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# taz.de -- Ukraine-Konflikt in Odessa: Angst vor dem Zweifrontenkrieg
> Kritik aus den eigenen Reihen: Odessas neuer Gouverneur Saakaschwili geht
> auf Konfrontationskurs mit dem prorussischen Transnistrien.
Bild: Gedenken an die Opfer des Feuers im Gewerkschaftshaus von Odessa.
Odessa taz | Etwas aufgeregt steigt die weiß gekleidete Braut aus dem
weißen Mercedes mitten im Zentrum von Odessa. Der Bräutigam in weißer
Offiziersuniform schiebt sie auf die Straßenmitte, Richtung Standesamt. Es
folgt das obligatorische Foto vor dem weißen Opernhaus, einem der
Wahrzeichen der „Hauptstadt des Südens“.
Kaum hat der Fotograf sein letztes Foto geschossen, stürzt sich eine Gruppe
von Roma-Frauen auf das Paar, gratuliert den beiden und bittet um eine
Spende. Genervt steckt ein Brautzeuge ihnen diskret einige Scheine zu und
bittet sie zu verschwinden. Das Gedränge am Standesamt scheint der einzige
Konflikt in der Millionenstadt zu sein, der auch ethnische Untertöne hat.
„Hier in Odessa leben hundert Nationalitäten friedlich zusammen“, erklärt
Andrej Siderenko, Sprecher der regierungstreuen Odessaer Gruppe „Maidan
gegen Korruption“. Man habe es in der Stadt, die eine lange Tradition als
Stadt der Händler habe, gelernt, miteinander zu reden.
Dafür kochen die politischen Spannungen in der Hafenstadt. Das Datum des 2.
Mai erhitzt die Gemüter seit über einem Jahr. Am 2. Mai 2014 waren Dutzende
von Demonstranten bei einer Auseinandersetzung auf dem Platz Kulikove Polje
vor dem Gewerkschaftshaus in das Gebäude geflüchtet, wo sie dann bei einem
Brand des Hauses ums Leben kamen. Am Jahrestag des 2. Mai gedachten hier
Tausende der Toten. Eine Woche später, am 9. Mai, versammelten sich
Hunderte vor dem Denkmal des unbekannten Matrosen. Viele von ihnen trugen
das St.-Georgs-Bändchen, ein Erkennungszeichen für prorussisch und
proseparatistisch gestimmte Bürger.
## Man redet miteinander
„Informell stehen wir im Kontakt mit den Leuten des Anti-Maidan“, der
prorussischen Gegenbewegung, berichtet Slawa Tkatschenko von „Maidan gegen
Korruption“. „Das ist eben Odessa. Hier redet man miteinander. Und weil wir
miteinander reden, ist es dieses Jahr nicht erneut zur Gewalt gekommen.“
Jeden Sonntag versammeln sich einige Dutzend Anhänger des „Anti-Maidan“ vor
dem Kulikove Polje. Nachdem am 2. Mai dieses Jahres unerwartet viele
Menschen zu der Gedenkveranstaltung gekommen waren, gehen die Behörden hart
dagegen vor. „Unsere Gedenktafel mit den Fotos der Toten, die wir vor dem
Gewerkschaftshaus hatten, wurde Anfang Mai vernichtet“, berichtet ein
Aktivist.
Seit dem 9. Mai nähmen die Repressionen gegen die Gegner der Kiewer
Regierung zu, berichtet Nadeschda, die seit einem Jahr wöchentlich
herkommt, um ihrer Freundin zu gedenken. Bei mehreren
Anti-Maidan-Aktivisten habe die Polizei Hausdurchsuchungen durchgeführt. Es
herrsche ein Klima der Angst, so die 50-jährige Lehrerin.
## Geteilte Meinungen zum Gouverneur
Die Ernennung von Michail Saakaschwili zum neuen Gouverneur von Odessa sei
eine Katastrophe, so die Lehrerin. Seine Ankündigung, die Grenze zu der von
der Republik Moldau abgespaltenen prorussischen Republik Transnistrien
abzuriegeln und den Schmuggel von dort zu bekämpfen, mache ihr Angst. Schon
einmal habe Saakaschwili einen Krieg angefangen, als georgischer Präsident
2008 gegen Südossetien, und das mit dem Schmuggel aus Südossetien
begründet.
Beim „Maidan gegen Korruption“ hingegen setzt man auf Saakaschwili. Es sei
gut, dass der neue Gouverneur die Grenzen nach Transnistrien besser
kontrollieren wolle. Mit ihm werde man zusammenarbeiten, kündigt Andrej
Sidorenko an. „Schließlich haben wir ein gemeinsames Ziel: die Korruption
zu bekämpfen.“
11 Jun 2015
## AUTOREN
Bernhard Clasen
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Ukraine
Odessa
Michail Saakaschwili
Georgien
Ukraine
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