| # taz.de -- Volksbegehren in Brandenburg: Schweine gehen, Räder drehen | |
| > In Brandenburg endet das Volksbegehren gegen Massentierhaltung – und ein | |
| > weiteres läuft an: diesmal gegen den Ausbau der Windenergie | |
| Bild: Wozu Windräder? Unsere Schweine haben ihre eigenen Steckdosen. | |
| Heute um 16 Uhr ist Schluss: Dann kann in Brandenburgs Bürgerämtern keine | |
| Unterschrift mehr für das Volksbegehren gegen Massentierhaltung geleistet | |
| werden, und Briefwahlunterlagen, die später eingehen, werden auch nicht | |
| mehr gezählt. Dann werden die Landkreise ihre Zahlen der Landeswahlleitung | |
| melden, und gegen 18 Uhr dürfte feststehen, ob die sechsmonatige Frist | |
| ausgereicht hat, um 80.000 UnterstützerInnen zusammenzubekommen. | |
| Genau genommen geht es nicht um die Abschaffung der riesigen Mastbetriebe, | |
| von denen es in der Mark immer mehr gibt – es soll nur die öffentliche | |
| Förderung von Großbetrieben eingestellt werden, was sie weniger profitabel | |
| machen würde. Schritte in diese Richtung hat die rot-rote Landesregierung | |
| bereits unternommen. Das Volksbegehren fordert aber auch eine deutliche | |
| Stärkung des Tierschutzes: Schweinen sollen nicht mehr die Schwänze | |
| kupiert, Hühnern nicht mehr die Schnäbel gestutzt werden. Ein | |
| Tierschutzbeauftragter soll her, und Ökoverbände sollen ein | |
| institutionelles Klagerecht erhalten. Die Linke hat Sympathien für diese | |
| Ziele, die SPD blockiert: Sie will den Agrarstandort nicht gefährden. | |
| Die InitiatorInnen erwarten den Abend mit Vorfreude: Sie glauben trotz | |
| restriktiver Bedingungen – Unterschriften dürfen in Brandenburg nicht auf | |
| der Straße gesammelt werden – an einen Erfolg. „Die Dynamik der letzten | |
| Tage deutet darauf hin, dass das bundesweit erste Volksbegehren gegen | |
| Massentierhaltung erfolgreich sein wird“, sagt Martin Kündiger, einer der | |
| Sprecher, „und das wird auch die bundesweite Diskussion um eine | |
| grundsätzliche Agrarwende befeuern.“ | |
| Eine nennenswerte Unwägbarkeit gibt es aber: In der Zahl von 72.000 | |
| UnterzeichnerInnen, die die InitiatorInnen Mitte Dezember erhoben haben, | |
| sind auch über 14.000 Briefwahlunterlagen enthalten, die beantragt, aber | |
| noch nicht ausgefüllt an die Ämter zurückgeschickt worden waren. Um auch | |
| dieses wichtige Potenzial noch zu heben, habe man in den letzten Wochen mit | |
| Rundmails und SMS-Aktionen daran erinnert, berichtet Kündiger. | |
| Sollte die 80.000er-Marke erreicht werden, muss sich der Landtag in Potsdam | |
| mit den Forderungen befassen. Erfüllt er sie nicht, kommt es zum | |
| Volksentscheid. Dann hoffen die InitiatorInnen auf einen Synergieeffekt: | |
| Die Frist für das Volksbegehren gegen Fluglärm endet am 18. Februar. Wenn | |
| auch dort ein Volksentscheid notwendig wird, könnten beide am selben Datum | |
| stattfinden. | |
| ## „Rettet Brandenburg“ | |
| Während sich bei der Massentierhaltung die Tore der Volksgesetzgebung | |
| schließen, bläst ein Windstoß an anderer Stelle wieder welche auf: Die rund | |
| 100 Initiativen hinter dem „Volksbegehren Windkraft in Brandenburg“ | |
| trommeln jetzt seit einer Woche für ihr Anliegen, das auch unter dem | |
| ziemlich dramatisch klingenden Label „Rettet Brandenburg“ firmiert. | |
| Nur zwei Forderungen haben sie – aber würden diese umgesetzt, wäre ein | |
| Ausbau der Windenergie in Brandenburg kaum noch realisierbar. Erstens soll | |
| die Aufstellung von Windkraftanlagen (WKA, vulgo: Windräder) in | |
| Waldgebieten untersagt werden, zweitens geht es darum, die „10H“-Regel zu | |
| etablieren: Sie bedeutet, dass der Abstand einer WKA zum nächsten Wohnhaus | |
| das Zehnfache ihrer Höhe betragen soll. Macht bei einem 200-Meter-Windrad | |
| einen Radius von zwei Kilometern. | |
| Für Thomas Jacob, Sprecher von „Rettet Brandenburg“, ginge ein faktischer | |
| Ausbaustopp in Ordnung: „Das, was an erneuerbaren Energien in Brandenburg | |
| bereits vorhanden ist, reicht aus, um das Bundesland zu versorgen“, | |
| argumentiert er. Die Energiewende kritisiert er als „eklektisch“ und zu | |
| kurz gedacht: Solange die Speichertechnologien noch nicht entwickelt seien, | |
| ergebe es keinen Sinn, immer mehr Windstrom zu produzieren. Die Windlobby | |
| wolle aber aus Profithunger immer neue und höhere WKA errichten, denn sie | |
| bekomme auch jede Kilowattstunde vergütet, die wegen eines Überangebots | |
| nicht ins Netz eingespeist werde. | |
| Die Unterstützer des Volksbegehrens führen neben ästhetischen Argumenten | |
| („Verspargelung“ oder „Industrialisierung“ der Landschaft) | |
| Naturschutzargumente ins Feld. Vögel und Fledermäuse fielen den Rotoren | |
| massenhaft zum Opfer. Hier liegen sie auf einer Linie mit dem | |
| Naturschutzbund Nabu, der Windkraftanlagen im Wald ebenfalls ablehnt. | |
| Dieser werde durch seine Erschließung teilweise vernichtet und | |
| zerschnitten, die Befahrung im Zusammenhang mit den Anlagen sorge für eine | |
| dauerhafte Beunruhigung, erklärt Heidrun Schöning, Sprecherin des Nabu | |
| Brandenburg. | |
| ## Atom-Fans im Trägerkreis | |
| Trotzdem unterstützt der Nabu das Volksbegehren bislang nicht, denn, so | |
| Schöning: „Offenbar gibt es im Trägerkreis Personen, die den Klimawandel in | |
| Abrede stellen und statt erneuerbarer Energien weiterhin fossile | |
| Energieträger wie die Braunkohle und Atomenergie befürworten.“ | |
| Tatsächlich ist das Bild uneinheitlich: Während Sprecher Thomas Jacob gegen | |
| die Landschaftszerstörung durch Braunkohleabbau ebenso wettert wie gegen zu | |
| viele Windräder, finden sich auf der Webseite des Volksbegehrens prominente | |
| Links zu einem „Klimainstitut“, das den menschengemachten Klimawandel als | |
| „Märchen“ darstellt. | |
| 13 Jan 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Claudius Prößer | |
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