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# taz.de -- „Angekommen – Flüchtlinge erzählen“: Ein bisschen Englisch …
> In Transnistrien läuft die Propagandamaschine wie geschmiert. In
> Deutschland überleben Kaninchen in Parks. Warum sind alle so nett?
Bild: Das Wappen Transnistriens – in Wirklichkeit hängt die Transnistrische…
Nach Deutschland bin ich vor einem Jahr geflohen. Und zwar aus dem
berühmt-berüchtigten Transnistrien, einem von der Republik Moldau nicht
kontrollierten Bestandteil ihres Territoriums, das vor 25 Jahren
„unabhängig“ wurde. In Wirklichkeit hängt die Transnistrische Republik
Moldau komplett von Russland ab und tanzt ausschließlich nach der Pfeife
des Kreml.
In meinem Land ist die russische „friedenstiftende“ Armee stationiert, seit
Sowjetzeiten waltet das totalitäre Regime, vom „ruhmreichen“ KGB überwach…
In Militärlagern werden russische Waffen gehortet. Es gibt eine eigene
Armee, Grenze, Zoll, Geld und Papiere – die von keinem anerkannt werden.
Die Propagandamaschine läuft wie geschmiert, die Mehrheit der Bevölkerung
glaubt an ihren „Retter“ Putin, dessen Autorität unantastbar ist.
Unabhängige Presse existiert nicht, die Wirtschaft liegt brach. Ein
Eldorado für kritische Recherchen und investigative Journalisten!
Nur lässt dich hier keiner zu tief graben. Unter Umständen kann es dich
dein Leben kosten. Das musste ich am eigenen Leib erfahren. Ich bin wohl zu
weit gegangen und wurde vom KGB aufs Korn genommen. Schließlich musste ich
über Nacht meine Sachen packen und in Deutschland um Asyl bitten.
Der Abschied war schmerzhaft. Ich schaute aus dem Flieger auf mein Land.
Mein Herz blutete. Ich hoffte, dass ich es einmal wieder zu Gesicht
bekomme. Meine Rettung in der ersten Zeit waren ein paar Brocken Englisch.
Ich wusste gar nicht, dass die meisten Deutschen Englisch können.
Ich kam nach Berlin. Die allerersten Begegnungen mit Asylbewerbern
erschütterten mein Weltbild. Erstens: die unüberschaubaren Mengen.
Zweitens: die große Zahl der Muslimen unter ihnen. Und drittens: die
Tatsache, dass die absolute Mehrheit von ihnen gepflegt und anständig
angezogen war. Was meine Stereotype über Flüchtlinge komplett über Bord
warf. Sämtliche Papierangelegenheiten wurden blitzschnell erledigt. Nun war
ich ein gewöhnlicher Asylbewerber und Heimbewohner.
Die ersten drei Monate durfte ich den Innenstadtbereich nicht verlassen.
Ich lief durch die Straßen und sog alles in mich auf. Was für Einheimische
zur Norm gehörte, war für mich ein Ding der Unmöglichkeit. Wilde Kaninchen
im Tiergarten etwa. In meinen 37 Jahren hatte ich weder im Park noch im
Wald Kaninchen gesehen. Unsere Kaninchen sind längst aufgegessen. Die
Füchse laufen hier wie Hunde herum. Von Haushunden will ich gar nicht
reden. Die Einstellung der Deutschen zur Natur lässt mich vor Freude beben.
Auf den ersten Blick sind Deutsche naiv und harmlos. Sie lächelten ständig
und sind nett und freundlich. Ist das echt? Woher kommt das? Erst war ich
irritiert. Mittlerweile finde ich dieses Benehmen konstruktiv. Es baut
Aggressionen ab.
Am meisten genieße ich das Recht auf friedliche Proteste. In der Stadt
wimmelt es von Demos. Alle protestieren: die einen für Flüchtlinge, die
anderen für die Legalisierung von Marihuana, die Dritten für die Rechte der
Behinderten. Einmal bin ich in Kreuzberg auf eine Demo gestoßen, wo die
Teilnehmer völlig verschiedene Transparente trugen: LGBT-Rechte,
Umweltschutz, ja sogar Forderungen, die Griechenland-Krise zu lösen. Alle
bei derselben Demo! Sozusagen eine Demonstration für Demonstrationsfreaks.
## Logische Bürokratie
Die berüchtigte deutsche Bürokratie ist in meinen Augen logisch. Die
Straßen sind ruhig und sicher. Es ist eine andere Welt, eine, die unserer
entgegengesetzt ist. Daher wundert es nicht, dass alle, die nur
Entbehrungen und Chaos kennen, hier herströmen. Stellt euch vor, ihr wärt
an deren Stelle! Und diejenigen, die sich nicht integrieren lassen wollen,
müssen einfach draußen bleiben. Das scheint mir nur gerecht zu sein.
Ich habe Deutschland in mein Herz geschlossen. Für das Verhältnis des
Staates zu den Menschen. Für die Offenheit und Freundlichkeit der
Gesellschaft. Für seine Werte, die für viele Länder der Welt ein
unerreichbarer Traum sind. Ich kann hier ohne ins Schwitzen zu geraten an
einem Polizisten vorbeigehen! Da, wo ich her komme, löst bloße Nähe eines
Milizionärs einen Krampf, ein Unbehagen, eine innere Spannung aus. Hier
atme ich Freiheit.
Trotz Widrigkeiten, trotz Einsamkeit bin ich glücklich und dankbar, hier zu
sein.
Aus dem Russischen übersetzt von Irina Serdyuk
2 Oct 2015
## AUTOREN
Alexander Nikiforov
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