# taz.de -- CDU-Bezirksparteitag in BaWü: Ein Orban-Mann in der tiefen Provinz | |
> Die CDU-Basis ist beim Thema Flüchtlinge gespalten. In Baden-Württemberg | |
> durfte nun ein Minister Viktor Orbans auf einem Parteitag reden. | |
Bild: Hatte eine knappe Stunde Zeit, um seine Abneigung gegen Flüchtlinge darz… | |
STUTTGART taz | Es war eine gezielte Provokation und die wird auch im | |
fernen Berlin verstanden. Der ungarische Minister für Humanressourcen | |
Zoltán Balog war Stargast beim CDU-Parteitag des Bezirks | |
Württemberg-Hohenzollern, eingeladen vom örtlichen Bundestagsabgeordneten | |
Thomas Bareiß. Jener Balog, der in deutschen Talkshows derzeit die | |
unerbittliche Flüchtlingspolitik Orbans verteidigt und die deutsche | |
Regierung beschuldigt, mit der Grenzöffnung gegen EU-Recht verstoßen zu | |
haben. | |
Es sei Zeit, in Europa miteinander statt übereinander zu reden, | |
rechtfertigt Bareiß den Auftritt des Ministers am Freitagabend im | |
baden-württembergischen Bad Saulgau. Kurz zuvor hat er selbst eine | |
schneidige Rede zur Flüchtlingspolitik gehalten, die mehr nach Seehofer als | |
nach Merkel klang. | |
Dann redet Zoltán Balog fast eine Stunde auf Deutsch zu den Delegierten. | |
Balog appelliert an gemeinsame „christlich-jüdische Werte“ und empfiehlt | |
statt Einwanderung eine Familienpolitik à la Ungarn: Steuerbefreiung für | |
kinderreiche Familien etwa. Er rechtfertigt die ungarischen Grenzzäune und | |
die Flüchtlingsabwehr. „Polizeimaßnahmen sehen nirgends schön aus“, sagt | |
Balog. | |
Das mag einige im Saal an den schwarzen Donnerstag im Stuttgarter | |
Schlossgarten vor fünf Jahren erinnern, als der bislang letzte | |
CDU-Ministerpräsident Stefan Mappus Wasserwerfer gegen friedliche | |
Stuttgart-21-Gegner auffahren ließ. Auch diese Bilder waren es, die die CDU | |
damals die Macht kosteten. | |
Und Balog spielt Schwache gegen Schwächste aus, wie ihm später eine | |
Delegierte vorwirft. Ausgerechnet die Roma in Europa sind für Balog | |
plötzlich eine Hoffnung für den Arbeitsmarkt. So begründet er die | |
restriktive Einwanderungspolitik seines Landes. | |
Er fragt: „Muss man sich auf einem CDU-Parteitag denn dafür rechtfertigen, | |
dass man rechts von der Mitte steht?“ Auch für diese Bemerkung bekommt | |
Balog befremdlich viel Applaus, gelegentlich sogar Jubel. | |
Balog kanalisiert an diesem Abend den Frust vieler Unionsmitglieder. Die | |
ganz große Koalition von Kretschmann bis Merkel in der Flüchtlingsfrage | |
macht es der Südwest-CDU schwer, das Thema für den Wahlkampf zu nutzen. Und | |
vor allem vielen jungen Parteimitgliedern, die Balog zujubeln, passt | |
offenbar die ganze Richtung von Angela Merkels Politik nicht. | |
## Kritik an Balogs Auftritt | |
Aber nicht alle applaudieren an diesem Abend. Am Tag darauf wird eine | |
Landrätin sagen: „Trauen sie nicht denen, die einfache Antworten bieten. | |
Die Lügen.“ | |
Deutlicher wird Stephan Neher, junger Oberbürgermeister in Rottenburg am | |
Neckar. Er findet nur ein Wort für Balogs Auftritt: „Eine Katastrophe!“ Der | |
Ungar, der einmal Pfarrer war, stehe nicht für jene christlichen Werte, die | |
er kenne, sagt Neher. 2.000 Flüchtlinge leben derzeit in seiner Stadt, aber | |
er sieht die Kapazitätsgrenzen noch weit entfernt. „In meiner Bibel steht | |
nichts von Ausgrenzung“, sagt der Christdemokrat. | |
Stephan Neher hat am Tag vor dem Parteitag für einiges Aufsehen gesorgt, | |
weil er 26 CDU-Bürgermeister und zehn Landräte in Baden-Württemberg zu | |
einem Unterstützerbrief für Angela Merkel zusammengetrommelt hatte. Die | |
Kernaussage des Briefes ist das glatte Gegenteil dessen, was Balog, Teile | |
seiner Partei und die CSU zur Flüchtlingspolitik sagen. | |
Neher sagt auf dem Parteitag: „Es ist leicht, in ruhigen Zeiten als | |
Oberbürgermeister Geld an die Bürger zu verteilen. Ich bin aber dafür | |
gewählt, schwierige Situationen zu meistern“, sagt Neher. Auch er bekommt | |
Applaus von Delegierten. | |
Eins wird an diesem befremdlichen CDU-Abend mit Orbans Mann in der tiefen | |
Provinz deutlich: Die Basis im schwäbischen Kernland der Union ist in der | |
Flüchtlingsfrage hin- und hergerissen. Zwischen einer grimmigen | |
Grenzen-zu-Politik Victor Orbans und dem optimistischen „Wir-schaffen-das“ | |
der Kanzlerin. | |
Thomas Bareiß sagt nach dem Auftritt von Zoltán Balog zufrieden: Er könne | |
sich nicht daran erinnern, wann auf einem Parteitag seines Bezirks zuletzt | |
so lebhaft diskutiert wurde. Das ist noch das Beste, was man über den | |
Auftritt von Balogs in Bad Saulgau sagen kann. | |
Dieser Artikel wurde um 18.38 Uhr korrigiert. In einer früheren Version | |
hieß es, dass Stephan Neher 22 CDU-Bürgermeister für seinen Brief gewonnen | |
habe. | |
17 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Benno Stieber | |
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