| # taz.de -- Das Personal der CSU: Ödnis in der zweiten Reihe | |
| > Die CSU hat ein Problem mit ihrem Spitzenpersonal: Es ist unerfahren, | |
| > unbekannt oder glücklos. Schuld ist auch Ministerpräsident Horst | |
| > Seehofer. | |
| Bild: Auch sie bleibt bisher blass hinter Seehofer: CSU-Umweltministerin Ulrike… | |
| MÜNCHEN taz | Ulrike Scharf ist nervös. Dieser Eindruck vermittelt sich | |
| zumindest dem Zuschauer. Mal knetet sie ihre Finger, mal hält sie sich an | |
| ihrem Manuskript fest, während sie ihre Rede recht monoton vom Blatt | |
| herunterliest. Ulrike Scharf ist bayerische Umweltministerin, und es ist | |
| nicht irgendeine Rede, die sie hier Anfang Dezember im Landtag verliest, | |
| sondern ihre erste Regierungserklärung. Das Thema: Klimapolitik. | |
| Scharf zeichnet zwar ein deutliches Bild von den Folgen des Klimawandels | |
| für Bayern, von einem Temperaturanstieg um bis zu 4,5 Grad bis zum Ende des | |
| Jahrhunderts etwa. Antworten darauf bleibt sie jedoch schuldig. Von | |
| Informationsoffensiven ist die Rede und von der Unterstützung | |
| internationaler Initiativen. Hinweise auf konkretes bayerisches | |
| Regierungshandeln sucht man in dem 28-minütigen Redebeitrag allerdings | |
| vergebens. | |
| Wenige Tage später wird die Ministerin dann von der Klimakonferenz in Paris | |
| nach München zitiert, um dem Landtag in Sachen Bayern-Ei Rede und Antwort | |
| zu stehen. In dem Skandal um salmonellenverseuchte Eier bietet Scharf der | |
| Opposition seit Monaten aufgrund ihres dürftigen Krisenmanagements ständig | |
| neue Angriffsflächen. Es sind wenig schöne Adventstage für die Politikerin. | |
| ## Weithin unbekannte Hinterbänkler | |
| Die glücklose Politikanfängerin – die 48-jährige Betriebswirtin war bis zu | |
| ihrer Berufung im vergangenen Jahr eine weithin unbekannte Hinterbänklerin | |
| – ist dabei nicht untypisch für das Spitzenpersonal der Christsozialen. Und | |
| es ist ein weiterer Beleg dafür, dass die CSU ein veritables | |
| Personalproblem hat: nicht nur, wenn es um den zukünftigen Freistaats- und | |
| Parteichef geht. | |
| Justizminister Winfried Bausback etwa, Europaministerin Beate Merk oder | |
| Staatskanzleichef Marcel Huber – von ihnen allen hört man nicht viel. Auch | |
| Gesundheitsministerin Melanie Huml, Sozialministerin Emilia Müller und | |
| Landwirtschaftsminister Helmut Brunner ließen sich anführen. Dabei gibt es | |
| von Letzterem eine wirklich nette Geschichte: Das auch für den Wald in | |
| Bayern zuständige Regierungsmitglied schaffte es, am Tag der Deutschen | |
| Einheit in der Nähe seines Einödhofs beim Verbrennen von Gartenabfällen | |
| einen Waldbrand auszulösen. 22 Feuerwehrleute mussten ausrücken. Brunners | |
| größter Auftritt in den vergangenen Monaten. | |
| Natürlich, das sei fairerweise hinzugefügt, ist die mediale Aufmerksamkeit, | |
| die Landesminister erfahren, in der Regel beschränkt. Wer hat im Rest der | |
| Republik schon mal was von der brandenburgischen Sozialministerin oder vom | |
| Hamburger Finanzsenator gehört? | |
| ## Kein namhafter CSU‘ler mehr in Berlin | |
| Andererseits treten die meisten der bayerischen Regierungspolitiker selbst | |
| in Bayern wenig in Erscheinung. Das war nicht immer so. Unter Strauß | |
| beispielsweise gab es die Stoibers, Tandlers und Gauweilers, die | |
| Zimmermanns und Waigels, von denen man zumindest sprach – wenn auch nicht | |
| nur gut. Auch während der Stoiber-Ära saßen nicht wenige namhafte | |
| CSU-Politiker auf Ministerstühlen in München und Berlin. | |
| Und heute? Sitzen Christian Schmidt, Gerd Müller und Alexander Dobrindt in | |
| der Bundesregierung. Den letzteren kennt man immerhin. Ja, genau, das ist | |
| der mit der Maut und den karierten Sakkos. Dazu kommen im Bundestag | |
| Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt, die respektiert, aber schon 65 Jahre | |
| alt ist, sowie Staatssekretärin Dorothee Bär und Generalsekretär Andreas | |
| Scheuer; beide gelten sie nicht gerade als Hoffnungsträger der Partei. | |
| ## „Ein wunderbarer Neger“ | |
| Gewiss, der Blick in die Vergangenheit ist oft verklärt. Früher war mehr | |
| Lametta, das wusste schon Opa Hoppenstedt. Und nicht jeder weint Politikern | |
| vom Typus eines Friedrich Zimmermann nach, der seine besondere Bekanntheit | |
| auch seinem Meineid in der Spielbankenaffäre zu verdanken hatte. | |
| Doch sollte es zu denken geben, wenn als Schwergewichte im bayerischen | |
| Kabinett schon Innenminister Joachim Herrmann oder Kultusminister Ludwig | |
| Spaenle gelten müssen. Herrmann punktete jüngst zumindest bei | |
| Schlagersänger Roberto Blanco, den er als „wunderbaren Neger“ bezeichnete, | |
| irritierte jedoch kurz darauf das Land, als er die falsche Information | |
| verbreitete, einer der Attentäter von Paris sei als Flüchtling über Bayern | |
| gekommen. | |
| Fragt sich, wie es so weit kommen konnte. Hat es Ministerpräsident Seehofer | |
| versäumt, eine Truppe von starken, vielfältig einsetzbaren Politikern | |
| aufzubauen? Oder ist das Problem ein grundsätzliches: Hat die Politik für | |
| frühere Generationen eine höhere Anziehungskraft besessen? Haben Menschen, | |
| die das Format zum politischen Alphatier hätten, heute einfach andere | |
| Lebensentwürfe? | |
| ## Eine Portion Pech | |
| Und dann gehört auch immer eine Portion Pech dazu. Das hatte die CSU in der | |
| jüngeren Vergangenheit. Die einstigen Shootingstars Karl Theodor zu | |
| Guttenberg und Christine Haderthauer haben sich selbst ins Aus | |
| katapultiert, alte Schlachtrösser wie Peter Gauweiler haben sich ebenfalls | |
| aus der Politik verabschiedet. | |
| Und Ilse Aigner, die Seehofer gern als Nachfolgerin aufgebaut hätte, ist | |
| mit ihrem Wechsel in die Landespolitik nicht wirklich zurechtgekommen. Als | |
| Wirtschaftsministerin agiert sie bislang wenig souverän, ihr im Oktober | |
| vorgestelltes Energiekonzept wurde nicht nur nicht zum Meisterstück – es | |
| vermochte noch nicht einmal die Kollegen in den eigenen Reihen zu | |
| begeistern. Inzwischen fällt ihr Name immer seltener, wenn es mal wieder um | |
| die Frage der Seehofer-Nachfolge geht. Guttenberg immerhin wurde jüngst von | |
| Seehofer in sein Kompetenzteam für die Landtagswahl 2018 berufen – anders | |
| als beispielsweise Aigner. | |
| Zu den größten Hoffnungsträgern der Partei zählt ein anderes | |
| Kompetenzteam-Mitglied: der Abgeordnete des Europaparlaments Manfred Weber. | |
| Beim CSU-Parteitag im November wurde er zu einem der neuen Stellvertreter | |
| Seehofers gewählt wurde. Doch für den 43-Jährigen ist es nicht leicht, sich | |
| von Brüssel und Straßburg aus, fernab des politischen Tagesgeschehens in | |
| Bayern für höhere Weihen zu empfehlen. | |
| ## Söder, immer nur Söder | |
| Bleibt am Ende also wieder nur einer: Markus Söder. Der Finanzminister, der | |
| keinen Hehl daraus macht, dass er unbedingt die Nachfolge Seehofers | |
| antreten möchte, hat zwar auch in der eigenen Partei nicht nur Freunde, | |
| dennoch gibt es immer mehr Beobachter und Betroffene, die der Meinung sind, | |
| an Söder komme man nicht mehr vorbei. | |
| Übrigens: Im fränkischen Roth, ganz in der Nähe von Söders Heimatstadt | |
| Nürnberg, hat jetzt auch der letzte verbliebene Lamettahersteller, die | |
| Firma Riffelmacher & Weinberger, die Produktion eingestellt. Der Grund: | |
| mangelnde Nachfrage. Manchmal geht eine Ära einfach zu Ende. | |
| 5 Jan 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Dominik Baur | |
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