Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Jugend in Burkina Faso: Zeit der Reife
> Vor fast fünf Jahren stürzte eine Jugendprotestbewegung das alte Regime.
> Wann wird nun endlich das Leben besser in dem bitterarmen Land?
Bild: „Keinen schnellen Wandel“: Kimbié Armel Soulama, Student
Ouagadougou taz | Was Kimbié Armel Soulama neben seinem Masterstudium in
politischer Geschichte macht, wäre vor fünf Jahren noch undenkbar gewesen.
Der 25-Jährige sitzt vor seinem Laptop, schaut immer wieder auf sein Handy
und entwickelt Strategien, wie das internationale Komitee „Denkmal Thomas
Sankara“ das Gedenken an den ehemaligen Präsidenten, Militärherrscher und
Volkshelden des jungen Burkina Faso aufrecht erhalten kann.
Die Entscheidung, mitten in Ouagadougou ein Monument an den jungen
Revolutionär zu errichten, der 1983 als Militärputschist aus Obervolta
Burkina Faso (die „Republik der Aufrechten“) machte, im Stil Che Guevaras
einen „Mentalitätswechsel“ predigte und 1987 nach nur vier Jahren im Amt
von anderen Putschisten getötet wurde – die komme genau richtig, findet
Soulama und bezeichnet Sankara mit leuchtenden Augen als einen „Stern“.
Zwar musste Anfang März die Statue überarbeitet werden, weil sie Sankara so
gar nicht ähnlich sah. Das sorgte für allerlei Spott. Aber „jetzt haben wir
endlich einen Ort, an dem wir uns treffen können. Ziel ist es,
Informationen und Erinnerungen von Zeitzeugen zusammenzuführen. Hier können
die jungen Leute etwas lernen.“
Möglich macht das öffentliche Gedenken die Revolution von Oktober 2014.
Nach wochenlangen Protesten war es der Zivilgesellschaft rund um die
Bewegung „Balai Citoyen“ (Bürgerbesen) gelungen, Langzeitherrscher Blaise
Compaoré, der Sankara 1987 aus dem Amt geputscht hatte, zum Rücktritt zu
zwingen. Davor trafen sich Sankaras Anhänger meist heimlich auf dem
Friedhof im Stadtteil Daghnoen, wo sein Grab liegt.
„Alleine die Tatsache, dass Compaoré heute nicht mehr da ist, macht mir
extreme Freude“, sagt Student Soulama. Für ihn ist es die größte
Errungenschaft der Revolution von 2014.
Dann gibt er jedoch zu: „Andere Dinge haben sich kaum geändert, gerade
nicht für die Jugend. Man erwartet, dass es schnell geht. Aber in unserer
Situation gibt es keinen schnellen Wandel.“
Doch das war die große Hoffnung im Herbst 2014, aber auch nach der Wahl
Ende November 2015, die Präsident Roch Marc Christian Kaboré an die Macht
brachte. Er war ein langjähriger Gefährte und Minister Compaorés gewesen.
Keine drei Wochen nach seiner Vereidigung erlebte das Land den bis dato
schwersten Terroranschlag seiner Geschichte mit 30 Toten.
Inzwischen gibt es fast jeden Tag bewaffnete Angriffe und Anschläge
irgendwo im Land. Neben der ohnehin schon schwierigen wirtschaftlichen
Situation eines der ärmsten Länder der Welt kommt nun die prekäre
Sicherheitslage hinzu.
Die 26-jährige Isabelle Zoundi versucht, sich Sorgen und Enttäuschung nicht
anmerken zu lassen. „Einfach ist es nicht“, gibt die Studentin der
Germanistik zu, „aber wo auf der Welt ist es schon einfach?“ Ihr Studium
soll ihr später eine Anstellung als Deutschlehrerin bringen. Daran glaubt
sie ganz fest.
In Burkina Faso ist es populär, das Abitur zu machen. Vergangenes Jahr
schrieben sich 96.771 Prüflinge ein. Anschließend drängen sie alle an die
Hochschulen. Die Universität von Ouagadougou liegt in unmittelbarer Nähe
des Sankara-Denkmals. Jeden Morgen eilen Hunderte Studierende auf Mopeds
oder Fahrrädern zu ihren Vorlesungen und Seminaren.
## Rechenschaft einfordern
Aber was nützt ihnen das? „Viele Hochschulabsolventen finden heute keine
Arbeit. Sehr wenige haben die Chance auf eine Stelle im öffentlichen
Dienst. Wer im informellen Sektor arbeitet, ist ständig in einer
schwierigen Lage“, sagt Zinaba Rasmane, der für Balai Citoyen
Veranstaltungen organisiert. Selbst mit Master-Abschluss suchen junge
Menschen mitunter jahrelang nach einer Stelle.
„Bezüglich der Arbeitslosigkeit haben wir uns noch nicht weiterentwickelt“,
sagt Rasmane. Sie zweifelt daran, dass sich das innerhalb weniger Jahre
ändern lässt. Dennoch sei die Regierung in der Verantwortung und müsse mehr
unternehmen.
Zinaba Rasmane arbeitet im Balai-Citoyen-Büro im Stadtteil Wayalguin. Im
Konferenzraum prangt das Logo – die geballte Faust mit den Besenborsten.
Das Gebäude ist längst zum Treffpunkt für die junge Generation geworden.
Das widerspreche etwas der öffentlichen Wahrnehmung, so Rasmane: „Die
Bevölkerung denkt, die Balai Citoyen machen heute kaum noch etwas.“
Tatsächlich habe sich ihre Arbeit verändert – weg von Demonstrationen, hin
zu politischer Arbeit. „Unser Ziel ist es, dass die Jugend viel mehr an der
Politik teilnimmt.“
In verschiedenen Regionen des Landes wollen die Jugendlichen künftig den
Politikern genau bei der Arbeit zuschauen und Rechenschaft einfordern.
„Bisher war es möglich, dass jemand, der für fünf Jahre gewählt wurde, si…
nie für seine Arbeit rechtfertigen musste. Wir wollen eine direktere
Demokratie. Jetzt sind wir in der Phase der wirklichen Demokratisierung.“
1 May 2019
## AUTOREN
Katrin Gänsler
## TAGS
Burkina Faso
Thomas Sankara
Blaise Compaoré
Bürgerbewegung
Zivilgesellschaft
Burkina Faso
Burkina Faso
Blandine Sankara
Burundi
## ARTIKEL ZUM THEMA
Nach gescheitertem Putschversuch: Generäle in Burkina Faso verurteilt
2015 wollten zwei Generäle den demokratischen Aufbruch in Burkina Faso
stoppen. Nun wurden sie zu hohen Haftstrafen verurteilt.
Terrormilizen in Burkina Faso: Das Koglweogo-Dilemma
Islamisten verüben in Burkina Faso blutige Anschläge, lokale Milizen
schlagen brutal zurück. Die Behörden sehen meist tatenlos zu.
Schwester des Revolutionärs Sankara: Heldin der Selbstermächtigung
Nach der Ermordung von Präsident Thomas Sankara ging seine Schwester
Blandine ins Ausland. Zurück in Burkina Faso kultiviert sie nun Bio-Gemüse.
Afrikanischer Frühling: Die Sprengkraft der Jugend
Burundi und Burkina Faso sind zwei arme Länder Afrikas. In einem sorgten
Bewegungen für den Umsturz. Im anderen werden sie unterdrückt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.