| # taz.de -- Referendum in Hamburg: Wollen wir Olympia? | |
| > Dafür oder dagegen? Bei der Abstimmung über die Bewerbung um die Spiele | |
| > 2024 sind auch die Redakteure der taz.nord uneins. | |
| Bild: Bewirbt sich Hamburg um die Olympischen Spiele? Die Stadt stimmt ab | |
| ## Ja! | |
| Mit der Ausrichtung Olympischer Spiele könnte sich Hamburg mit einem Schlag | |
| weltweit bekannt machen und damit ganz Norddeutschland einen Schub geben. | |
| Wegen der Lage mitten in der Elbe wären es Spiele mit einem hohen | |
| Wiedererkennungswert – Spiele mit Gesicht. Sie brächten die Chance, in der | |
| Stadtentwicklung einen großen Schritt nach vorn zu tun. Und sie könnten | |
| zeigen, dass Deutschland trotz aller Bedenkenträgerei willens ist, | |
| international mitzuspielen. | |
| Hamburg hält sich gern für den Nabel der Welt. Doch schon in Frankreich | |
| wissen Viele nicht, wo diese Stadt liegt. Die Stadt ist wohlhabend. Doch | |
| ihr Wohlstand hängt wesentlich an einer Quelle: dem Hafen. Und dass die | |
| versiegen kann, zeigt sich gerade einmal wieder durch die Entwicklungen in | |
| Russland und China. | |
| Wenn Hamburg als „Global City“ reüssieren will, als ein Knoten im | |
| internationalen Netz der Forschung, der Geschäftslebens, der Kultur – dann | |
| muss die Stadt etwas dafür tun. Das fängt damit an, dass man sich | |
| international bekannt macht, was für eine deutsche Stadt nicht leicht ist, | |
| die eben nicht die Hauptstadt ist oder Laptop-und-Lederhosen-München. Die | |
| Ausrichtung der Spiele wäre eine Gelegenheit, Hamburgs Potenz zu zeigen und | |
| seine Schönheit. | |
| Wenn man mit Deutschen über Amerika, Dubai oder China spricht, schlägt | |
| einem ein erstaunliches Maß an Bewunderung entgegen: die Dynamik des | |
| Wachstums, die atemberaubenden Bauten, die Modernität – all das lässt | |
| Europa und gerade Deutschland bisweilen alt aussehen. Mit Spielen in | |
| Hamburg könnte Deutschland zeigen, dass es trotz seiner dezentralen | |
| Verfasstheit und seiner Ansprüche an eine umwelt- und bürgerfreundliche | |
| Planung solch ein Ereignis ausrichten kann. | |
| KritikerInnen halten den Plänen entgegen, die Spiele förderten die | |
| Gentrifizierung und nützten nur den Reichen. Tatsächlich böten sie eine | |
| Chance, die Stadt in ihrem Zentrum weiterzuentwickeln, die es ohne die | |
| Spiele wegen des Widerstands der Hafenwirtschaft und der hohen Kosten nicht | |
| gäbe. Das wäre nachhaltig, weil nicht auf der grünen Wiese, und würde zur | |
| Entspannung des Wohnungsmarktes beitragen. | |
| Es ist nichts dagegen einzuwenden, dass mit den Spielen Geld verdient wird. | |
| Irgendwoher müssen die Steuern für den Sozialstaat ja kommen. Und der | |
| Trickle-down-Effekt öffentlicher Investitionen ist ja eine linke Idee. | |
| Warum sollte sie bei Olympischen Spielen nicht funktionieren? Hamburg ist | |
| nicht London oder Paris, wo der Bär von allein brummt. Die Gefahr, dass | |
| hier die Lichter ausgehen, ist größer als die Gefahr, dass die Stadt an | |
| ihrem Boom erstickt. (Gernot Knödler) | |
| ## Nein! | |
| Ob wir Olympia wollen? Garantiert nicht! Dagegen spricht schon der | |
| Sportsgeist, der in mir schon immer eine Verweigerung auslöste. Das | |
| Schlimmste an diesem Sportsgeist ist, dass die mit ihm schwingende Denkart | |
| die Welt in Teamplayer und Spielverderber aufteilen will. Während sich | |
| Erstgenannte gegenseitig auf die Schulter klopfen und sich einreden, wie | |
| dufte sie sind, werden die anderen isoliert, ihre Sicht der Dinge lapidar | |
| abgetan. | |
| Hamburg, eine Stadt, in der man sich gern bestätigt, sie sei die schönste | |
| der Welt, zeigt sich in seiner Olympiaträumerei von seiner mickrigsten | |
| Seite: Mit der Begeisterung darüber, endlich einmal mit Weltstädten wie | |
| Paris und Los Angeles in einem Atemzug genannt zu werden, dokumentiert man | |
| nichts mehr als die eigene Provinzialität. | |
| Es ist das Erwartbare, das einen an einer Hamburger Olympiabewerbung | |
| besorgt: Auch – oder vielleicht gerade – wenn der grüne | |
| Stadtentwicklungssenator Jens Kerstan die Spiele einen „Motor für eine | |
| nachhaltige Stadtentwicklung“ im Hafen nennt, die Hamburg sich ohne Olympia | |
| nicht leisten könne, ist schwer vorstellbar, dass eine für die Austragung | |
| erforderliche Stadtentwicklung von oben in Hamburg nicht in erster Linie | |
| den Investoreninteressen dient und die Gentrifizierung befeuert. | |
| Weil das so ist, sind auch die Fronten in der Olympia-Frage klar: auf der | |
| einen Seite die Kritiker, die vor einem olympischen Albtraum warnen und | |
| bezweifeln, dass das Finanz- und Nachhaltigkeitskonzept des Senats Hand und | |
| Fuß hat, auf der anderen die Olympia-Fans und die Profiteure dieser | |
| Standortpolitik, die sich nun gern ins Gewand der Sportsfreunde kleiden. | |
| Die Marketing-Trommel zur Bewerbung wird also nur noch für die Blauäugigen | |
| und Unentschlossenen gerührt. | |
| Solche – als Sportgroßevents verkappten – Entwicklungsmaßnahmen von oben | |
| sind eine Zumutung. Vom Sicherheitsaufgebot über Säuberungsmaßnahmen bis | |
| hin zur Homogenisierung der Stadt für ein Image, das sich irgendwelche | |
| Markenspinner ausdenken. | |
| Sport ist sowieso nur Mittel zum Zweck. Da ist es fast schon konsequent, | |
| wenn der rot-grüne Senat immer wieder durchblicken lässt, dass mit den | |
| Olympischen Spielen vor allem Stadtentwicklung und Stadtmarketing betrieben | |
| werden soll. | |
| Allen, die das als Spielverderberei verunglimpfen, sei gesagt: Meinetwegen | |
| können die Olympischen Spiele dort stattfinden, wo sie hingehören: im | |
| Fernsehen – aber bitte nicht vor meiner Haustür. Das wäre immerhin ein Ort, | |
| wo man wirklich die Option hat, Olympia abzuschalten. (Lena Kaiser) | |
| 26 Nov 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Lena Kaiser | |
| Gernot Knödler | |
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