# taz.de -- Horst Seehofers Flüchtlingspolitik: Niemand soll mehr rein | |
> Der CSU-Chef will Flüchtlinge an der österreichischen Grenze abweisen. | |
> Für Pro Asyl ist das ein „Angriff auf den Rechtsstaat“. Wien will seine | |
> Kontrollen verschärfen. | |
Bild: Hat mal wieder vollmundige Ansagen gemacht: Horst Seehofer. | |
MÜNCHEN/BERLIN dpa/afp | In der Flüchtlingskrise droht neuer Streit | |
zwischen CSU-Chef Horst Seehofer und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). | |
Angesichts der hohen Flüchtlingszahlen will Bayern erreichen, dass | |
Flüchtlinge schon an der deutsch-österreichischen Grenze abgewiesen werden. | |
Zudem kündigte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) in der Bild-Zeitung | |
nun öffentlich an, neu ankommende Asylbewerber direkt in andere | |
Bundesländer weiterzuleiten. Merkel hingegen stellt vor CDU-Mitgliedern in | |
Wuppertal klar, dass Menschen, die vor Terror, Gewalt und Krieg fliehen, in | |
Deutschland weiter willkommen sind. | |
Seehofer will die entsprechenden Schritte, über die innerhalb des Kabinetts | |
in München seit gut einer Woche diskutiert wird, in einer Sondersitzung an | |
diesem Freitag beschließen lassen. „Da geht es um Integration, Bildung und | |
Ausbildung“, sagte Seehofer der Zeitung und betonte: „Hinzu kommen | |
ausdrücklich auch Maßnahmen der Notwehr zur Begrenzung der Zuwanderung, wie | |
etwa Zurückweisungen an der Grenze zu Österreich und unmittelbare | |
Weiterleitung neu eintreffender Asylbewerber innerhalb Deutschlands.“ Wie | |
dies konkret funktionieren soll, ließ er jedoch offen. Die Grenzen werden | |
von der Bundespolizei geschützt, die nicht Bayern, sondern | |
Bundesinnenminister Thomas de Maizière unterstehen. | |
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl hat mit scharfer Kritik auf die | |
Ankündigungen von Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) reagiert, | |
Flüchtlinge notfalls nach Österreich zurückschicken. „Dies ist ein Angriff | |
auf den Rechtsstaat“, erklärte Pro Asyl am Freitag. „Ein kurzer Prozess an | |
den Landgrenzen entbehrt jeder rechtsstaatlichen Grundlage.“ Nach EU-Recht | |
dürfe Deutschland Flüchtlinge nicht in den Nachbarstaat Österreich | |
zurückweisen, sondern nur in den zuständigen EU-Staat. | |
Österreich kündigte an, es werde auf mögliche „Notmaßnahmen“ Bayerns | |
reagieren. „Wenn Bayern beginnt, hier die Flüchtlingsströme zu | |
verlangsamen, hier mehr zu kontrollieren, dann wird auch Österreich dazu | |
übergehen müssen, hier den Flüchtlingsstrom zu verlangsamen und hier auch | |
intensiver und umfassender zu kontrollieren“, sagte die österreichische | |
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner am Donnerstag bei einem Treffen in | |
Luxemburg. Die meisten Flüchtlinge auf der Balkanroute erreichen Österreich | |
von Ungarn aus. | |
Bayern stört vor allem, dass Österreich Flüchtlinge ungehindert nach Bayern | |
weiterreisen lässt. Tag für Tag kommen deshalb immer noch mehrere tausend | |
Flüchtlinge über die Grenze. | |
## Der Balkan mauert auch | |
Österreichs Außenminister Sebastian Kurz sagte dazu: „Wir haben die | |
Situation, dass die Überforderung von Staaten dazu geführt hat, dass jeder | |
weitergewunken hat und das ist gleich schlecht, ganz egal, wer es tut. | |
(...) Und solange wir nicht die EU-Außengrenzen in den Griff bekommen, wird | |
dieser Zustand weiter anhalten.“ Allerdings sei Österreich ebenso wie | |
Deutschland eines der Länder mit der höchsten Zahl an Flüchtlingen pro | |
Kopf. | |
Merkel betonte bei einer Mitgliederkonferenz zur geplanten Parteireform am | |
Donnerstagabend in Wuppertal, [1][sie wolle ihre asylfreundliche Politik | |
fortführen]. Zugleich bekräftigte sie aber auch, dass jeder, der keinen | |
Asylgrund habe, Deutschland wieder verlassen müsse. „Ich kann zusagen, dass | |
wir diesen Prozess ordnen, steuern und das Problem lösen“, sagte sie. Dies | |
könne aber nur gemeinsam mit internationalen Partnern geschehen und brauche | |
daher Zeit. „Bis dahin wird das eine wahnsinnige nationale | |
Kraftanstrengung.“ | |
Bei dem Treffen in Luxemburg sagten die Balkanländer der EU Hilfe zu, um | |
Migranten auf deren Weg nach Westeuropa aufzuhalten. So sollen Länder wie | |
Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Serbien, Albanien, Montenegro und Kosovo | |
ihre Grenzen künftig besser schützen. | |
Gleichzeitig sollen die Balkanstaaten Migranten besser unterbringen, | |
Asylverfahren schneller abwickeln und abgelehnte Bewerber abschieben. Ziel | |
ist auch, gegen Menschenschmuggler und illegale Einwanderung vorzugehen. | |
„Gemeinsame Verantwortung muss in gemeinsames Handeln umgesetzt werden“, | |
steht in der Erklärung der Konferenz. Zuvor hatten die EU-Innenminister bei | |
einem Treffen beschlossen, abgelehnte Asylbewerber und sogenannte | |
Wirtschaftsmigranten künftig schneller abzuschieben. | |
9 Oct 2015 | |
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