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# taz.de -- Wirtschaftsweiser zur Flüchtlingssituation: „Mindestlohn nicht �…
> Peter Bofinger rät davon ab, für Flüchtlinge die Lohnuntergrenze zu
> durchlöchern. Die Kosten der Zuwanderung seien verkraftbar.
Bild: Flüchtlinge erhöhen Deutschlands ökonomisches Potenzial.
taz: Herr Bofinger, eine Million Zuwanderer kommen dieses Jahr nach
Deutschland, vielleicht eine weitere Million 2016. Kann der
Sachverständigenrat eine ökonomische Kosten-Nutzen-Rechnung aufmachen?
Peter Bofinger: Nein, gegenwärtig liegen zu wenige Informationen
beispielsweise über die Qualifikationen der Flüchtlinge vor. Wir haben aber
versucht, die fiskalischen Kosten abzuschätzen, wobei das alles unter der
großen Unsicherheit steht, ob es gelingen wird, die Migration deutlich zu
reduzieren. Wenn man einmal unterstellt, dass dieses Jahr 1 Million
Menschen kommen und 2016 etwa 750.000, würden die zusätzlichen Ausgaben
2016 im günstigen Fall bei 11 Milliarden Euro, im ungünstigen Fall bei 14
Milliarden Euro liegen.
Sind solche Kosten für den Staatshaushalt beherrschbar?
Diese Größenordnung wäre verkraftbar. Sie ließe sich sogar finanzieren,
ohne dass der Gesamtstaat dafür zusätzliche Schulden aufnehmen müsste. Die
ökonomische Lage in Deutschland ist augenblicklich ja relativ entspannt,
die Wirtschaft läuft gut. Deshalb sind finanzielle Spielräume vorhanden.
Halten Sie angesichts der Zuwanderung Finanzminister Wolfgang Schäubles
Versuch für richtig, auch im Bundeshaushalt 2016 keine neuen Schulden
einzuplanen?
Unabhängig von der Flüchtlingssituation war ich noch nie ein Freund der
schwarzen Null, da es dabei vor allem um Symbolpolitik geht. Man muss die
Lage ja so betrachten: Der Bund kann sich zum Nulltarif verschulden, weil
die Zinsen so niedrig liegen. Deshalb erscheint es ökonomisch sinnvoll,
Geld zu leihen, um Investitionen beispielsweise in öffentliche
Infrastruktur, Energieeffizienz von Unternehmen oder Bildung zu
finanzieren. Solche Investitionen erbringen eine Rendite, die weitaus höher
ist als null. Auf dieses Potenzial zu verzichten ist aus ökonomischer Sicht
ein Fehler. Das gilt insbesondere auch für Investitionen in die Bildung und
Qualifikation der Zuwanderer.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat berechnet, dass ab etwa
2020 die Einwanderer hier mehr Wohlstand erwirtschaften, als sie die
Gemeinschaft kosten. Halten Sie das für realistisch?
Mit solchen Schätzungen sollte man sehr vorsichtig sein. Sicher verursachen
die Flüchtlinge nicht nur Kosten, sondern sie erhöhen auch das ökonomische
Potenzial unseres Landes. Deshalb muss man alles dafür tun, um ihre
Berufsqualifikationen zu verbessern. Dann können viele von ihnen hier in
einigen Jahren Arbeitsplätze übernehmen, die sonst unbesetzt blieben.
Gehen hiesige Arbeitslose möglicherweise leer aus, wenn Zuwanderer die Jobs
besetzen?
Natürlich wird es zu Problemen kommen. Diese kann man aber mildern, indem
die Politik mehr Geld in Bildung investiert. Dann kann es gelingen, sowohl
Arbeitslose als auch Zuwanderer in bezahlte Tätigkeiten zu bringen. Wir
dürfen nicht vergessen: Der Bedarf an Facharbeitern in den Unternehmen ist
schon jetzt groß. Und er wird steigen.
Tragen Sie den Vorschlag Ihrer Kollegen mit, dass Zuwanderer während des
ersten Jahres einer Tätigkeit unter dem gegenwärtigen Niveau des
Mindestlohns bezahlt werden sollten?
Bisher bereitete der Mindestlohn keine Probleme. Ich sehe keinen Bedarf,
ihn zu verändern. Heute schon können Langzeitarbeitslose während der ersten
sechs Monate schlechter entlohnt werden. Das sollte auch für Flüchtlinge
gelten.
11 Nov 2015
## AUTOREN
Hannes Koch
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
Flüchtlinge
Asyl
Schwarze Null
Das Milliardenloch
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Schwerpunkt Flucht
Flüchtlinge
Duale Ausbildung
Wolfgang Schäuble
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