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# taz.de -- Krise in Burundi: Angst vor massiver Gewalt
> Ein Ultimatum des Präsidenten an die Opposition und eine hasserfüllte
> Drohrede des Senatspräsidenten rufen die UNO auf den Plan.
Bild: 25. Mai, Bujumbura: Sicherheitskräfte gegen Opposition. Bald wird es noc…
BERLIN taz | Der UN-Sicherheitsrat wird am Montag zu einer
Dringlichkeitssitzung über die Lage in Burundi zusammengetreten, wo die
Sorge vor einem massiven Gewalteinsatz gegen Regierungsgegner ab dem
Wochenende zunimmt. Am Samstag läuft ein Ultimatum des Präsidenten Pierre
Nkurunziza an bewaffnete Regierungsgegner ab, die Waffen niederzulegen oder
gnadenlos verfolgt zu werden.
Nachdem ohnehin schon jeden Morgen die Bewohner oppositionelle
Stadtvierteln von Bujumbura Leichen hingerichteter Folteropfer finden,
haben viele nun Angst vor einem Terrorfeldzug der Polizei und
regierungstreuer Milizen. Am Freitag ergriffen zahlreiche Bewohner von
Stadtteilen wie Cibitoke und Mutakura vorsorglich die Flucht.
„Die Nachrichten aus Burundi beunruhigen mich sehr“, erklärte
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD): „Immer weiter
eskalierende Gewalt und hasserfüllte Äußerungen verantwortlicher Politiker
in Bujumbura bergen das Risiko einer völligen Destabilisierung. Die Lage
weckt schlimmste Erinnerungen an schreckliche Bürgerkriege und Massaker.“
Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion erklärte deren außenpolitischer Sprecher
Jürgen Hardt: „Die stetig zunehmende Waffengewalt, die hohe Zahl der Morde,
die massiven Einschränkungen bürgerlicher Freiheiten, die Verschleppung
politischer Gegner und die willkürlichen Verhaftungen in Burundi sind
Anlass zu großer Sorge. Beunruhigend ist auch, dass die Regierung
gleichwohl alle Angebote zur Vermittlung ablehnt.“
Beide deutschen Politiker forderten wie zuvor bereits die Afrikanische
Union (AU) und die EU Maßnahmen der UNO. Im Gespräch sind bisher
Sanktionen. Ostafrikanische Nachbarländer Burundis haben allerdings in der
Vergangenheit auch ein militärisches Eingreifen ins Spiel gebracht.
## Monatelange Krise
Burundi steckt in einer tiefen Krise, seit Präsident Pierre Nkurunziza im
Mai Massenproteste und einen Putschversuch brutal niederschlug und sich im
Juli für eine verfassungswidrige dritte Amtszeit wählen ließ. Teile der
Armee und der politischen Opposition sind in den Untergrund gegangen, über
200.000 Menschen sind aus Burundi geflohen.
Jeden Tag werden aus Bujumbura Tote gemeldet, immer häufiger kommt es auch
in verschiedenen Landesteilen zu Auseinandersetzungen zwischen
regierungstreuen Sicherheitskräften und unbekannten Rebellen.
Am vergangenen Montag hatte Präsident Nkurunziza in einer Rede an die
Nation erklärt, 92 Prozent der „Arbeit“ der Sicherheitskräfte zur
Wiederherstellung der Sicherheit sei abgeschlossen. Es seien 139 Waffen,
151 Sprengsätze, 7.151 Stück Munition und 151 Zünder sichergestellt worden.
Wer nicht bis Samstag seine Waffen abgebe, werde „unter den
Anti-Terror-Gesetzen bestraft und als Feind der Nation angesehen“.
## „Ihr werdet den Unterschied merken“
Ab Sonntag 8. November, so der Präsident weiter, seien die
Sicherheitskräfte „bevollmächtigt, alle Mittel zu ihrer Verfügung
einzusetzen, um die vollständige Sicherheit wiederherzustellen“. Die
Operation solle bis Ende November dauern.
Für große Angst sorgte diese Rede, weil wenige Tage zuvor, am 30. Oktober,
Senatspräsident Révérien Ndikuriyo sich sehr viel expliziter geäußert
hatte. Vor Stadtteilverwaltern in Bujumbura rief Ndikuriyo, selbst ein
ehemaliger Untergrundkämpfer der heute in Burundi regierenden ehemaligen
Hutu-Rebellen, an die Adresse mutmaßlicher Rebellen gerichtet: „Wenn ihr in
den Stadtvierteln Unruhe stiftet, werden es eure Stadtviertel sein, wo
alles endet und jeder Versuch zunichtegemacht wird. Am Tag, wo der Befehl
zum Arbeiten erteilt wird und die gegenwärtige Zurückhaltung endet, wo
werdet ihr hingehen?“
Explizit drohte der Politiker: „Am Tag, wo man ‚Arbeitet!‘ sagt, werdet i…
den Unterschied merken! Gegenwärtig verstecken sich die Polizisten, um sich
vor den Granaten zu schützen, aber ihr werdet den Unterschied merken, wenn
sie die Anweisung zum Arbeiten bekommen... Es wird nicht mehr sein wie
heute, wo man versucht, nachsichtig zu sein und nur auf die Arme zielt...
Am Tag, wo wir die Leute loslassen und der Befehl zur Arbeit erteilt wird,
passt auf! Sogar versteckt unter euren Betten werden wir euch finden“.
Der Senatspräsident, eine der höchsten Instanzen des Landes, rief die
Stadtteilverwalter auf, gar nicht erst auf einen Einsatzbefehl zu warten,
sondern selbst die Polizei anzurufen und ihr mitzuteilen, wo die
auszulöschenden „Elemente“ seien. Sie könnten dann auch mit Belohnung in
Form von Land rechnen.
## „Horrorsprache“ wie in Ruanda 1994
Diese Rede sei eine „Horrorsprache, die die Region seit über zwanzig Jahren
nicht mehr erlebt hat“, kommentierte die US-Regierung. Der deutsche
CDU-Politiker Hardt warnte: „Ein Völkermord wie in Ruanda 1994 muss um
jeden Preis verhindert werden.“
Vor und während dem Völkermord in Ruanda an bis zu einer Million Menschen
1994 hatten die Völkermordorganisatoren die ruandischen Hutu über Radio zur
„Arbeit“, also zum Tutsi-Töten, aufgerufen, und Tutsi in ähnlichen Tönen
wie jetzt Ndikuriyo gewarnt, dass sie sich nirgends verstecken könnten.
6 Nov 2015
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Burundi
Bujumbura
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Völkermord
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