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# taz.de -- Bedrohter Journalist über Rechte: „Ich bin kein Einzelfall“
> Der Dortmunder Journalist Peter Bandermann wird von Rechtsextremen
> bedroht. Er sagt, man könne nicht so tun, als gäbe es kein Naziproblem in
> der Stadt.
Bild: Wurde im November 2015 vom Verband Deutscher Zeitungsverleger ausgezeichn…
taz: Herr Bandermann, wie begannen die Nachstellungen?
Peter Banderman: Im November 2014 ist mein Name auf einer Neonazi-Liste im
Internet aufgetaucht. Auf der Liste standen insgesamt zehn Personen, die
potenziell geeignet sein sollten, dass man vor ihrer Haustür demonstriert.
Wir wurden zu Volksverrätern erklärt, ich wurde als Repräsentant der
Lügenpresse diffamiert.
Die Polizei hat mit einer Verbotsverfügung die Demonstration abgewendet. Es
gab dann aber eine Farbattacke auf Ihr Haus.
Kurz vor dem geplanten Demonstrationstermin wurden in meiner Nachbarschaft
Flugblätter verteilt, meine Nachbarn sollten informiert werden, wer da
unter ihnen wohnt. Im Internet wurde dazu aufgerufen, mich privat zu
besuchen, meine Anschrift wurde veröffentlicht. Mit der Folge, dass in der
Nacht zum zweiten Weihnachtstag unbekannte Personen unser Haus mit
schwarz-roter Farbe beworfen haben.
Im Februar dieses Jahres erschien dann im Internet eine Todesanzeige mit
Ihrem Namen.
Das war eine neue Dimension. Betroffen von diesen Todesanzeigen war
allerdings nicht ich allein, sondern mit mir vier weitere Dortmunder
Journalisten, die über Rechtsextremismus intensiv berichten. Ich bin also
kein Einzelfall. Eine hohe zweistellige Zahl von Personen wird in Dortmund
von Nazis bedroht – vom Antifa-Aktivisten bis hin zum Oberbürgermeister.
Wir haben uns in dieser Stadt leider schon an Nachstellungen gewöhnt.
Konnten Sie die Todesanzeigen im Internet löschen lassen?
Ich habe sofort Facebook und Twitter angeschrieben. Die Unternehmen haben
sich geweigert, die Anzeigen zu löschen, da sie einen strafrechtlichen
Hintergrund nicht erkennen konnten oder wollten. Das war sehr ärgerlich.
Diese Anzeigen haben sich dann aber medial sowieso rasant verbreitet, ihr
Umlauf war nicht mehr zu stoppen.
Anonyme Anrufe, Nachstellungen und Nazi-Post gehören mittlerweile zu Ihrem
Alltag. Immer wieder haben Sie die Polizei eingeschaltet. Die
Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen, aber inzwischen
eingestellt mit der Begründung, es gebe keine „schwerwiegende
Beeinträchtigung Ihrer Lebensgestaltung“. Können Sie das nachvollziehen?
Die Justiz entscheidet unabhängig, das akzeptiere ich. Ich verstehe
allerdings die Begründung nicht. In Dortmund gab es zwischen 2000 und 2006
fünf Todesopfer rechter Gewalt, jährlich verüben Rechtsextreme schwere
Angriffe. Als Bürger erwarte ich, dass die Justiz darauf eine Antwort
findet. Wir können nicht so tun, als gäbe es kein Naziproblem in unserer
Stadt.
Es gibt verschiedene Initiativen, den Opferschutz zu stärken. Unter anderem
fordert die CDU im Landtag, dass Opfer nicht unbedingt Wohnort oder Beruf
wechseln müssen, um nachzuweisen, dass Nachstellungen ihnen zusetzen. Würde
Ihnen eine solche Änderung des Stalkingparagrafen helfen?
Ich finde es grundsätzlich gut, den Opferschutz zu stärken. Dass das in
meinem Fall helfen würde, bezweifle ich aber. Nazis lesen Gesetzestexte und
es gelingt ihnen immer wieder, sich haarscharf am Strafgesetzbuch
vorbeizumogeln. Die subtile Bedrohung durch sie wird sich immer ihren Weg
suchen. Journalisten werden ja auf Pegida-Demonstrationen zu Freiwild
erklärt, jeder, der über Rechtsextremismus berichtet, muss sich um seine
Sicherheit sorgen.
Vor einigen Jahren wurde eine Familie in Dortmund-Dorstfeld so lange von
Neonazis bedroht, bis sie die Stadt verließ. Auch Sie haben Familie. Haben
Sie sich nie überlegt, auch einfach wegzuziehen?
Diese Überlegung gab es nie. Meine Frau sagt: Lass‘ Dich nicht
unterkriegen. Meine Tochter beobachtet die Ereignisse sehr genau, und nach
den Neonazi-Angriffen in Heidenau hat sie zu mir gesagt: Ihr Journalisten
dürft eure Laptops jetzt nicht zuklappen. Wir haben den Auftrag, sorgfältig
zu recherchieren und die Pressefreiheit zu wahren. Das hat mein 17-jähriges
Mädchen erkannt.
12 Nov 2015
## AUTOREN
Claudia Hennen
## TAGS
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Journalismus
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