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# taz.de -- Letzter Teil der „Tribute von Panem“: Mit Propos gegen den Dikt…
> Die „Tribute von Panem“-Reihe gilt als fortschrittlichste im
> Fantasy-Genre. Dennoch muss die Heldin beim Tyrannenmord gut aussehen.
Bild: Jennifer Lawrence als Katniss in „Die Tribute von Panem – Mockingjay …
Die Zeiten waren in vielerlei Hinsicht andere, als vor drei Jahren der
erste Teil der „Hunger Games“ in die Kinos kam. Damals, im Frühjahr 2012,
standen die „Tribute von Panem“ noch ganz im Schatten einer anderen
Verfilmung aus dem meist noch spöttisch belächelten Segment der „Young
Adult“-Literatur: der „Twilight“-Serie.
Doch inzwischen hat sich nicht nur das Literaturgenre „YA“ dank Autoren wie
John Green in der Achtung der Kritiker hochgearbeitet, ausgerechnet das
„Hunger Games“-Franchise hat sich den Ruf erobert, sowohl das kassenmäßig
erfolgreichste als auch das fortschrittlichste seiner Art zu sein.
Der interessante Aspekt dieser Fortschrittlichkeit besteht nun darin, dass
sie sich nicht nur auf den Inhalt bezieht. Die „Hunger Games“, so sagt man
zumindest, handeln nicht nur von einem Aufstand gegen eine Diktatur, sie
stellen selbst eine Rebellion dar – gegen Hollywood und seinen Sexismus und
Rassismus.
So schließt das Ensemble der „Hunger Games“ mit Philip Seymour Hoffman
einen Verstorbenen mit ein (dessen geistesabwesender Auftritt Wehmut
aufkommen lässt) und ist, was Hautfarben anbelangt, auf „Vereinigte Farben
von Benetton“-Niveau. Aber wie üblich sind die Hauptrollen dann doch davon
ausgenommen.
Bleibt die Frage nach der weiblichen Heldin. Auch im vierten und letzten
Teil geht es weniger um die Frage, ob [1][Katniss Everdeen], so der Name
der Figur, endlich der Tyrannenmord gelingen wird, sondern darum, wie sie
dabei aussieht. Ganz im Ernst. Wird ihr erneut die Gratwanderung gelingen,
nämlich einerseits mit den Männern gleichzuziehen und andererseits alles
anders zu machen und sich etwas von der romantischen Mädchenhaftigkeit
einer „Twilight“-Hauptfigur bewahren?
## Telegene Anführerin
Man könnte es fast ironisch nennen, dass eine ähnliche Überforderung auch
den Hauptkonflikt der Filmfigur Katniss bildet. Denn der Clou der
Romanvorlage von Suzanne Collins besteht darin, dass Katniss nicht nur
flink mit dem Bogen umgehen kann, eine gute Wettkampfstrategin und immer
bessere Anführerin ist, sondern dass sie sich als so fürchterlich telegen
erweist.
Auch in der dystopischen Castingshow-Gesellschaft von Panem kommt sie
einfach gut rüber. Im ersten Teil will sich das noch Diktator Snow (ein
wölfisch grinsender Donald Sutherland) zunutze machen, aber als Katniss zu
den Rebellen unter Anführerin Alma Coin (Julianne Moor im
Eisköniginnen-Modus) überläuft, wird sie, statt tatsächlich selbst zu
kämpfen, zu verschiedenen Fronten geflogen, um dort „Propos“,
Propagandavideos zu drehen, die die Unterdrückten der Distrikte zum
Aufstand bewegen sollen – sie hat grandiosen Erfolg.
Weshalb im vierten Teil es für die Rebellen nur doch darum geht, die
Hauptstadt zu erobern und den Diktator abzusetzen. Letzteres will Katniss
unbedingt selbst in die Hand nehmen. Und eben nicht nur so tun, als ob.
Der Kampf um „The Capitol“ ist dabei visuell ausreichend beeindruckend.
Trotz temporeicher Action aber liegt eine Aura des Getragenen über dem
Ganzen. Es ist ein bisschen so, als ob Katniss mit ihrem notorisch
schlechten Gewissen darüber, vielleicht für die falsche Seite das
Poster-Girl gespielt zu haben, und all dem mütterlichen Schmerz um die
Opfer und Mitkämpfer, die sie um sich herum fallen sieht, die Handlung
schwer verlangsamt. Vielleicht will sie ja nur das „Happ End“ hinauszögern,
das unsere „neue“ Heldin in so ziemlich der altmodischsten, wenn nicht
sogar reaktionärsten Idylle zeigt: auf grüner Wiese mit lächelndem Mann und
geradezu unheimlich blondgelockten Kindern.
19 Nov 2015
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## AUTOREN
Barbara Schweizerhof
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