# taz.de -- Olympia: Der Preis der Sicherheit | |
> Der Hamburger Senat hält nach den Terrorattacken von Paris an der | |
> Bewerbung für 2024 fest. Debatte um Sicherheitsvorkehrungen entbrennt. | |
Bild: Mehr geht nicht: Olympia in London 2012 wurde auch aus der Luft überwacht | |
HAMBURG taz | Nach den Terroranschlägen von Paris werben der Hamburger | |
Senat und der Deutsche Olympischer Sportbund mehr denn je für die Bewerbung | |
um die Olympischen Spiele 2024. Hamburgs Innensenator Michael Neumann (SPD) | |
sagte: „Wir müssen dem Terror ins Gesicht lachen.“ Auch Hamburgs | |
Polizeipräsident Ralf Meyer erklärte in einem Interview mit der Hamburger | |
Morgenpost: „Jetzt erst recht!“ Eine „freiheitliche Gesellschaft wie die | |
unsere“ müsse sich „deutlicher denn je zu Olympia bekennen“. | |
Eine Aufstockung des Sicherheitsetats ist für den Hamburger Senat indes | |
kein Thema. „Es gilt, was wir immer gesagt haben: Die Sicherheitslage des | |
Jahres 2024 können die Experten erst Anfang der 20er realistisch bewerten“, | |
sagte Hamburgs Sportstaatsrat Christoph Holstein am Sonntagabend im | |
NDR-Fernsehen. Das Ausmaß der Sicherheitsvorkehrungen, die für die | |
Sommerspiele 2024 getroffen werden müssten, lasse sich derzeit nicht | |
definieren. | |
Der Sicherheits-Experte Kai Hirschmann vom Institut für Krisenprävention in | |
Essen (Iftus) hält die Idee einer vollkommenen Sicherheit ohnehin nicht für | |
realistisch. Besonders solche kleinen Anschläge wie in Paris seien für | |
Sicherheitsbehörden nicht verhinderbar. „Bei einer so großen Menschenmenge | |
kann man darauf kein Sicherheitskonzept abstellen“, sagt Hirschmann. | |
Die Anschläge in Paris hätten daher aus seiner Sicht keine Auswirkungen auf | |
das Sicherheitskonzept für Olympia in Hamburg. „Paris war kein | |
überraschendes Ereignis, sondern ein Glied in einer längeren Kette von | |
Anschlägen.“ Er verweist auf die vergangenen Attacken auf Charlie Hebdo, in | |
Brüssel oder Kopenhagen – die Bedrohung sei bekannt. „Große Sportereignis… | |
müssen mit solchen Störungen umgehen“, findet Hirschmann. Und die Behörden | |
müssten sich Gedanken zur Terrorabwehr schon vor dem Anschlag gemacht | |
haben. | |
Sicherheitsmaßnahmen auszuweiten habe auch seine Grenzen: Bei den | |
vergangenen Olympiaden in London oder Sotschi seien alle verfügbaren Kräfte | |
eingesetzt worden. „Das ist nicht mehr steigerbar“, urteilt Hirschmann. | |
In London lagen die Kosten für die Sicherheit bei rund einer Milliarde | |
Euro, in Sotschi bei zwei bis drei Milliarden US-Dollar. In der Hamburger | |
Olympia-Bewerbung ist der Posten „öffentliche Sicherheit“ dagegen mit 461 | |
Millionen Euro ausgewiesen. | |
Für Dennis Pauschinger, Soziologe am Hamburger Institut für Kriminologie, | |
ist dies „sehr wenig“. Pauschinger promoviert über globale | |
Sicherheitsstandards bei Sportgroßveranstaltungen. Er hält | |
Kostenschätzungen, die von der Polizei stammen sollen, für realistischer: | |
Laut Presseberichten gehen die Behörden intern von Sicherheitsausgaben von | |
1,38 Milliarden Euro aus. Hamburgs Innensenator Michael Neumann (SPD) hatte | |
die Zahlen dementiert. | |
Pauschinger allerdings nennt es „auffällig“, dass im Finanzkonzept nur an | |
einer Stelle Terrorismusabwehr vorkomme, obwohl Anti-Terror-Maßnahmen in | |
den letzten Jahren zu einem „Kernbestand“ von sportlichen Großereignissen | |
geworden seien. | |
Im Finanzkonzept hat die Stadt die Angaben zum finanziellen Aufwand an den | |
Erfahrungen während der Fußball-WM 2006 bemessen und geht von | |
„grundsätzlich friedlich verlaufenden Spielen 2024“ aus. Gleichwohl sei | |
„eine latente Bedrohungslage durch terroristische Gewalttäter“ zu | |
berücksichtigen. | |
Pauschinger übt daran scharfe Kritik: „Es macht den Anschein, dass der | |
Senat Sicherheitsmaßnahmen bisher nicht mit einbezogen hat, die | |
international bei solchen Veranstaltungen Standard geworden sind.“ Er | |
vermute, der Senat habe die Kosten vor der Volksbefragung geringer schätzen | |
wollen. Im Vergleich etwa mit den Olympischen Spielen in London 2012 fielen | |
die einberechneten Personalkosten sehr gering aus. In London sei massive | |
Überwachungstechnik eingesetzt und es seien militärische Maßnahmen im | |
Inland durchgeführt worden – inklusive einer temporäre Privatisierung des | |
öffentlichen Raums, Infrarotkameras an Hubschraubern und automatisierter | |
Gesichtserkennungstechnik. | |
Der Hamburger Senat hatte erklärt, man wolle auf umfangreiche | |
Überwachungsmaßnahmen verzichten. Sicherheitsexperte Pauschinger dagegen | |
rechnet mit einer deutlichen Einschränkung von Freiheits- und | |
Bewegungsrechten. „Bei solchen Großveranstaltungen neigen Regierungen | |
schnell dazu, totale Sicherheit gewährleisten zu wollen“, warnt er. | |
Mit Material von der DPA | |
16 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Morten Luchtmann | |
Jean-Philipp Baeck | |
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