# taz.de -- Antirassist über Racial-Profiling-Prozess: „Eine Lebenslüge der… | |
> Biplab Basu wurde im Zug nach Dresden von Polizisten kontrolliert – nur | |
> weil er schwarz ist, wie er sagt. Das Verwaltungsgericht soll den Fall | |
> nun klären. | |
Bild: Protest gegen Racial Profiling in den USA. | |
taz: Herr Basu, an diesem Mittwoch beginnt vor dem Verwaltungsgericht | |
Dresden ihr Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland – wegen | |
„Personalienfeststellung“. Was ist vorgefallen? | |
Biplab Basu: Im Juli 2012 fuhr ich zusammen mit meiner Tochter mit dem Zug | |
von Prag nach Dresden. Auf einmal hielt der Zug an. Meine Tochter und ich | |
saßen alleine in einem Abteil. Als ich aus dem Fenster blickte, entdeckte | |
ich auch schon ein paar Bundespolizisten. Da wusste ich: Wir sind wieder in | |
der BRD. Zu meiner Tochter sagte ich: „Die kommen bestimmt sofort zu uns.“ | |
Tatsächlich gingen die Polizisten an allen anderen Abteilen des Waggons | |
vorbei, ohne zu kontrollieren. Dann kamen sie zu uns. Einer der beiden | |
Polizisten fragte mich nach meinem Ausweis. | |
Ein ganz normaler Vorgang also: Personenkontrolle im Grenzbereich. | |
Nein, in allen anderen Abteilen saßen weiße Menschen. Ich bin ja vorher an | |
den Abteilen vorbeigegangen und habe die Leute gesehen. Deshalb fragte ich | |
den Polizisten: „Gibt es einen Grund, dass Sie ausgerechnet meinen Ausweis | |
sehen möchten?“ Der antwortete: „Ja, wir machen eine stichprobenartige | |
Grenzkontrolle, um illegale Einwanderung zu verhindern.“ – „Interessant. | |
Warum bin ich denn der erste Fahrgast, den Sie kontrollieren? Gibt es einen | |
bestimmten Grund?“ – „Nein, es ist wie gesagt nur eine Stichprobe“, sag… | |
der Polizist. Daraufhin sagte ich: „Ich glaube schon, dass Sie einen Grund | |
haben. Es ist meine Hautfarbe. Das ist rassistisch.“ | |
Wie hat der Polizist reagiert? | |
Er hat gesagt, dass er meine Äußerung als beleidigend auffassen und mich | |
anzeigen könne. Er würde aber noch einmal davon absehen. Dann habe ich ihn | |
nach seiner Dienstnummer und seinem Namen gefragt und mir beides | |
aufgeschrieben. Anschließend hat er meine Personalien aufgenommen. | |
Damit war der Fall dann aber erledigt, oder? | |
Nein. Kurze Zeit später sind der Polizist und sein Kollege noch einmal | |
zurückgekommen. „Wissen Sie was, auf dieser Strecke gibt es sehr viel | |
Schmuggel“, sagte er zu mir. „Achso, so ist das. Warum haben Sie mir das | |
nicht gleich gesagt. Dann hätte ich sofort verstanden“, sagte ich ein | |
bisschen ironisch. | |
War es das erste Mal, dass Sie einen solchen Vorfall erlebt haben? | |
Nein, 1997 habe ich schon einmal etwas Ähnliches erlebt. Damals war ich mit | |
einem ARD-Team in Sachsen unterwegs, genauer: in Zittau. Es ging darum, | |
dass Taxifahrer, die im Grenzbereich fuhren, verdächtigt wurden, Schmuggler | |
zu transportieren. Ich sollte versuchen, mich von einem Taxi mitnehmen zu | |
lassen. Der Fahrer wollte aber nicht, dass ich in sein Taxi steige. Er | |
fragte mich nach meinem Ausweis. Dann rief er den Bundesgrenzschutz. Das | |
mussten die Taxifahrer in dieser Region damals tun. Später sagte eine | |
Polizistin, die mich für verdächtig hielt, dass sie bei solchen Kontrollen | |
nur ihrem Instinkt folge. Ihr Instinkt hatte ihr also gesagt: Der ist ein | |
potenzieller Schmuggler. | |
Haben Sie damals auch Anzeige erstattet? | |
Nein, damals hatte ich nicht genug Geld. Heute will ich aber bis zum Ende | |
gehen. Ich habe zwar keine finanzielle Unterstützung, werde aber alles tun, | |
um die Prozesskosten tragen zu können. | |
Gehen Sie davon aus, dass es zu einem Urteil in ihrem Sinne kommen wird? | |
Ich denke nicht. Das Gericht wird urteilen, dass Paragraph 23 des | |
Bundespolizeigesetzes [„Identitätsfeststellung und Prüfung von | |
Berechtigungsscheinen“, Anm. d. Red.] solche Kontrollen erlaubt. Dieser | |
Paragraph ist aber nicht verfassungskonform. | |
Nicht verfassungskonform? Man könnte auch sagen, dass stichprobenartige, | |
verdachtsunabhängige Personenkontrollen im Grenzgebiet etwas völlig | |
Normales sind. | |
Zunächst einmal: Deutschland ist ein Land, das innerhalb des Schengenraums | |
liegt. Es hat keine Schengenaußengrenzen. Zudem werden nur wenige und eben | |
bestimmte Leute kontrolliert. Wenn Deutschland eine Schengenaußengrenze | |
hätte und dort jeden kontrollieren würde, könnte ich das verstehen. Hier | |
geht es aber um die gezielte Kontrolle von Menschen, die eine andere | |
Hautfarbe haben. Außerdem: Verdachtsunabhängige Kontrollen gibt es nicht. | |
Bei jeder Kontrolle gibt es einen Verdacht – und folglich muss es auch | |
Kriterien geben, nach denen die Verdächtigen ausgewählt werden. Bei | |
Grenzkontrollen gegen illegale Einwanderung oder Schmuggel sind das | |
rassistische Kriterien. Damit verstoßen die Kontrollen gegen Artikel 3 des | |
Grundgesetzes, in dem es heißt, dass kein Mensch wegen seiner Rasse, seiner | |
Sprache, seiner Herkunft usw. benachteiligt werden darf. | |
Wenn Sie mit dem Prozess doch erfolgreich sein sollten – was erhoffen Sie | |
sich? | |
Wenn ich erfolgreich sein sollte, müsste die Bundesregierung reagieren, das | |
heißt politische Konsequenzen ziehen. Die erste wäre, endlich anzuerkennen, | |
dass es „racial profiling“ gibt. Im Bundestag werden regelmäßig Anfragen … | |
diesem Thema gestellt. Die Antwort ist dann immer: „Racial profiling gibt | |
es bei uns nicht.“ Das ist eine Lebenslüge der Bundesrepublik – und zwar | |
eine gefährliche Lüge. Denn sie ermöglicht es den Behörden, weiterhin | |
rassistisch zu agieren. Die scheinbar notwendige Verbindung zwischen | |
Straftat und Hautfarbe muss aber endlich raus aus den Köpfen der Beamten. | |
20 May 2015 | |
## AUTOREN | |
Philipp Idel | |
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