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# taz.de -- Untersuchungsbericht zum Brand: Die Tragödie von Odessa
> 2014 starben beim Brand des Gewerkschaftshauses 42 Gegner der Kiewer
> Regierung. Der Europarat beklagt schlampige Ermittlungen.
Bild: Der Brand am 2. Mai 2014.
Lwiw taz | Der Europarat hat am Mittwoch einen Untersuchungsbericht zu den
tragischen Ereignissen in Odessa vom 2. Mai 2014 veröffentlicht. Die dafür
eingerichtete internationale Beratungsgruppe macht die ukrainische Polizei
für die gewaltsamen Zusammenstöße zwischen den Anhängern und Gegnern der
prowestlichen Regierung mitverantwortlich. Außerdem wirft sie den
ukrainischen Behörden massive Versäumnisse bei den Ermittlungen vor.
Als sich im Frühjahr 2014 nach dem Sturz des Janukowitsch-Regimes in den
östlichen und südlichen Regionen der Ukraine eine Protestwelle
prorussischer Sympathisanten verbreitete, kam es am 2. Mai in Odessa zu
einer Tragödie, bei der 48 Menschen getötet und über 200 verletzt wurden.
Die meisten von ihnen kamen beim Brand im Gewerkschaftshaus ums Leben.
Dort hatten sich die prorussischen Aktivisten verschanzt, nachdem bei
blutigen Zusammenstößen zwischen beiden Lagern im Zentrum von Odessa und
auf dem Platz Kulikowo Pole sechs Menschen zu Tode gekommen waren. Durch
das anschließend im Gewerkschaftshaus ausgebrochene Feuer, dessen Ursache
offenbar eine Brandstiftung war, starben 42 Menschen.
Die Arbeitsgruppe wurde vom ehemaligen Präsidenten des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg, Nicolas Bratza, geleitet.
Zwei weitere Mitglieder des Gremiums waren Vertreter der ukrainischen
Regierung beziehungsweise der Opposition.
## Systemfehler
Der Europarat moniert, dass die Ermittlungen nicht unabhängig waren und
weist auf Systemfehler bei den Zuständigkeiten ukrainischer Behörden hin.
So wurden Untersuchungen durch das ukrainische Innenministerium geleitet,
das eine Dienstaufsicht über die Polizei und die Feuerwehr hat. Beiden
Behörden in Odessa wird schweres Versagen vorgeworfen.
Die Juristen in der Beratungsgruppe kritisieren, dass die Polizei
seinerzeit fast nichts unternahm, um die Eskalation der Gewalt zu stoppen.
Gleichzeitig weist der Bericht darauf hin, dass die Polizei in Odessa
damals eng mit den sogenannten „Tituschki” zusammengearbeitet hat,
bezahlten Schlägern des Janukowitsch-Regimes.
Auf zahlreichen Videos und Fotos seien mit Feuerwaffen bewaffnete Anhänger
der Föderalisierung zu sehen, die sich im von der Polizei abgesperrten
Bereich oder hinter der Absperrung befinden. Mindestens einer von ihnen
gebe Schüsse in die Menge ab, und die Polizei habe nichts unternommen, um
diese Menschen festzunehmen, so der Bericht.
## Ungleiche Behandlung
Nicht weniger schwer sind die Vorwürfe gegen die Feuerwehr: Obwohl die
nächste Station sich nur fünf Minuten Fahrzeit vom Gewerkschaftshaus
entfernt befunden hat, dauerte es mehr als eine halbe Stunde, bis die
ersten Wagen eintrafen, kritisiert die Arbeitsgruppe.
Besorgniserregend sei auch eine offenbar ungleiche Behandlung von
Maidan-Anhängern und Gegnern. Ein Jahr nach der Tragödie war unter der 23
Tatverdächtigen nur ein Vertreter des proukrainischen Lagers. Scharf
kritisiert wurde auch ein ins ukrainische Parlament eingebrachter
Gesetzentwurf für eine Amnestie zugunsten der regierungsfreundlichen
Teilnehmer der Ausschreitungen.
Insgesamt ist der Bericht äußerst unangenehm für das offizielle Kiew,
dessen Stellungnahme bisher ausgeblieben ist. Die im Bericht präsentierten
Ergebnisse werden die Menschen in Odessa kaum verwundern. Nun sind sie eine
international anerkannte Tatsache geworden.
4 Nov 2015
## AUTOREN
Juri Durkot
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Ukraine
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