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# taz.de -- Bundesverfassungsgericht zu Samples: Zwei Sekunden Kraftwerk
> Produzent Moses Pelham streitet in Karlsruhe für die freie Verwendung von
> Samples. Ohne die ist HipHop nicht mehr möglich, sagt er.
Bild: Er ist kein Modell und er sieht nicht gut aus: Kraftwerk-Gründer Ralf H�…
KARLSRUHE taz | Dürfen „kleinste Tonfetzen“ frei gesampelt werden? Darüber
verhandelte am Mittwoch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Es geht
um die Abwägung von Kunstfreiheit und Eigentumsschutz.
Konkret ging es um den Song „Nur mir“ der Sängerin Sabrina Setlur aus dem
Jahr 1997. Dort hatte der Produzent Moses Pelham ein Sample aus dem
Kraftwerk-Stück „Metall auf Metall“ von 1977 eingebaut. Der Tonpartikel ist
zwar nur zwei Sekunden lang. Er läuft jedoch im gesamten Setlur-Song als
durchlaufender Beat.
Auf Klage von Kraftwerk-Gründer Ralf Hütter wird seit zehn Jahren vor
Gerichten darüber gestritten, ob Pelham das Sample, ohne zu fragen und ohne
zu bezahlen, nutzen durfte. Zuletzt entschied der Bundesgerichtshof (BGH)
gegen Pelham.
Auch für „kleinste Tonfetzen“ gelte das Leistungsschutzrecht der
Plattenfirmen. Solche Tonfetzen dürften nur ausnahmsweise frei verwendet
werden, wenn sie nicht „in gleichwertiger Weise“ nachgespielt werden
können. Im Fall des Kraftwerk-Beats wäre dies für einen durchschnittlichen
Musikproduzenten durchaus möglich gewesen.
## Keine inhaltliche Auseinandersetzung
Gegen das BGH-Urteil erhob Pelham Verfassungsbeschwerde, über die jetzt in
Karlsruhe verhandelt wurde. Die Kunstfreiheit umfasse auch die
Auseinandersetzung mit anderen Werken. Deshalb müsse die Verwendung von
Samples frei sein. „Sonst ist HipHop nicht mehr möglich“, sagte Pelham in
Karlsruhe.
Die Kraftwerk-Anwältin Ulrike Hundt-Neumann erwiderte: „Bei dem Setlur-Song
fand keinerlei inhaltliche Auseinandersetzung mit Kraftwerk statt, anfangs
wurde sogar bestritten, dass es sich um ein Kraftwerk-Sample handele.“
Technopionier Hütter erinnerte an das biblische Gebot: „Du sollst nicht
stehlen“ und bezeichnete Pelham als „Abzocker“.
Der Sachverständige Florian Sitzmann von der Mannheimer Popakademie sagte,
es gehöre zum Wesen des Genre HipHop, fremde Samples zu nutzen. Um die
Einsparung von Kosten gehe es eher in anderen Genres, etwa wenn sich
Schlagerproduzenten einen modernen Beat besorgen. Dies sei aber seltener
als der künstlerisch bewusste Einsatz von Samples.
## Geänderte Prozessstrategie
Vertreter der Musikwirtschaft erklärten, es sei mittlerweile üblich, dass
vor der Verwendung von Samples Lizenzen eingeholt werden. Dies solle auch
so bleiben. Dagegen unterstützte das Justizministerium die
Verfassungsbeschwerde: „Nach Auffassung der Bundesregierung sind kleinste
Tonfetzen nicht vom Leistungsschutzrecht umfasst“.
Am Nachmittag änderte Pelhams Anwalt zur Überraschung aller Beteiligten
seine Prozessstrategie. Wenn es sein muss, wäre Produzent Pelham doch
bereit, für die verwendete Tonsequenz eine „angemessene Vergütung“ an
Kraftwerk zu zahlen. Entscheidend sei für ihn, dass Hiphop-Künstler vor der
Verwendung eines Samples nicht um Erlaubnis fragen müssen.
Das Urteil wird erst in einigen Monaten verkündet. Möglicherweise wird der
Fall zuvor aber auch noch dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt, weil das
Urheberrecht seit 2002 europäisch harmonisiert ist.
26 Nov 2015
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Bundesverfassungsgericht
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Kraftwerk
Musik
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