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# taz.de -- Weltbank plant Milliardenanleihe: Kommt der „Flüchtlings-Soli“?
> Weltbank und IWF beraten über finanzielle Lösungen in der Debatte um
> Flüchtlinge. Steuererhöhungen stehen dabei laut Bundesregierung noch
> nicht zur Diskussion.
Bild: Hier leben mehr als 80.000 Flüchtlinge: das Lager Zaatari in Jordanien �…
Lima dpa | Wolfgang Schäuble holt tief Luft, windet sich und sagt: „Solche
Fragen sollten Sie einem Finanzminister in einer Pressekonferenz nicht
stellen.“ Um dann gleich nachzuschieben. „Und außerdem ist das ja Sache der
EU-Kommission.“
Die Frage am Rande der Tagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und
Weltbank in Lima lautete konkret: Wird es in Europa eine Art
„Flüchtlings-Soli“ – etwa über einen Aufschlag auf die Mehrwert- oder
Mineralölsteuer – geben, um das EU-Budget aufzustocken und so Kosten der
Flüchtlingskrise zu meistern?
Schäuble äußert sich alles andere als klar. Nimmt aber zumindest das Wort
„Steuern“ nicht in den Mund, spricht von europäischen Lösungen und betont:
„In Deutschland haben wir fiskalischen Spielraum.“ Andere in Europa hätten
aber möglicherweise nicht ganz so viel: „Und trotzdem muss das Problem
gelöst werden.“ Zusätzlicher Finanzbedarf aber werde nicht allein aus dem
mittelfristigen Budgetrahmen der EU zu bedienen sein.
Was Schäuble letztlich meint: Sollte die EU mehr Geld brauchen, um
Flüchtlingslager rund um Syrien, Maßnahmen an den EU-Außengrenzen oder neue
Verteillager zu finanzieren, könnte Deutschland das aus dem Haushalt
stemmen – notfalls über neue Schulden. Aber nicht über höhere Steuern oder
Sonder-Abgaben. Bei anderen EU-Partnern sieht das möglicherweise anders
aus.
Im Kanzleramt war man von den aus Lima eintrudelnden unklaren
Schäuble-Aussagen wohl wenig erfreut. Rasch ließ Kanzlern Angela Merkel
(CDU) über Regierungssprecher Steffen Seibert klarstellen: „Es bleibt
dabei: Weder wollen wir Steuererhöhungen in Deutschland, noch wollen wir
die Einführung einer EU-Steuer.“ Die prompte Reaktion ist sicher auch Folge
des Dauerärgers mit der CSU. Nur keine neue Front aufmachen. Gilt doch das
Wahlkampf-Versprechen von CDU/CSU: Keine Steuererhöhungen bis 2017.
## Syriens Nachbarländer fordern mehr Unterstützung
Dabei spricht Schäuble nur das aus, was andere bisher meiden: Um den
Flüchtlingsstrom nach Deutschland einzudämmen, muss mehr Geld als
Unterstützung für andere Länder in die Hand genommen werden – für
Griechenland, die Türkei, Libanon und Jordanien. Und Schäubles zweite
Ansage: Das Thema muss jetzt erörtert werden.
Beim Treffen der Finanzelite wird das längst getan. Vor allem in der „Sala
Lima 1“ – es wirkt wie eine Krisensitzung zur Lage im Mittleren Osten. Wie
ernst diese ist, zeigt die Anwesenheit von UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon
und Weltbank-Präsident Jim Yong Kim. Dutzende Minister und Staatssekretäre
aus der ganzen Welt sitzen hier, um über die dramatische Flüchtlingskrise
zu beraten.
„Wir haben bei uns 1,7 Millionen Flüchtlinge bei vier Millionen
Einwohnern“, betont der Generaldirektor des libanesischen
Finanzministeriums, Alain Bifani. Das entspräche 40 Prozent der eigenen
Bevölkerung. „Nur, um mal die Größenordnung klar zu machen: Das ist in etwa
so, als wenn die gesamte Bevölkerung Mexikos in die USA übersiedeln und
dort wohnen würde.“ Ein paar Millionen helfen da nicht weiter, man brauche
mehr Schulen, Krankenhäuser, Unterkünfte. „Wenn uns nicht stärker geholfen
wird, gehen die Flüchtlinge woanders hin.“ Genau das müssen Schäuble und
Merkel fürchten.
Der Weltbank-Präsident hat eine Idee im Gepäck. Zusammen mit der
Islamischen Entwicklungsbank soll eine Sonder-Anleihe aufgelegt werden, um
die Krisenregion wirtschaftlich zu stärken. Und um Nachbarländern wie
Jordanien und dem Libanon zu helfen, damit die Flüchtlinge bessere
Bedingungen bekommen. Mit Hilfe der Bonds sollen also zusätzliche
Milliardensummen mobilisiert werden.
„Wir müssen jetzt beginnen, in eine neue Zukunft für den Mittleren Osten
und Nordafrika zu investieren“, mahnt Jim Yong Kim. Und Ban Ki-Moon betont,
zehn Millionen Menschen benötigten dringend humanitäre Hilfe in Syrien und
den angrenzenden Staaten: „Das ist eine schreckliche Situation.“ Die
russischen Luftschläge in dem Land kritisiert er als kontraproduktiv – aber
wie eine politische Lösung aussehen soll, weiß er auch nicht.
Weltbank-Präsident Kim schätzt die Kosten durch die Zerstörungen des
Krieges nur in Syrien auf 170 Milliarden Dollar – gibt es hier irgendwann
mal Frieden, müssen für den Wiederaufbau nochmal große Summen mobilisiert
werden. Über 15 Millionen Menschen in der ganzen Region hätten ihre Häuser
verloren – Ban Ki-Moon erinnert auch an Großkonflikte wie im Jemen. „Es ist
die größte Vetriebenen-Krise seit dem Zweiten Weltkrieg“, so Kim.
Und die ist noch lange nicht zu Ende – Schäuble und Bundesbank-Präsident
Jens Weidmann sind sich in Lima einig: Die Risiken für den deutschen
Steuerzahler kann heute noch niemand beziffern.
11 Oct 2015
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