# taz.de -- Hamburgs Bewerbung für Olympia 2024: Das Vademecum zum Votum | |
> Bis Sonntag läuft das Referendum über die Bewerbung der Hansestadt für | |
> die Spiele in 2024. Worum geht es eigentlich genau? | |
Bild: Das Logo der Olympia-Initiative „Feuer und Flamme für Hamburg“ auf d… | |
Wie ist die Stimmungslage vor dem Olympiareferendum in Hamburg? | |
Die Euphorie in Hamburg nimmt ab. Nach einer repräsentativen Forsa-Umfrage | |
im Auftrag des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) vom 19. November | |
sprechen sich 56 Prozent der Bürger für die Bewerbung aus – sieben | |
Prozentpunkte weniger als im September. Kurz vor [1][der Entscheidung des | |
DOSB im März für Hamburg] als Bewerberstadt für die Sommerspiele 2024 | |
hatten sich noch 64 Prozent für Olympia entschieden – ein Faustpfand im | |
damaligen Duell mit Berlin. | |
[2][Die Befragung in Hamburg war vom 28. Oktober bis 4. November erfolgt] – | |
also vor den Terroranschlägen in Paris und nach Beginn der Affäre rund um | |
die Fußball-WM 2006. Die Zustimmung der Bundesbürger für Olympische Spiele | |
2024 in Hamburg ist hingegen nach den Terroranschlägen in Paris gestiegen. | |
64 Prozent der Deutschen sind nach einer weiteren repräsentativen | |
Forsa-Erhebung vom 16. bis 18. November dafür, dass Hamburg sich um das | |
Sportfest bewirbt. Das sind vier Prozent mehr als bei der vorherigen | |
Umfrage zwei Wochen vorher. | |
Beim bis Sonntag laufenden Referendum haben bereits mehr als 550.000 | |
Menschen per Briefwahl abgestimmt. Dieser Wert liegt schon höher als beim | |
Volksentscheid zur Primarschule 2010. Beobachter gehen davon aus, dass die | |
Marke von 50 Prozent oder 750.000 Abstimmenden übertroffen wird. | |
Mit welchen Argumenten und mit welchen Mitteln versuchen Olympiabefürworter | |
und Gegner das Referendum zu gewinnen? | |
Der rot-grüne Senat und alle Parteien außer der Linken sprechen sich für | |
Olympische Spiele in Hamburg und Kiel aus, ebenso die Wirtschaft, alle | |
Sportvereine (außer dem FC St. Pauli) und die vier norddeutschen | |
Nachbarländer, die von den Spielen ebenfalls zu profitieren hoffen. Das | |
Finanzkonzept sieht Kosten von 11,2 Milliarden Euro bei Erlösen von 3,8 | |
Milliarden Euro vor. Für die öffentliche Hand verbleiben Kosten von 7,4 | |
Milliarden Euro, von denen der Bund 6,2 Milliarden tragen soll. | |
Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) verspricht, dass der Hamburger Anteil bei | |
1,2 Milliarden Euro gedeckelt wird. | |
Die Kritiker aus dem Bündnis NOlympia halten die Finanzpläne für unseriös | |
und sagen eine massive Erhöhung der Kosten voraus, weil das bislang bei | |
allen Olympischen Spielen so gewesen sei. Zudem bezweifeln sie die | |
Nachhaltigkeit der Spiele, weil zum Beispiel die Nachnutzung des | |
Olympiastadions noch unklar ist. Die Stadt solle lieber in Turnhallen für | |
den Breitensport investieren, so die Kritik. Und drittens würden – gerade | |
nach den Attentaten von Paris – die Kosten für die öffentliche Sicherheit | |
drastisch steigen, die Stadt würde für Monate zum Hochsicherheitstrakt | |
gemacht werden. | |
Wie sieht es mit der Finanzierung der Spiele aus? | |
Von der „am besten durchgerechneten Bewerbung“ der Geschichte der | |
Olympischen Spiele spricht Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz. Die | |
deutschen Steuerzahler sollen 7,4 Milliarden Euro bezahlen. Davon sollen | |
1,2 Milliarden Euro auf die Hamburger entfallen, den Rest müsste der Bund | |
tragen. Ein Problem des angeblich so gut durchdachten Zahlenwerks: Der Bund | |
hat bis heute eine Zusage verweigert, die ihm zugewiesenen Kosten zu | |
tragen. | |
Zudem machte der Hamburger Rechnungshof darauf aufmerksam, dass bis zum | |
Zeitpunkt des Referendums sowieso „keine tragfähige Ermittlung der Kosten“ | |
möglich sei. Die Hamburger wüssten bei ihrer Abstimmung nicht, welche | |
Risiken sie eingingen. | |
Nach den Terroranschlägen von Paris wird auch vielfach moniert, die | |
Sicherheitskosten seien mit knapp 500 Millionen Euro viel zu gering | |
veranschlagt. Bei den Sommerspielen 2012 in London wurden 1,7 Milliarden | |
Euro für diesen Posten ausgegeben. | |
Wie stehen die Chancen von Hamburg im internationalen Vergleich? | |
Mit der Reformagenda 2020 will das Internationale Olympische Komitee (IOC) | |
die Entwicklung der letzten Jahrzehnte stoppen, immer noch gigantischere | |
Olympische Spiele zu veranstalten. Angesichts dieser Maßgabe ist das | |
vergleichsweise kleine Hamburg im Wettstreit mit den großen Konkurrenten | |
Los Angeles, Paris und Rom durchaus konkurrenzfähig. Auch Budapest bewirbt | |
sich für die Sommerspiele 2024. | |
Für Hamburg spricht zudem das Sportstättenkonzept der kurzen Wege. Die | |
meisten Wettkämpfe sollen zentral auf der Elbinsel Kleiner Grasbrook | |
ausgetragen werden. Neubauten sollen entweder rückbaubar sein oder | |
nachhaltig genutzt werden. Gegen Hamburg und die anderen europäischen | |
Bewerber spricht, dass mit London 2012 vor nicht allzu langer Zeit ein | |
europäischer olympischer Gastgeber ausgewählt wurde. | |
Die finanzkräftige Sportnation USA ist dagegen seit den Sommerspielen von | |
Atlanta 1996 diverse Male verprellt worden. Der größte Fernsehvertrag der | |
Olympiageschichte (7,75 Milliarden Dollar) zwischen dem US-amerikanischen | |
TV-Giganten NBC und dem IOC dürfte obendrein die Position von Los Angeles | |
stärken. Mit viel höheren Zustimmungsquoten als Hamburg können Los Angeles | |
(über 80 Prozent) und Paris (über 70 Prozent) gleichermaßen punkten. | |
Worauf lässt sich Hamburg im sogenannten Host-City-Vertrag mit dem IOC ein? | |
Der Host-City-Vertrag, von Kritikern gern auch Knebelvertrag genannt, | |
regelt jedes noch so kleine Detail. Vertragspartner sind die jeweiligen | |
Ausrichterstädte der Olympischen Spiele und das IOC. Der von Hamburg zu | |
unterschreibende Kontrakt für 2024 ist ein 464 Seiten starkes Dokument. Für | |
die dort aufgeführten Verpflichtungen haften allein das lokale | |
Organisationskomitee, die Stadt Hamburg und der Deutsche Olympische | |
Sportbund. | |
Das IOC dagegen wird namentlich nicht aufgeführt. Sprich: Für unerwartete | |
Mehrkosten könnte das IOC auch die Stadt Hamburg haftbar machen, die ihren | |
Bürgern versprochen hat, bestimmte Ausgaben nicht überschreiten zu wollen. | |
Mit der Unterzeichnung tolerieren die Olympiabefürworter auch die | |
Einschränkung von Grundrechten wie der Versammlungsfreiheit. | |
Im Host-City-Vertrag steht: „Ohne schriftliche Erlaubnis des IOC darf | |
während der Spiele und eine Woche davor und danach keine öffentliche oder | |
private Versammlung oder Konferenz stattfinden, die die Spiele [...] | |
beeinträchtigen könnten“ (Paragraf 14a). Außerdem sichert sich das IOC | |
steuerrechtliche Ausnahmeregelungen zu, die es vor Abgaben an den | |
Gastgeberstaat schützen. „Die Steuergesetzgebung des Landes soll angepasst | |
werden“, heißt es recht blumig in Paragraf 22 des Host-City-Vertrags. | |
Kurzum: Das IOC minimiert weiterhin seine Risiken und maximiert seine | |
Gewinne. | |
Was würde eine Mehrheit für oder gegen die Spiele bedeuten? | |
Nachdem bereits die Bewerbung für die Winterspiele 2022 in München am Votum | |
der Bürger gescheitert ist, würde nach einer Abstimmungsniederlage in | |
Hamburg vermutlich kaum noch jemand in Deutschland sich um die Ausrichtung | |
eines derartigen sportlichen Großereignisses bemühen. Es sei denn, man | |
schaffte diese Befragungen ab. Selbst ein Erfolg der Olympiabefürworter, | |
der nur knapp über 50 Prozent läge, dürfte Hamburg kaum genügen. Hamburgs | |
Konkurrenten können nach Umfrageergebnissen mit deutlich höheren | |
Zustimmungswerten in der Bevölkerung aufwarten. | |
Trotzdem würden die Deutschen sich bei einem wie auch immer gearteten | |
positiven Referendumsergebnis im Sommer 2017 auf der IOC-Session in Peru | |
für die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2024 bewerben. Das | |
Bewerbungsverfahren für diese Sitzung gewann übrigens Lima gegen Helsinki. | |
In dem kleinen Wettkampf hoben die Peruaner in ihrer Präsentation die | |
Luxushotels hervor, in welchen die IOC-Mitglieder unterkommen sollen. | |
27 Nov 2015 | |
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## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
Sven-Michael Veit | |
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