen. Doch auch für die KollegInnen vor Ort dürften sich mit
Geleitschutz an ihrer Seite Probleme ergeben: Denn wer redet noch mit
JournalistInnen, wenn neben ihnen die ganze Zeit ein Aufpasser steht? So
etwas kann einschüchtern, animiert wohl kaum jemanden dazu, sich zu öffnen,
und führt am Ende womöglich zu einer schlechteren, weil distanzierteren
Berichterstattung.
Und am Ende wirft die Maßnahme des MDR die Frage auf, welche Grundrechte
und Werte sich diese Gesellschaft noch wegnehmen lässt von denen, die am
lautesten brüllen und am schnellsten zuschlagen.
## „Gewalttätigkeiten waren nicht zu verzeichnen“
Zuständig dafür, dass auch die Grundrechte derjenigen geachtet werden, die
nicht die Gewalttätigsten sind, ist übrigens der Staat. Die Ausführung
dieser Aufgabe übernimmt die Polizei. Die zog noch in der Nacht von Montag
auf Dienstag, rückblickend auf die Ereignisse in der Leipziger Innenstadt,
folgendes Fazit: „Protest und Gegenprotest konnten ihre
verfassungsrechtlich verbürgten Rechte auch in der Praxis leben und
Gewalttätigkeiten waren dabei nicht zu verzeichnen.“
Der Angriff auf die MDR-Journalistin Dippmann findet sich nirgends. „Ich
habe der Polizei deutlich gemacht, dass es mir wichtig ist, dass der
Vorfall in den Bericht des Abends einfließt, um ein realistisches Bild zu
zeichnen. Dass das nun nicht geschehen ist, enttäuscht mich“, sagt
Dippmann.
14 Jan 2016
## LINKS
[1] http://www.tagesspiegel.de/medien/gewalt-bei-pegida-linksversifft-luegenpre…
[2] /Links-gepraegter-Stadtteil-angegriffen/!5268197
[3] http://www.augenzeugen.info/
## AUTOREN
Jürn Kruse
## TAGS
Schwerpunkt Pegida
MDR
Schwerpunkt Pressefreiheit
MDR
Schwerpunkt Pegida
Schwerpunkt Neonazis
Rechtsextremismus
Unwort des Jahres
Legida
Niedersachsen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Medienausschuss des Bundestags: Risikoberuf Journalist
Seit Monaten beschimpfen und attackieren Demonstranten Medienvertreter. Das
interessiert inzwischen auch die Politik.
Arbeitskampf beim MDR beendet: Fernsehprogramm im Osten gerettet
Der Streik ist vorbei. Die Gewerkschaften haben für die MitarbeiterInnen
des MDR einen Kompromiss ausgehandelt.
Blog über Gewalt gegen Journalisten: „Lügenpresse – auf die Fresse“
Immer wieder werden Journalisten auf rechten Demos attackiert. Die Polizei
greift nicht ein. Das „Augenzeugen“- Blog des DJV soll aufklären.
Kommentar Nazi-Angriff in Leipzig: Ein Quasipogrom, kein Aufschrei
Die Ausschreitungen in Leipzig und auch die Hetzjagden auf Menschen in Köln
werden mit Gleichmut hingenommen. Wie kann das sein?
Hunderte Drohanrufe wegen angeblichen Böllerwurfs: Ein Feind von Pegida
Sebastian Ramnitz soll einen Böller auf die Pegida-Demonstration in Köln
geworfen haben, heißt es in den sozialen Netzwerken. Seitdem wird er
bedroht.
Das „Unwort des Jahres 2015“: „Gutmensch“ mit schlechtem Image
Uber 1.600 Vorschläge waren eingegangen. Auf „Lügenpresse“ folgt nun
„Gutmensch“ als „Unwort des Jahres“.
Links geprägter Stadtteil angegriffen: Selbstentlarvender Legida-Jahrestag
In Leipzig-Connewitz zeigten Hooligans, wohin der Ungeist von Pegida und
Legida führt. 250 Randalierer verwüsteten den Stadtteil.
Hässliche Koalition in Niedersachsen: Rechts und rechts gesellt sich
Im niedersächsischen Duderstadt geht der „Freundeskreis
Thüringen/Niedersachsen“ gegen die Asylpolitik auf die Straße. Eine neue
rechte Koalition.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.