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# taz.de -- Neuer DJV-Chef über Journalisten: „Die Polizei ist überfordert�…
> Bei Demos ist die Pressefreiheit in Gefahr, mahnt der neue Vorsitzende
> der Journalistengewerkschaft DJV, Frank Überall.
Bild: Die Polizei muss bei Demos auch Journalisten schützen, sagt Überall.
taz: Herr Überall, man hat das ja lange nicht für möglich gehalten:
Journalisten haben in Deutschland Angst, manch einer so sehr, dass er sich
versteckt. Neulich ist ein Kollege vom Tagesspiegel niedergeschlagen
worden. Eine Korrespondentin des Deutschlandradios, die viel über die
„Lügenpresse“-Bewegung berichtet, hat 3sat darum gebeten, nicht ihr
Redaktionsgebäude zu zeigen. Was wollen Sie tun?
Frank Überall: Das wird der Schwerpunkt meiner ersten Wochen,
wahrscheinlich auch Monate werden. Mich treibt das wirklich um. Ich
berichte seit 20 Jahren über rechtsextreme Aufmärsche und habe mich nie so
unwohl gefühlt wie jetzt. Mir wurde selbst schon das Mikrofon aus der Hand
geschlagen. Das muss ich ein Stück weit erst noch verdauen. Wir brauchen
eine Aufmerksamkeitskultur – bei Politikern, aber eben auch vor allem bei
der Polizei, die auch ein Stück weit überfordert ist. Wir müssen da einfach
klar in ein Gespräch kommen und deutlich machen, was unsere Aufgabe für die
Gesellschaft ist und dass wir in der Lage sein müssen, diese Aufgabe eben
auch anständig auszuüben.
Kollegen berichten bisweilen, dass die Polizei sie wegschickt. Ist der
Journalismus inzwischen in der Defensive?
Ja – und es kann überhaupt nicht sein, dass die Polizei jemanden
wegschickt, weil sie meinen, die Sicherheit nicht mehr garantieren zu
können. Wenn ein Atomkraftwerk gerade brennt und Gefahr im Verzug ist, dann
kann man so etwas machen, aber doch nicht bei planbaren Demonstrationen mit
erwartbaren Ausschreitungen. Die Polizei muss neben dem Grundrecht auf
Versammlungsfreiheit auch das Grundrecht der Pressefreiheit durchsetzen.
Und das heißt auch, die Personen zu schützen.
Braucht der DJV eine Abteilung „Personenschutz“?
Hoffentlich nicht, auch wenn mir klar ist, dass ich mich mit diesem Thema
weit rauswage und dass es unter Umständen auch Anfeindungen geben kann –
also allemal im Internet, aber möglicherweise auch bei solchen Terminen.
Wir müssen aber auch deutlich machen: Wir verstecken uns nicht. Wir sind
präsent, und wir werden auch weiter berichten.
Der DJV hat in den vergangenen Jahren deutlich Mitglieder verloren. Ist Ihr
Verband eigentlich noch die Stimme der Journalisten in Deutschland?
Na ja, wir könnten jetzt Zahlen-Mimikry betreiben. Mit 35.000 Mitglieder
sind wir aber immer noch recht stark und auch stärker als alle anderen in
Deutschland – ich glaube sogar als alle anderen Journalistenverbände in
Europa. Und natürlich werde ich alles daransetzen, uns noch ein bisschen
stärker zu machen.
Stichwort „Organisationsgrad“: Journalisten sind gewerkschaftsfaul, wenn
nicht gar Gewerkschaftsverweigerer, oder?
Ja, in der Tat. Journalisten arbeiten heute oft als Freiberufler, und die
mögen den Sinn einer Gewerkschaft zum Teil noch nicht richtig erkennen.
Rechtsschutz beispielsweise ist wichtig, aber auch Tarifverträge, die es
zum Teil ja auch für freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt. Vielen
ist gar nicht so bewusst, was wir da eigentlich leisten. Das müssen wir
stärker kommunizieren. Diese Faulheit, sich zu organisieren, stört mich an
unserer Branche. Für manchen ist es aber auch schwierig, sich für die
eigenen Interessen einzusetzen. Man soll ja unabhängig und distanziert
berichten. Aber das Einzige, was gegen dramatische Situationen in den
Medienhäusern hilft, ist Solidarität: Wir müssen uns zusammenschließen.
Hat der DJV in den vergangenen Jahrzehnten nicht vielleicht auch selbst
seine Position geschwächt? Er nimmt immerhin auch Pressesprecher auf, die –
anders als Journalisten – im Zweifel lügen oder Informationen zurückhalten
müssen.
Also, das weise ich wirklich zurück: Pressesprecher haben nicht die Aufgabe
zu lügen. Das glaube ich einfach nicht.
Aber sie arbeiten nicht im Sinne der Öffentlichkeit, sondern im Sinne eines
Unternehmens oder einer Verwaltung, oder?
Das ist richtig. Aber zugrunde liegt das journalistische Handwerk. Sie sind
also Journalistinnen und Journalisten, die das Handwerk eben anders
einsetzen.
Pressesprecher sind also Journalisten in Unternehmen und Verwaltung?
Ja, natürlich. Für mich sind Pressemitteilungen aber allenfalls der Beginn
einer Recherche. Und da habe ich sehr gern – das sage ich ganz bewusst so –
Kolleginnen und Kollegen, Journalistinnen und Journalisten in den
Pressestellen sitzen, die eben für mich im Unternehmen recherchieren und
die mir aufrichtig Auskunft geben.
Sie haben ja zuletzt – neben Spiegel Online und taz – auch für den
WDR-Hörfunk aus Köln berichtet. Wird man Ihre Stimme denn jetzt noch hören?
Die Termine der Kölner Stadtratssitzungen halte ich mir weiter frei. Und
wenn mal ein Wahlabend ist, der Köln tangiert, dann werde ich auch
weiterhin mit einem Ü-Wagen vor Ort sein. Ansonsten werde ich das machen,
was ich sowieso immer sehr gerne mache: investigativ recherchieren,
Radiofeatures. Das werde ich nicht ganz sein lassen. Man wird mich nicht
mehr ganz so oft als Reporter hören, aber dafür hin und wieder als
DJV-Vorsitzender.
21 Nov 2015
## AUTOREN
Daniel Bouhs
## TAGS
Journalist
DJV
Schwerpunkt Pressefreiheit
Demonstrationen
Dortmund
Tagesspiegel
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