# taz.de -- Kommentar EU-Flüchtlingsgipfel: Erdogan, hilf! | |
> Der dunkle Herrscher der Türkei soll für die EU die | |
> Flüchtlingsdrecksarbeit machen. Dafür bekommt er Milliarden Euro und wird | |
> hofiert. | |
Bild: Guter Deal! Präsident Erdogan im Oktober 2015 | |
In der Not darf man nicht wählerisch sein. Mit diesem Satz aus dem | |
zynischen Handbuch der Realpolitik begründet die Europäische Union ihre | |
jüngste Wende in der Flüchtlingspolitik. | |
Wochenlang haben die 28 EU-Staaten tatenlos zugesehen, wie Hunderttausende | |
über die Türkei nach Griechenland und Europa geschleust wurden. Nun soll | |
damit Schluss sein: „Erdogan, hilf!“ heißt das neue Motto. Ausgerechnet der | |
autoritäre, in seinem eigenen Land heftigst umstrittene Staatschef Recep | |
Tayyip Erdogan soll der EU nun helfen, die Grenzen dicht zu machen und die | |
Flüchtlinge in der Türkei zurückzuhalten. | |
Dafür will sich Erdogan fürstlich belohnen lassen. Bis zu drei Milliarden | |
Euro Finanzhilfen, Visa-Erleichterungen, persönliche Einladungen auf die | |
EU-Gipfel sowie neue Beitrittsgespräche stehen auf seiner Wunschliste. | |
## Speichelleckerei statt Druck | |
Das ist nicht nur unverschämt, das dürfte eigentlich auch gar nicht wahr | |
sein. Als Beitrittskandidat ist die Türkei nämlich verpflichtet, sich | |
kooperativ zu zeigen. Zudem hat die Regierung schon ein | |
Rückführungsabkommen unterzeichnet. | |
Normalerweise müsste die EU deswegen Druck auf Erdogan ausüben, endlich | |
seine Hausaufgaben zu machen, das EU-Mitglied Zypern anzuerkennen, mit | |
Griechenland zusammenzuarbeiten und in der Flüchtlingspolitik zu helfen. | |
Stattdessen lassen sich Kanzlerin Merkel und ihre Kollegen am Nasenring | |
vorführen. Der Wackelkandidat darf die Bedingungen stellen - die EU-Chefs | |
hatten am Donnerstag nicht einmal Gelegenheit, sie ausführlich zu | |
diskutieren. | |
## EU verrrät ihre Werte – wieder einmal | |
Zwar wird über den Preis für diesen schmutzigen Deal noch gefeilscht. | |
Erdogan möchte sich dafür bezahlen lassen, dass er nicht noch zwei | |
Millionen Flüchtlinge auf die Reise nach Europa schickt, die EU will den | |
Preis drücken. | |
Doch das fatale Signal ist in der Welt: Für die vage Hoffnung, dass sich | |
die gescheiterte Politik der Abschottung doch irgendwie wiederbeleben | |
lasse, ist Europa bereit, seine Werte zu verkaufen. | |
Jetzt rächt es sich, dass die EU Erdogan nicht längst in die Schranken | |
gewiesen hat. Bei den Protesten im Gezi-Park 2013 hätte sie ihn zur | |
Verantwortung ziehen müssen. Damals begann der Verrat an den eigenen | |
Grundsätzen; in der Flüchtlingspolitik wird er auf die Spitze getrieben. | |
16 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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