| # taz.de -- Afrikanischer Frühling: Die Sprengkraft der Jugend | |
| > Burundi und Burkina Faso sind zwei arme Länder Afrikas. In einem sorgten | |
| > Bewegungen für den Umsturz. Im anderen werden sie unterdrückt. | |
| Bild: Ein Demonstrant in Bujumbura, der Hauptstadt von Burundi. | |
| Bujumbara/Ouagadougou taz | Mit einem Spaten hebt Eric Kinda Erde aus und | |
| setzt ein junges Bäumchen in das Loch. „Wir wollen heute 300 Bäume | |
| pflanzen“, sagt der 42-Jährige. Schweiß perlt ihm über die Stirn. Der gro�… | |
| Mann steht in einem Wohnviertel in Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina | |
| Faso. Es ist heiß in der Mittagssonne. Doch Kinda und seine paar Dutzend | |
| Mitstreiter pflanzen weiter eifrig Bäume, die einmal Schatten spenden | |
| sollen, entlang der ungeteerten Straße. Sie tragen schwarze T-Shirts mit | |
| dem Logo ihrer Bewegung: „Balai-Citoyen“, „Bürger-Besen“. | |
| Kinda und seine Aktivisten haben im Oktober 2014 in dem kleinen Land in | |
| Westafrika den Volksaufstand angeführt, der Präsident Blaise Compaoré nach | |
| 27 Jahren im Amt zum Rücktritt zwang. Seitdem amtiert eine | |
| Übergangsregierung, im Oktober soll ein neuer Präsident gewählt werden. | |
| „Wir, die Balai-Citoyen, sind die Wächter der derzeitigen demokratischen | |
| Entwicklung, wir wollen die korrupte alte Elite aus ihren Ämtern fegen“, | |
| sagt Kinda und guckt stolz. Seine Kameraden nicken zustimmend und heben | |
| weiter Löcher für Bäume aus. | |
| Der Philosophielehrer an einer Oberschule steht auf Karl Marx und ist ein | |
| überzeugter Revolutionär. Bäumepflanzen ist in Burkina Faso ein | |
| revolutionärer Akt, seit Präsident Thomas Sankara, der 1983 als junger | |
| Soldat die Macht ergriff, eine Millionen Bäume pflanzen ließ, um die | |
| Sahelzone zu begrünen. 1987 wurde Sankara bei einem von Compaoré geführten | |
| Putsch ermordet. Seine Tradition setzen die Balai-Citoyen jetzt fort. | |
| Knapp 4.000 Kilometer südöstlich fährt Jeremie Minani stundenlang Zickzack | |
| durch die Straßen von Burundis Hauptstadt Bujumbura, um den Geheimdienst | |
| abzuschütteln. Der Anwalt fühlt sich nicht mehr sicher. Er schläft jede | |
| Nacht woanders, wechselt stetig Autos und Telefonnummern. „Ich muss mich | |
| verstecken“, klagt der 36-Jährige. Er wirkt wie außer Atem. Er sitzt später | |
| hinter einem dichten Busch im Garten eines leeren Hotels und erzählt leise, | |
| fast flüsternd. | |
| ## Manche verschwinden spurlos | |
| Minani ist einer der Gründer und Anführer der Arusha-Bewegung, die im April | |
| und Mai in Bujumbura gegen eine dritte Amtszeit von Präsident Pierre | |
| Nkurunziza protestierte. „Der Geheimdienst hat Fotos von uns Demonstranten | |
| gemacht“, sagt Minani. Täglich verhafte der Geheimdienst Mitglieder seiner | |
| Bewegung, manche verschwänden einfach spurlos. | |
| „Sie werden nicht aufgeben, bevor sie uns nicht alle verhaftet oder | |
| ermordet haben“, flüstert er und guckt sich um. Minani hat allen Grund | |
| nervös zu sein. Seine Bewegung hat auf Facebook und Twitter angekündigt, | |
| sie werde Nkurunziza nicht mehr als Präsidenten anerkennen, wenn er die | |
| dritte Amtszeit antritt. | |
| Burundi und Burkina – zwei kleine, bettelarme Länder Afrikas, in welchen | |
| sich im vergangenen Jahr die Bürger erhoben. In Massen demonstrierten sie | |
| in den beiden Hauptstädten gewaltfrei gegen Korruption, Misswirtschaft und | |
| vor allem: gegen eine dritte Amtszeit ihrer Präsidenten, die die Verfassung | |
| nicht erlaubte. | |
| In Burkina Faso floh Präsident Compaoré, als Abertausende unter Anführung | |
| von Kindas Balai-Citoyen auf den Präsidentenpalast zumarschierten. Die | |
| Armeeführung solidarisierte sich mit den Demonstranten, erklärte Compaoré | |
| für abgesetzt und verfügte eine einjährige Übergangszeit. | |
| ## Jeder versteckt sich allein | |
| In Burundi schlugen sich nur Teile des Militärs auf die Seite der | |
| Protestler. Ihr Putsch im Mai, während Nkurunziza außer Landes war, hatte | |
| keinen Erfolg. Der Präsident kehrte triumphal nach Burundi zurück, die | |
| Putschisten flohen oder wurden verhaftet, die Arusha-Bewegung war | |
| gescheitert. „Als auf uns geschossen wurde, mussten wir unseren Mitgliedern | |
| sagen, sie sollen nach Hause gehen, um nicht getötet zu werden“, erinnert | |
| sich Minani. Seitdem versteckt sich jeder alleine. | |
| Kinda und Minani kennen sich nicht persönlich, aber sie wissen voneinander. | |
| Der burundische Anwalt Minani war mehrfach in Burkina Faso. Er gehörte zu | |
| einem internationalen Anwalts-Team, das Sankaras bis heute unaufgeklärten | |
| Tod nach mehr als einem Vierteljahrhundert untersuchen wollte. Doch | |
| Compaoré ließ das nicht zu. | |
| Während der Proteste in Burundi im Mai tauschten die burkinischen | |
| Balai-Citoyen mit der Arusha-Bewegung Facebook-Nachrichten aus, schickten | |
| Tipps, wie man die Proteste am Laufen halten kann, und veröffentlichten | |
| Solidaritätsbekundungen, bis Burundis Regierung alle sozialen Netzwerke | |
| blockierte. Die „Bürger-Besen“ demonstrierten daraufhin auf dem Platz der | |
| Vereinten Nationen in Ouagadougou, um ihren „Brüdern“ in Bujumbura | |
| beizustehen, malten Plakate mit den Flaggen beider Länder, die zufällig | |
| dieselben Farben haben: Rot und Grün. Darunter die Buchstaben „BUR“ als | |
| Abkürzung für Burkina und Burundi. | |
| Am nächsten Tag steht Balai-Citoyen-Führer Kinda auf dem Platz der | |
| Revolution in Ouagadougou. Dort, wo alles begann. Hinter ihm erhebt sich | |
| die gigantische Säule mit der brennenden Fackel gen Himmel. Der riesige | |
| Platz wirkt wie ein Import aus der ehemaligen Sowjetunion, mitten in | |
| Afrika. | |
| ## Revolutionäre Sprengkraft der Jugend | |
| Hier hielt der Revolutionär Sankara in den 80ern seine berühmten Reden, | |
| gegen die Korruption der Diktatoren und den Imperialismus, für die | |
| Revolution der Völker Afrikas. Von hier aus schwappte eine neue Welle | |
| revolutionärer Bewegungen über den Kontinent. Ein neuer Panafrikanismus war | |
| geboren, diesmal im Aufstand gegen neokoloniale Regime, die sich um ihre | |
| Völker nicht kümmerten. | |
| Sankaras Mut hat danach viele afrikanische Rebellenführer beeinflusst. | |
| Manche sind heute an der Macht, wie auch Burundis Präsident Nkrurunziza. | |
| Sie wissen um die revolutionäre Sprengkraft, die Sankaras Geist noch immer | |
| unter Afrikas Jugend hat. | |
| Kinda erinnert sich an die Tage in Ouagadougou Ende Oktober 2014, die | |
| Afrika veränderten: „Es waren so viele Menschen, es war heiß, man bekam | |
| kaum mehr Luft, es herrschte eine Stimmung wie kurz vor der Explosion.“ | |
| Hunderttausende standen dicht gedrängt auf dem Revolutionsplatz. „Dann | |
| kamen von allen Seiten die Panzer angefahren – es herrschte Panik“, erzählt | |
| er weiter. „Ich dachte, wir werden alle sterben – doch immerhin sterben wir | |
| nicht alleine“, sagt er und blickt auf die Eingangstore der Militärkaserne | |
| direkt hinter dem Fackel-Monument. | |
| „Wir schrien die Sankara-Devise ‚Vaterland oder Tod, wir werden siegen‘ u… | |
| durchbrachen die Barrikaden der Armee“, erzählt Kinda. Seine Augen | |
| leuchten, seine Stimme wird laut und überschlägt sich fast: „Die Militärs | |
| schossen nicht, also marschierten wir los in Richtung Parlament.“ Obwohl | |
| die Ereignisse fast ein Jahr her sind, beben seine Lippen. Seine Blicke | |
| streifen über den heute leeren Platz. Kinda schwelgt in Erinnerungen. Er | |
| war damals nicht mehr nur Lehrer, sondern Anführer einer Masse, die | |
| plötzlich Macht hatte. Die Macht, einen Diktator nach 27 Jahren endlich zum | |
| Rücktritt zu zwingen. | |
| ## Die Erben von Thomas Sankara | |
| Der stämmige Mann trägt ein Barett, wie sein Held Sankara. Er fährt einen | |
| Mofa-Roller, wie Sankara, der Motorräder liebte und sein Kabinett zwang, | |
| vom Mercedes auf einen Renault 5 umzusteigen, das billigste Auto jener | |
| Zeit. Sankara predigte Genügsamkeit. Kinda war 13 Jahre alt, als er seinem | |
| Helden zum ersten Mal begegnete. Der Präsident besuchte Kindas Schule, | |
| ermunterte die Kinder zu harter Arbeit und zum Bäume pflanzen. Kinda | |
| erzählt seinen Schülern oft von jener Zeit. Es ist die Generation Sankara, | |
| die die Balai-Citoyen-Bewegung gegründet hat. | |
| Auch Jeremie Minani in Burundi gehört dieser Generation an. Wenn er von | |
| Burkinas Volkshelden spricht, leuchten auch seine Augen und er wird | |
| redselig. „Wir wollen Sankaras Traum am Leben halten und uns durch | |
| Volksrevolutionen der Diktatoren entledigen“, sagt er. Anwalt sei er | |
| geworden, um die einfachen Menschen zu verteidigen. | |
| Minani hat in Kanada studiert, arbeitete dort danach als Rechtsberater in | |
| der Einwanderungsbehörde. Damals herrschte Bürgerkrieg in seiner Heimat. | |
| Nkurunzizas Rebellenbewegung CNDD-FDD (Nationalkomitee/Front zur | |
| Verteidigung der Demokratie) eroberte Burundi. Ein Friedensvertrag wurde in | |
| der tansanischen Stadt Arusha unterzeichnet, der das Gerüst für die spätere | |
| Verfassung wurde und letztlich auch Minanis Bewegung den Namen gab. | |
| Als Nkurunziza 2005 Präsident wurde und langsam Frieden einkehrte, | |
| entschied sich Minani, nach Burundi zurückzukehren. „Wir hatten so viel | |
| Hoffnung auf Demokratie“, sagt er. „Doch dann hat Nkurunziza Sankaras Traum | |
| verraten und wurde zum Tyrannen.“ | |
| ## Inspiration von der arabischen Revolution | |
| Burundi und Burkina Faso sind die zwei sichtbarsten Beispiele für etwas, | |
| was sich in vielen afrikanischen Ländern seit Jahren zusammenbraut. „Unsere | |
| Brüder in Tunesien, Libyen und Ägypten haben uns inspiriert“, sagt Kinda in | |
| Ouagadougou. „Unsere Brüder in Burkina haben gezeigt, dass es möglich ist, | |
| die arabischen Revolutionen auf dem afrikanischen Kontinent fortzusetzen“, | |
| sagt Minani in Bujumbura. | |
| In Senegal protestierten bereits 2012 empörte Jugendliche gegen eine dritte | |
| Amtszeit von Präsident Abdoulaye Wade. Der verlor dann die Wahlen gegen | |
| Macky Sall, dem heutigen Staatschef. Kern der Proteste in Dakar war die | |
| Bewegung “Y ’en a marre“ (“Es reicht!“) bestehend aus Reggae-Musikern… | |
| Journalisten. | |
| Ermuntert vom Senegal und Burkina Faso formierte sich zu Beginn dieses | |
| Jahres auch in der Demokratischen Republik Kongo die Protestbewegung | |
| „Filimbi“ („Trillerpfeife“) gegen eine mögliche Amtszeitverlängerung … | |
| Präsident Joseph Kabila. Die Proteste in Kinshasa wurden hart | |
| niedergeschlagen, es gab über 40 Tote. | |
| Viele Präsidenten Afrikas fürchten ein Szenario wie in Burkina Faso. Als im | |
| März Filimbi in Kongos Hauptstadt Kinshasa eine Tagung zum Thema | |
| „friedlicher Widerstand“ abhielt, waren auch Vertreter von Y ’en a marre | |
| und den Balai-Citoyen eingeladen. Sie alle wurden verhaftet und als | |
| Terroristen bezichtigt. Auf internationalen Druck kamen sie wieder frei und | |
| wurden ausgewiesen. Manche der kongolesischen Aktivisten sitzen bis heute | |
| in Haft. | |
| ## Wenn Funktionäre zu Journalisten werden | |
| Was den afrikanischen Präsidenten Angst macht, sieht man in Ouagadougou am | |
| Unabhängigkeits-Boulevard. Dort, wo die Regierungsinstitutionen ihren Sitz | |
| haben. Kinda parkt vor dem Parlament und setzt ein Siegerlächeln auf: Das | |
| Gebäude ist ausgebrannt, die Fenster zerschlagen. Im Hof liegen verkohlte | |
| Autoleichen. | |
| Hier hatten sich am 30. Oktober 2014 die Abgeordneten versammelt, um über | |
| eine Verfassungsänderung abzustimmen, die Präsident Compaoré eine dritte | |
| Amtszeit erlaubt hätte. „Als die Abgeordneten die Masse sah, flohen sie aus | |
| den Fenstern“, erzählt Kinda. Dann zündete die wütende Menge ein Feuer an. | |
| Eine gewaltige schwarze Rauchwolke ballte sich über der Innenstadt. „Die | |
| Leute tanzten und schrien Sankaras Slogan. Das war unser Sieg!“, erzählt | |
| Kinda. | |
| Auch in die staatlichen Radio- und Fernsehstudios gegenüber drangen die | |
| Demonstranten ein. Noch immer steht im Hof ein ausgebrannter | |
| Übertragungswagen. „Wir hatten Angst“, erinnert sich Chefredakteurin Peggy | |
| Ouedraogo an den Moment, als die Rundfunkanstalt gestürmt wurde. Heute gibt | |
| sie ganz offen zu, dass sie und ihre 43 Kollegen als „Funktionäre des | |
| Staates, aber getarnt als Journalisten“ gewirkt hatten. Seit Compaorés | |
| Rücktritt und Einsetzung des Übergangsrates erlebe auch sie eine ganz neue | |
| redaktionelle Freiheit. | |
| Die Medien, allen voran unabhängige Radiosender spielten während der | |
| Massenproteste eine zentrale Rolle, in beiden Ländern. Sie strahlen bis | |
| aufs Land aus und in die Dörfer hinein. In Burkina Faso sind Talkshows | |
| landesweit beliebt, in denen auch Hörer ihre Meinung sagen können. | |
| Dazwischen heizen Reggae und Hip-Hop-Musiker wie Smockey, Sams’k le Jah und | |
| Oscibi die Emotionen an. | |
| ## Kein Protest ohne Reggae und Radio | |
| Ihre Songtexte drücken Frustration und Unzufriedenheit aus. Bereits 2001 | |
| hatte Rapper Smockey sein erstes Album „Putsch in Ouagadougou“ getauft. Er | |
| ist mit seinen Kollegen Sams’k le Jah und Oscibi einer der Mitgründer der | |
| Balai-Citoyen. „Wir sind die Stimme eines Volkes, das von seiner Regierung | |
| mundtot gemacht wurde“, erklärt Reggea-Musiker Oscibi. „Mit unserer Musik | |
| haben wir die Bevölkerung mobilisiert, ihnen Hoffnung gegeben.“ Ohne die | |
| Musik und das Radio wären die Massenproteste niemals möglich gewesen, sagt | |
| Oscibi. | |
| In Burundi wurden die unabhängigen Radiosender im Mai von Nkurunziza-treuen | |
| Truppen abgefackelt. Das Gebäude des Senders RPA (Öffentliches Radio | |
| Afrikas) ist ausgebrannt, die Antenne liegt zerstört im Innenhof. Die | |
| Studios von Bonesha FM sind leer, die zerborstenen Scheiben der Eingangstür | |
| mit Pappkarton verklebt. Davor sitzen zwei Polizisten. Anstatt einer | |
| Türklinke gibt es an der Eingangstür zu Radio Isanganiro jetzt ein | |
| Einschussloch. | |
| Was einmal eine der lebhaftesten Radiolandschaften Ostafrikas war, ist | |
| heute Rauschen im Äther. Auf den einzigen beiden funktionierenden | |
| Frequenzen senden nur noch der Staatssender RTNB und das kirchliche Radio | |
| Maria. Es gibt zwar noch das Internet, aber die Mehrheit der Burundier hat | |
| keinen Zugang dazu und kann auch kein Französisch, um es zu lesen. | |
| „Über 70 Journalisten sind aus dem Land geflohen“, sagt Innocent Muhozi, | |
| Chef des burundischen Journalistenverbandes. Auch die berühmte Reggea-Band | |
| Lion Story hat das Land verlassen. Ihr 2011 veröffentlichtes Album | |
| „Ikangure“, übersetzt: „Wacht auf, steht auf“, lief jahrelang auf allen | |
| unabhängigen Sendern. Darin wird Burundis Regierung der Korruption | |
| bezichtigt, die Bevölkerung zum Aufstand ermutigt. Ihre Konzerte und einige | |
| Lieder wurden verboten. Doch die Radios spielten ihre Songs weiter, bis sie | |
| abgeschaltet wurden. Die Medienfreiheit in Burundi sei jetzt faktisch tot, | |
| sagt Muhozi. | |
| ## Vom Lehrer zum Anführer | |
| Das verkohlte Parlamentsgebäude in Ouagadougou steht für den Sieg der | |
| Aufständischen – die ausgebrannten Radiosender in Bujumbura für ihre | |
| Niederlage. Aber trotz aller Begeisterung in Kindas Stimme, wenn er von der | |
| Vergangenheit spricht, merkt man ihm Ernüchterung an, wenn er in die | |
| Zukunft blickt. | |
| Er ist unzufrieden mit der Übergangsregierung. „Wir brauchen keine Generäle | |
| als Präsidenten, sie haben nichts für das Volk getan“, wettert er. Selbst | |
| in Anbetracht der Neuwahlen am 11. Oktober gebe es keine Aussicht auf | |
| grundlegende demokratische Veränderungen, klagt er. Von einer Revolution | |
| will Kinda gar nicht erst reden. „Das war höchstens ein revolutionärer | |
| Aufstand, eine richtige Revolution braucht seine Zeit“, sagt er. | |
| Die Balai-Citoyen seien derzeit beschäftigt, quer durchs Land revolutionäre | |
| Klubs zu gründen und sich weiter zu organisieren. Täglich pflanzen sie | |
| Bäume, verteilen T-Shirts, werben Mitglieder. „Wir sind die kritischen | |
| Bürger, die mit Argusaugen die Politiker und Militärs beäugen, was sie für | |
| Ideen entwickeln, das Land voranzubringen“, erklärt Kinda seine Rolle. | |
| Ein paar Polizisten kommen an, wollen wissen, was er da treibe. Kinda | |
| reagiert freundlich aber bestimmt. „Wir begutachten unser Siegessymbol“, | |
| sagt er und lächelt. Aus dem Lehrer Kinda ist ein Anführer geworden, der | |
| Macht hat. Die Polizisten geben klein bei. | |
| ## Hals über Kopf aus Burundi | |
| Ganz anders im 4.000 Kilometer entfernten Burundi. Jede Nacht hallen in | |
| Bujumbura Schüsse durch die Gassen, Granaten schlagen ein. Die Jugend, die | |
| noch im Mai in Minanis Arusha-Bewegung gewaltfrei demonstrierte, bewaffnet | |
| sich jetzt in ihren Stadtvierteln, wird von fahnenflüchtigen Militärs | |
| rekrutiert, um eine Rebellion anzuzetteln. | |
| Jeremie Minani ist inzwischen aus Burundi geflohen, er schickt aus Ruanda | |
| Nachrichten über WhatsApp. „Der Krieg wird kommen“, schreibt er. „Ich ha… | |
| solche Angst, ich habe Burundi Hals über Kopf verlassen.“ Doch der Kampf | |
| gehe weiter. „Wir haben allen unseren Mitgliedern geraten, keine Steuern zu | |
| bezahlen, um das Regime in die Knie zu zwingen.“ Der Weg des indirekten | |
| Widerstandes. | |
| Von den Balai-Citoyen hat Minani via Facebook erfahren, dass Sankaras Grab | |
| in Ouagadougou geöffnet werden durfte, um an seiner Leiche DNA-Tests | |
| vorzunehmen. Das Team von Anwälten habe endlich die Erlaubnis erhalten, den | |
| Tod des Volkshelden zu ermitteln. Damit geht für Minani doch noch ein Traum | |
| in Erfüllung. Am Ende seiner WhatsApp-Nachricht zitiert er seinen Helden: | |
| „Vaterland oder Tod, wir werden siegen.“ | |
| 5 Sep 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Simone Schlindwein | |
| ## TAGS | |
| Burundi | |
| Burkina Faso | |
| Afrika | |
| Burkina Faso | |
| Burkina Faso | |
| Uganda | |
| Burundi | |
| Demokratiebewegung | |
| Uganda | |
| Burundi | |
| Burundi | |
| Burundi | |
| Burundi | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Rapmusiker Smockey aus Burkina Faso: „Jetzt die politische Klasse erneuern“ | |
| Burkina Fasos prominentester Bürgerprotestführer wünscht sich mehr | |
| politisches Engagement. Wichtig sei vor allem die Jugend seines Landes. | |
| Jugend in Burkina Faso: Zeit der Reife | |
| Vor fast fünf Jahren stürzte eine Jugendprotestbewegung das alte Regime. | |
| Wann wird nun endlich das Leben besser in dem bitterarmen Land? | |
| Repression vor der Wahl in Uganda: Jugendmilizen und Tränengas | |
| Die Angst vor Gewalt steigt, oppositionelle Politiker werden schikaniert, | |
| die Hauptstädter verbarrikadieren sich. Es brodelt in Kampala. | |
| Krise in Burundi: Angst vor massiver Gewalt | |
| Ein Ultimatum des Präsidenten an die Opposition und eine hasserfüllte | |
| Drohrede des Senatspräsidenten rufen die UNO auf den Plan. | |
| Militärputsch in Burkina Faso: Ein Rapper auf der Flucht | |
| Am Mittwoch hat sich das Militär in Burkina Faso an die Macht geputscht. Am | |
| Donnerstag hat es das Studio des Rappers Smockey beschossen. | |
| Schönheitswettbewerb in Uganda: Miss und Mister HIV | |
| In Uganda leben geschätzt etwa 1,5 Millionen Menschen mit HIV. Gegen | |
| Vorurteile wollen junge Ugander nun angehen: mit einem | |
| Schönheitswettbewerb. | |
| Kommentar Burundis Präsident: Besoffen von der Macht | |
| Pierre Nkurunziza hat den Amtseid für sein drittes Mandat abgelegt. | |
| Unglaublich! Wie will der umstrittene Präsident Burundi noch regieren? | |
| Politische Krise in Burundi: Roter Teppich für Nkurunziza | |
| Eine Woche früher als geplant wird der umstrittene Präsident für seine | |
| dritte Amtszeit vereidigt. Die Opposition erkennt das nicht an. | |
| Anschlag auf Ex-Geheimdienstchef: Schock und Angst in Burundi | |
| Der mächtigste Scharfmacher hinter dem Präsidenten wurde getötet. | |
| Explodiert jetzt die Gewalt in Burundi? | |
| Burundi nach den Wahlen: Der Nachfolgestreit beginnt | |
| Nach dem Wahlsieg von Präsident Nkurunziza will sein Hauptrivale Rwasa Vize | |
| und Erbe werden. Die Protestbewegung will ihn stürzen. |