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# taz.de -- Geschlossenes Heim im Norden: Das Ende der städtischen Idylle
> Hamburg und Bremen fordern ein geschlossenes Heim für schwierige
> jugendliche Flüchtlinge. Im Gegenzug sparen sie bei der ambulanten Hilfe.
Bild: Die Sielwallkreuzung in Bremen.
Bremen taz | Dass es ein geschlossenes Heim für Bremer und Hamburger
Jugendliche im kleinsten Bundesland geben soll – darauf haben sich die
Bremer Grünen im Februar festgelegt. Ob das das Problem mit unbegleiteten
minderjährigen Flüchtlingen löst, die wiederholt straffällig werden, ließen
sie sich erst am Mittwochabend in einer Anhörung von Experten erklären.
„Nein“, war deren einhellige Meinung – mit Ausnahme des Bremer
Polizeipräsidenten Lutz Müller. Allerdings klang er in seinem Schlusswort
nicht mehr ganz so überzeugt wie noch vor der Debatte.
Nicht alle Sitzplätze im Saal der Bremer Stadtbibliothek waren besetzt.
Obwohl die Aufregung in Bremen gerade besonders groß ist. Während die
Bremer Polizei laut ihrem Chef Müller seit Frühjahr 2014 mit
durchschnittlich 30 bis 50 jungen Männern aus Nordafrika zu tun hat, „die
erhebliche Probleme bereiten“, nahm die Mehrheit der BremerInnen das
Phänomen erst vor zweieinhalb Wochen wahr.
Da hatte ein Kneipenwirt via Facebook davor gewarnt, nachts alleine durch
Seitenstraßen im Bremer „Viertel“ zu laufen. Anders als etwa die
Bahnhofsgegend war dieser Stadtteil mit seinen Gässchen, Bars und Boutiquen
bisher als sicher wahrgenommen worden. Doch jetzt häuften sich auch hier
die Raubüberfälle. Gruppen junger Männer suchten sich, so Müller, Kinder,
Jugendliche, Ältere oder Betrunkene als Opfer aus. Das empört dann auch
Grüne, wie die ehemalige Abgeordnete Karin Krusche, die sich aus dem
Publikum zu Wort meldete: „Ich wohne seit 37 Jahren im Viertel, ich will
das hier nicht!“
## Gelangweilter Sicherheitsdienst
Vielleicht ist es dieses verloren geglaubte Lebensgefühl des
Kleinstädtischen, das die Bremer Grünen anders als ihre Hamburger
ParteifreundInnen dazu brachte, sich dem Willen des SPD-Koalitionspartners
zu unterwerfen. Und trotz der Skandale um die geschlossenen Heime
Haasenburg und Friesenhof im Juli in den Koalitionsvertrag zu schreiben:
„Wir schaffen schnellstmöglich eine fakultativ geschlossene Einrichtung und
treiben bei der Umsetzung die Suche nach einem Träger und einem Standort
intensiv voran.“ Das solle aber nur die „Ultima Ratio“ für diejenigen se…
die nicht durch „intensivpädagogische Angebote aufgefangen“ werden könnte…
Die Erkenntnis des Abends: Die Zahl derjenigen, die von niemand erreicht
werden können, ist viel geringer als es den Anschein hat. Und die landen
womöglich ohnehin im Gefängnis oder der Psychiatrie.
Seit vier, fünf Monaten langweile sich der Sicherheitsdienst, der nach
heftigen Gewaltausbrüchen unter den Jugendlichen rund um die Uhr ein
betreutes Wohnen in der Bremer Neustadt bewacht, berichtete Friedhelm Stock
von der gemeinnützigen GmbH „Jugendhilfe und soziale Arbeit“, die 200
Jungen in vier Einrichtungen betreut. Er vermutet, dass die auffälligsten
Jugendlichen in Haft oder in andere Städte verschwunden sind.
Andere haben offenbar gelernt, dass es sich auszahlt, zu kooperieren –
aufgrund besserer Verständigungsmöglichkeiten mithilfe von Dolmetschern
sowie positiven Erfahrungen mit PolizistInnen und SozialarbeiterInnen. Auch
der Polizeipräsident räumt ein, die heftigsten Vorfälle lägen in der
Vergangenheit. „Wir können das Verhalten besser einordnen“, sagte er, „d…
meisten Jugendlichen akzeptieren, dass der Staat einschreitet.“
## „Wir finden kaum geeignetes Personal“
Ähnlich äußerte sich Gesa Lürßen, die Leiterin des Bremer Jugendvollzugs,
die im Publikum saß. „Mit der Sprache wird es besser“, sagte sie, „aber …
finden kaum geeignetes Personal.“
Und wäre Bernd Schmitt, Geschäftsführer der diakonischen Jugendhilfe
Bremen, zu Wort gekommen, hätte er berichten können, wie seine
MitarbeiterInnen an die Jugendlichen herankommen. „Wir arbeiten mit vier
bis sechs von denen, mit extrem niedrigschwelligen Angeboten, mit
Streetwork.“
Sein Hamburger Kollege Burkhard Czarnitzki, Leiter der Anlaufstelle für
Straßenkinder Kids am Hauptbahnhof des Vereins Basis und Woge, rechnete
vor, wie viele pädagogische Angebote er für das, was ein geschlossenes Heim
kostet, finanzieren könnte. „Ich kann Ihnen aber kein Heilsversprechen
machen“, sagte er, „das erzählen Ihnen nur die Betreiber geschlossener
Heime.“
13 Nov 2015
## AUTOREN
Eiken Bruhn
## TAGS
Hamburg
Bremen
Jugendliche
Schwerpunkt Flucht
Bremen
geschlossene Heime
Straßenkinder
Schwerpunkt Haasenburg Heime
Jugendheim Friesenhof
Jugendhilfe
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