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# taz.de -- Abschiebepraxis in Deutschland: Nach 27 Jahren ab ins Kosovo
> Die Abschiebungen haben sich 2015 bundesweit fast verdoppelt. Betroffen
> sind viele Menschen, die bisher geduldet wurden – so wie Rapper Prince-H.
Bild: Soll abgeschoben werden: Hikmet Prizreni, alias Rapper Prince-H.
Berlin taz | Sogar Sido zeigt sich solidarisch: [1][Auf seiner
Facebook-Seite] unterstützt der Berliner Rap-Star seinen Rapper-Kollegen
Hikmet Prizreni alias Prince-H, der seit Oktober in Abschiebehaft sitzt.
Hikmet Prizreni ist Roma, seine Eltern flohen 1988 aus dem Kosovo, da war
er sieben Jahre alt. Er wuchs in Essen auf und stieg früh in die
HipHop-Szene ein.
Seine beiden Brüder wurden 2010 abgeschoben, kehrten aber zur Jahreswende
2015 wieder nach Deutschland zurück. Um den Anwalt zu bezahlen, der gegen
ihre geplante Abschiebung prozessieren soll, laden ihre Unterstützer am
Dienstag zum [2][Solikonzert im Kreuzberger Szeneclub SO36]. „Geht da hin.
Unterstützt das. Ist eine gute Sache“, schreibt Sido dazu.
Die Zahl der Abschiebungen hat in diesem Jahr stark zugenommen. Betroffen
sind nicht nur Flüchtlinge, die erst vor Kurzem nach Deutschland gekommen
sind – sondern vor allem Menschen wie Hikmet Prizreni, die fast ihr ganzes
Leben hier verbracht haben, aber aus einem nunmehr angeblich „sicheren
Herkunftsland“ stammen.
In den ersten elf Monaten des Jahres wurden fast doppelt so viele
abgelehnte Asylbewerber von den Bundesländern abgeschoben wie im gesamten
Vorjahr. Besonders stark stieg die Zahl in Bayern an, von 1.007 auf 3.643
auf mehr als das Dreifache. Aber auch in Hessen, wo CDU und Grüne gemeinsam
regieren, haben sich die Abschiebungen beinahe verdreifacht. Und im
grün-roten Baden-Württemberg immerhin verdoppelt, von 1.080 im vergangenen
Jahr auf 2.140 in diesem.
Kaum zugenommen hat die Zahl der Abschiebungen in Brandenburg, Bremen,
Niedersachsen und Sachsen. Einzig in Thüringen ist die Zahl der
Abschiebungen unter dem ersten linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow
sogar zurückgegangen.
Bundesweit wurden bis Ende November über 18.300 Menschen abgeschoben,
teilte das Bundesinnenministerium am Montag mit. Manche Länder setzen
stärker auf „freiwillige Ausreisen“ als auf spektakuläre Abschiebungen.
Mindestens 35.000 Menschen sind in diesem Jahr auf diese Weise ausgereist,
hat der Mediendienst Integration jüngst recherchiert.
In Rheinland-Pfalz sind 90 Prozent der Rückkehrer auf diese Weise
ausgereist, 4.300 Ausreisen stehen nur 439 Abschiebungen gegenüber. Die
Bundesregierung unterstützt die Ausreise mit Rückkehrprogrammen. Hinzu
kommt eine unbekannte Zahl von Menschen, die Deutschland auf eigene Faust
in unbekannte Richtung verlassen.
## Aus dem Bett direkt zum Flughafen
Im Oktober hat die Bundesregierung das Asylrecht verschärft. Seitdem haben
einige Länder verstärkt begonnen, abgelehnte Asylsuchende heimzuschicken.
Und Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) hat angekündigt,
die Zahl der Abschiebungen aus seinem Land im nächsten Jahr deutlich
erhöhen zu wollen. Die freiwillige Rückkehr abgelehnter Asylbewerber sei
aber „für alle Beteiligten die bessere Lösung,“ so Jäger.
Ähnlich sieht das sein Amtskollege Boris Pistorius (SPD) in Niedersachsen.
Trotzdem wurden dort kürzlich 125 vom Balkan stammende Flüchtlinge aus
ihren Betten geholt und in Bussen zum Flughafen Hannover-Langenhagen
gebracht, bevor sie in Charterflugzeugen ausgeflogen wurden. Darunter
sollen sich auch Kinder befunden haben sowie Gebrechliche, die auf
Gehhilfen angewiesen sind. Andere seien mit Handschellen gefesselt gewesen.
Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Ernst Gottfried Mahrenholz (SPD) hat
diese aktuellen Abschiebungen scharf kritisiert. Dabei sei „auch ein Stück
Humanität abgeschoben worden,“ sagte Mahrenholz der Hannoverschen
Allgemeinen Zeitung. „Diese Familien waren hier verwurzelt. Ihre Kinder
waren hier geboren.“
21 Dec 2015
## LINKS
[1] http://www.facebook.com/sidomusik/posts/10153927918770466
[2] http://www.alle-bleiben.info/soli-konzert-freiheit-fuer-hikmet-alle-bleiben/
## AUTOREN
Daniel Bax
## TAGS
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