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# taz.de -- Ägyptischer Journalist wieder frei: Wegen Recherchen im Visier
> Hossam Bahgat wurde vom Militärgeheimdienst inhaftiert. Er recherchierte
> über die Armee und Korruption in der Familie Mubarak.
Bild: Der Journalist noch vor seiner Verhaftung in seinem Büro (Archivbild 201…
Kairo taz | Investigativer Journalismus in der autokratischen arabischen
Welt, das scheint zunächst ein Widerspruch in sich zu sein. Und doch gibt
es einige mutige arabische Kollegen, die sich der Königsdisziplin des
Journalismus verschrieben haben, der ihn manchmal zur vierten Macht im
Staate werden lässt. Der Ägypter Hossam Bahgat ist derzeit wohl der
prominenteste investigative Journalist Ägyptens und damit dem Militär, das
im Land den Ton angibt, ein Dorn im Auge.
Nun droht Bahgat vor ein Militärgericht gestellt zu werden; am Dienstag
wurde er zunächst wieder auf freien Fuß gesetzt. Am Wochenende war er vom
Militärgeheimdienst zu einem fast achtstündigen Gespräch zitiert worden,
zunächst ohne Handy und ohne Anwalt.
Danach wurde ihm erklärt, dass er mit einer Klage der
Militärstaatsanwaltschaft rechnen müsse – wegen Verbreitung von
Falschinformationen, die die öffentliche Ordnung störten und die nationale
Sicherheit gefährdeten. Am gleichen Abend wurde der Journalist an einen
unbekannten Ort in Militärhaft genommen, wo er zunächst vier Tage
verbringen soll, bis die Anklage ausgearbeitet ist.
Dabei soll es vor allem um einen Bericht Bahgats über die Verurteilung von
26 Militäroffizieren gehen, denen vorgeworfen wurde, im August einen
Militärputsch gegen die gegenwärtige Regierung des Präsidenten und
ehemaligen Militärchefs Abdel Fattah al-Sisi geplant zu haben. Die wenigen
Berichte darüber, die damals erschienen, stellten in Frage, wie geschlossen
die unteren Ränge der Armee hinter der Regierung in Kairo stehen. Bahgat
hatte ausführliche Interviews mit den Verwandten der Verurteilten geführt
und so versucht, den geheimen Prozess gegen die Militäroffiziere zu
rekonstruieren. Der Artikel erschien, wie alle von Baghats investigativen
Stücken, auf der Internet-Nachrichtenseite madamasr.com, einer der wenigen
Plattformen für unabhängigen Journalismus in Ägypten.
Der engagierte Journalist hat 2002 die „Ägyptische Initiative für
Persönlichkeitsrechte“ gegründet, die heute eine der aktivsten
Menschenrechtsgruppen des Landes ist. In den letzten Jahren hatte Baghat
sich von der Arbeit als Menschenrechtler abgewandt und dem investigativen
Journalismus verschieben.
## Unterdrückung der Meinungsfreiheit
Bekannt wurde er auch durch einen Artikel mit dem Titel „Wer hat die
Dschihadisten freigelassen?“. Dort weist er nach, dass die Mehrheit der
militanten Islamisten nicht während der Amtszeit des Muslimbruders und
Präsidenten Mohammed Mursi aus den Gefängnissen entlassen wurden, sondern
in der Zeit nach Mubaraks Sturz, als der oberste Militärrat das Land
regierte. Ausführlich widmete sich Bahgat auch dem Scheitern der
Untersuchungsbehörden und der Staatsanwaltschaft in den Mubarak-Prozessen.
Später dokumentierte er im Detail einen Korruptionsfall in der
Mubarak-Familie, wobei er nachwies, dass der Staat für den extravaganten
Lebensstil der Familie gezahlt hatte.
Amnesty International (AI) bezeichnete das Verhör und die Verhaftung
Bahgats als ein klares Signal, dass die Behörden weiterhin mit aller Macht
gegen unabhängigen Journalismus und die Zivilgesellschaft vorgehen. „Die
Verhaftung Bahgats ist ein weiterer Nagel im Sarg der Meinungsfreiheit in
Ägypten“, sagte Phillip Luther, der das Nahost-und Nordafrika-Programm von
AI leitet. Er forderte, dass alle Anklagepunkte fallen gelassen und Bahgat
bedingungslos freigelassen wird.
Auch die internationale Medien-Menschenrechtsgruppe Komitee zum Schutz von
Journalisten fordert die Freilassung Bahgats. „Das ägyptische Militär hat
durch eine Reihe von Verhaftungen von Journalisten bereits gezeigt, wie es
mit der Rolle eines unabhängigen Journalismus umgeht. Diese neue Verhaftung
ist ein klarer Versuch, Berichterstattung zu unterdrücken“, erklärte deren
Nahost-Koordinator Scherif Mansour.
Die Verhaftung Bahgats führte in den ägyptischen sozialen Medien zu einem
Aufschrei, gerade im Zusammenhang mit einem möglichen Sicherheitsskandal
rund um den Absturz des russischen Flugzeugs über der Sinai-Halbinsel, der
möglicherweise auf eine Bombe an Bord zurückgeht. Wie es zynisch in einem
Tweet heißt: „Was ist passiert? Ein Flugzeug ist abgestürzt? Was tust du
dagegen? Verhafte einen Journalisten.“
10 Nov 2015
## AUTOREN
Karim El-Gawhary
## TAGS
Ägypten
Schwerpunkt Pressefreiheit
Meinungsfreiheit
Mubarak
Militärregierung
Ägypten
Ägypten
„Islamischer Staat“ (IS)
Ägypten
Justiz in Ägypten
Menschenrechte
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