# taz.de -- Flüchtlingspolitik in Europa: Merkel reist in die Türkei | |
> Die Bundeskanzlerin kommt am Sonntag mit dem türkischen Staatspräsidenten | |
> Erdogan zusammen. Kritiker werfen ihr Wahlkampfhilfe für die AKP vor. | |
Bild: Es geht auch um Grenzsicherung: Merkel und Erdogan kommen am Sonntag zu G… | |
ISTANBUL dpa | Wegen der Flüchtlingskrise in Europa reist Bundeskanzlerin | |
Angela Merkel am Sonntag zu politischen Gesprächen in die Türkei. In | |
Istanbul kommt die CDU-Vorsitzende mit Regierungschef Ahmet Davutoglu und | |
mit Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan zusammen. Ein Treffen mit | |
Oppositionsvertretern ist laut von der Bundesregierung veröffentlichtem | |
Besuchsprogramm nicht vorgesehen. Kritiker werfen Merkel vor, Erdogan und | |
die islamisch-konservative Regierungspartei AKP mit dem Besuch zwei Wochen | |
vor der Parlamentswahl aufzuwerten. | |
Die Türkei ist das wichtigste Transitland für Flüchtlinge auf dem Weg in | |
die EU. Das Land hat nach Erdogans Angaben 2,5 Millionen Schutzsuchende | |
alleine aus Syrien und dem Irak aufgenommen. Die Türkei hat drei Milliarden | |
Euro für die Versorgung der Menschen im Land gefordert – dreimal so viel | |
wie von der EU angeboten. Auch Visafreiheit für türkische Staatsbürger oder | |
die Einstufung der Türkei als sicheres Herkunftsland werden diskutiert. | |
Grünen-Chef Cem Özdemir warf Merkel Wahlkampfhilfe für Erdogan vor. „Ich | |
will keine deutsche Bundeskanzlerin, die Wahlkampf macht für einen | |
autoritären Herrscher“, sagte Özdemir am Samstag auf einem Parteitag der | |
bayerischen Grünen in Bad Windsheim. „Erdogan ist doch nicht die Lösung der | |
Probleme, sondern Erdogan ist eine personifizierte Fluchtursache durch die | |
Politik, für die er steht.“ Er erwarte, dass Merkel auch Vertreter der | |
Opposition treffe. | |
Linke-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht sagte Bild am Sonntag: „Merkels | |
Anbiederung an den Despot Erdogan ist eine moralische Bankrotterklärung. | |
Ausgerechnet mit dem Brandstifter Erdogan einen Pakt zur Abwehr von | |
Flüchtlingen anzustreben, zeigt das wahre Gesicht hinter Merkels | |
Willkommensmaske.“ | |
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sagte den Zeitungen der Funke | |
Mediengruppe: „Wir dürfen der Türkei nicht zu viele Zugeständnisse machen�… | |
Sie erklärte: „Es gebe erhebliche Defizite beim Umgang mit den wesentlichen | |
Grundrechten, vor allem bei der Meinungs- und Pressefreiheit. Auch die | |
Situation der Christen in der Türkei sei „äußerst kritisch"“. | |
## Politische Verantwortung | |
Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) nahm die Kanzlerin | |
hingegen in Schutz. „Würden wir uns an hehre Prinzipien klammern, dürften | |
wir nicht mit der Türkei reden, nicht mit Russland, nicht mit der Mehrheit | |
der Staaten dieser Welt. Das wäre ein falsches Verständnis von politischer | |
Verantwortung“, sagte er der Welt am Sonntag. Man müsse die politische | |
Verantwortung in erster Linie für sein Land wahrnehmen. „Man muss nicht | |
jeden Preis bezahlen, aber man muss mit manchen Leuten reden, wenn es | |
unserem Land nützt“, fügte er an. | |
Merkel selbst verteidigte ihre Reise. „Europa kann seine Außengrenze nicht | |
allein schützen, wenn wir nicht auch ein Abkommen mit der Türkei | |
schließen“, sagte Merkel am Samstag auf einem Kreisparteitag der CDU in | |
ihrem Wahlkreis in Grimmen. Die Kanzlerin kündigte vor dem Besuch an, auch | |
das Thema Menschenrechte werde eine Rolle spielen. | |
## Zunehmende Isolation | |
Trotz der eskalierenden Gewalt zwischen Regierung und der verbotenen | |
kurdischen Arbeiterpartei PKK zeigte Merkel sich grundsätzlich offen für | |
die Einstufung der Türkei als sicherer Herkunftsstaat. Der Frankfurter | |
Allgemeinen Zeitung sagte sie, die Türkei sei der einzige | |
EU-Beitrittskandidat, der diesen Status nicht habe. „Natürlich bereiten uns | |
die Achtung der Menschenrechte oder die Situation der Kurden weiter Sorgen, | |
dennoch hielte ich es für falsch, der Türkei diesen Status grundsätzlich zu | |
verweigern.“ | |
Merkel reist am Sonntagabend wieder aus der Türkei ab. Es ist ihr erster | |
Besuch in der Türkei seit Februar 2013. Im Sommer 2013 hatte Erdogan – | |
damals als Ministerpräsident – die regierungskritischen Gezi-Proteste | |
niederschlagen lassen. Er ist wegen seines autokratischen Herrschaftsstils | |
im Westen zunehmend isoliert. | |
18 Oct 2015 | |
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