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# taz.de -- Klage gegen Racial Profiling: Zu Unrecht kontrolliert
> Das Verwaltungsgericht Stuttgart gibt einem Deutsch-Afghanen recht, der
> sich von der Bundespolizei diskriminiert fühlte.
Bild: Verstößt gegen EU-Recht: systematischen Kontrollen der Bundespolizei in…
Freiburg taz | Die anlasslose „Schleierfahndung“ der Bundespolizei an
deutschen Binnengrenzen verstößt gegen EU-Recht. Das hat an diesem Freitag
das Verwaltungsgericht Stuttgart festgestellt.
Kläger war der 30-jährige Ilyas Ahadi*, ein deutscher Staatsbürger, der in
Kabul geboren wurde. Der Deutsch-Afghane arbeitet für die deutsche
Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Im November 2013 fuhr
er mit dem ICE von Berlin nach Freiburg.
Zwischen Baden Baden und Offenburg, also in der Nähe der Grenze zu
Frankreich, ging eine Streife der Bundespolizei durch den Zug, auf der
Suche nach illegal eingereisten Einwanderern. Bei Ahadi führte sie eine
Ausweiskontrolle durch.
Da von den acht Personen in seinem 1. Klasse-Waggon nur er kontrolliert
wurde, fühlte Ahadi sich diskriminiert. Ahadi ging vor Gericht und berief
sich auf das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes, das in Artikel 3
festgeschrieben ist.
## Gegen EU-Recht
Das Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart gab seiner Klage nun statt, aber aus
einem ganz anderen Grund. Schon die Norm, die der Bundespolizei solche
Kontrollen erlaubt, verstoße gegen EU-Recht.
Das Bundespolizeigesetz ermöglicht den Polizisten anlasslose
Personenkontrollen „im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern“
(Paragraf 23). Solche Kontrollen werden als „Schleierfahndung“ bezeichnet,
weil die Polizei in einem Schleier hinter der Grenze kontrollieren kann.
Die Schleierfahndung wurde eingeführt als Ersatz für die Grenzkontrollen,
die an den EU-Binnengrenzen seit den 90er-Jahren nicht mehr zulässig sind.
Genau deshalb wurde die Schleierfahnung nun aber auch vom VG Stuttgart
beanstandet. Sie verstoße gegen den Schengener Grenzkodex, der der Polizei
zwar Stichproben erlaubt, aber Kontrollen verbietet, die systematischen
Grenzkontrollen gleichkommen. Da diese EU-Verordnung über dem deutschen
Bundespolizeigesetz stehe, habe die Polizei Herrn Ahadi ohne
Rechtsgrundlage, also rechtswidrig, kontrolliert, so die Richter. Das
deutsche Gesetz könne den Anforderungen des EU-Rechts nur gerecht werden,
wenn es verbindlich regelt, wie häufig und intensiv die Bundespolizei
solche Kontrollen durchführt. Diese Änderung müsste der Bundestag
vornehmen.
Das Urteil gilt zunächst nur in Teilen Baden-Württembergs und ist noch
nicht rechtskräftig. Allerdings gibt es zwei Indizien, dass sich die Sicht
der Stuttgarter Richter letztlich durchsetzen wird. Zum einen hat die
EU-Kommission bereits voriges Jahr ein Vertragsverletzungsverfahren gegen
Deutschland eingeleitet, in dem genau diese Norm des Bundespolizeigesetzes
beanstandet wurde.
## Kläger noch nicht zufrieden
Letztlich wird wohl der Europäische Gerichtshof (EuGH) darüber entscheiden.
Und der EuGH hat schon 2010 in einem Fall aus Frankreich die dortige Norm
beanstandet, die verdachtsunabhängige Kontrollen in einem Korridor von 20
Kilometern zur Grenze erlaubte (Fall Meliki).
Der Anwalt des Klägers ist dennoch nicht ganz zufrieden. Zwar war seine
Klage erfolgreich. Die Stuttgarter Richter ließen aber ausdrücklich offen,
ob eine rassistische Diskriminierung von Ilyas Ahadi vorlag. Eigentlich
hatte Ahadi ja nicht gerügt, dass im Grenzgebiet zu systematisch
kontrolliert wird, sondern dass die Stichprobe nach rassistischen Kriterien
erfolgte.
Und auch der Streit um verdachtsunabhängige Kontrollen dürfte noch lange
weitergeheben. Auch ohne Schleierfahndung im Grenzgebiet, stehen der
Polizei noch anderen Normen für anlasslose Kontrollen zur Verfügung, etwa
in Bahnhöfen und Fernzügen. Solche Normen finden sich im
Bundespolizeigesetz (Paragraf 22) und in diversen Landespolizeigesetzen.
Das Büro für Umsetzung von Gleichbehandlung (BUG), das Kläger Ahadi
unterstützte, sieht auch in diesen Normen einen Verstoß gegen den
Schengener Grenzkodex. Die EU-Kommission hat sich dem jedoch bisher noch
nicht angeschlossen.
*Name geändert
NaN NaN
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Polizei
Racial Profiling
Grenzkontrollen
Schwerpunkt Polizeikontrollen in Hamburg
Düsseldorf
Bremen
Schengen-Abkommen
Racial Profiling
Racial Profiling
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