# taz.de -- Die Wahrheit: Hilfe, Exo-Belletristik! | |
> Buchmesse 2015, ein Rückblick: Aliens erobern den irdischen Markt mit | |
> galaktischer Literatur, die sich liest, wie von einem fremden Planeten. | |
Bild: Eines der neuen Gesichter am Literaturhimmel. | |
Sie nennen sich XXC4P, Kukulu Mukta, Asmogan Asbápc oder schlicht 001-110 – | |
die neuen Stars des Literaturhimmels, die auch auf der jüngst zu Ende | |
gegangene Frankfurter Buchmesse für Aufsehen sorgten. In grellen Outfits | |
mit Glitzer und Bling-Bling setzten sie einen Gegenpol zu den altgedienten | |
Autoren in Tweed und Cordhosen. Nötig war dieser spacige Aufzug allemal, | |
geben die Herren, Damen und Roboter doch vor, Schriftsteller von anderen | |
Planeten zu sein. | |
Ob hinter den intergalaktischen Pseudonymen Aliens stecken, wird von | |
manchen bezweifelt. Doch Literaturexperten sind sich einig, dass deren | |
Werke wie vom anderen Stern wirken. Das aus dem Band „Blasensprung Halb 3“ | |
entnommene Gedicht „String Tausigma“ aus der Phaserfeder von Transmuktarier | |
XXC4P ist ein perfektes Beispiel: „Gnösen öden / Böden töten / sieben, | |
sieben, sieben / die Flappe schrubbt / Habakuk / acht, acht, elf / | |
Garstgarst, am Ast / Malamala in Damast / einszwo / Der Wind erregt | |
gepflegt / Stopp.“ Wer sich da nicht wegbeamen will, hört vermutlich auch | |
klingonische Opern. | |
## Binärsprache: ausdrucksstarke Präsentation | |
Aber nicht nur die Poesie aus den tiefen des Alls verzückt die hiesige | |
Literaturgemeinde, auch Erzählungen fallen wie Kometen auf die Erde herab | |
und sorgen für Deep Impact im Verlagswesen. Das Werk „011111110“ von | |
Roboterautor 001-110 ist gänzlich in Binärsprache verfasst. Sprich: Es | |
besteht nur aus Nullen und Einsen. Für Menschen sei das nahezu unlesbar, | |
meinen viele, andere loben die ausdrucksstarke Präsentation, die zur | |
intensiven Beschäftigung mit dem Material einlädt. Um was es in dem Buch | |
genau geht, will indes niemand verraten. | |
Gegen Kritik wehrt man sich auf Verlegerseite energisch: „Bloß weil es | |
keiner versteht, heißt das nicht, dass es keine Kunst ist!“, erklärt Horst | |
Dualiko vom Bitbit-Verlag. Außerdem könne man die Güte eines literarischen | |
Werks nicht an seiner Zugänglichkeit messen. „Der ‚Butt‘ von Günter Gra… | |
liest sich doch auch wie eine unendliche kryptografische Passphrase“, meint | |
Dualiko und rückt das Buch von 001-110 in die Nähe des | |
Literaturnobelpreisträgers. Der Erfolg gibt ihm recht, kürzlich erschien | |
das Werk auch als 1.011 Meter langer Lochstreifen mit liebevoll | |
maschinengestanzen Löchern. Eine Übersetzung ins Hexadezimalsystem ist | |
ebenfalls geplant – das Buch soll dann „FE“ heißen. | |
## „James-T.-Kirk-Preis in Uniformbeige“ | |
Etwas zugänglicher, wenn auch nicht weniger verwirrend, ist der neueste | |
Roman „Böse Früchte“ von Kukulu Mukta, den auf der Buchmesse | |
fälschlicherweise viele für einen Inder hielten. In Wahrheit kommt das | |
kleinwüchsige Wesen mit sechs Armen und Rüssel aber vom Planeten Zuse. Dort | |
spielt auch das Buch, in dem drei polymorphe Aggrolyten um die | |
Vorherrschaft beim Drehschwanzbingo kämpfen. Dazu ist ihnen jedes Mittel | |
recht. Sie schrecken auch vor Waffengewalt und Intrigen nicht zurück. Das | |
8.516 Seiten starke Werk spinnt dabei Handlungsfäden über sechs | |
Jahrhunderte und drei Kriege hinweg. Anmerken muss man allerdings, dass | |
sich Zuse etwa 400-mal schneller um seine Sonne dreht und die 600 Jahre bei | |
uns nur neuneinhalb Wochen entsprechen. Der Qualität des Buchs tut dies | |
keinen Abbruch. Auf dem Planeten Quasraquam wurde es kürzlich mit dem | |
„James-T.-Kirk-Preis in Uniformbeige“ ausgezeichnet. | |
Ein weiterer Star der letzten Frankfurter Buchmesse war Asmogan Asbápc, der | |
für einen Alien erstaunlich unauffällig blieb – davon abgesehen, dass seine | |
Haut unnatürlich blass mit einem Stich ins Bläuliche wirkte und er statt zu | |
reden nur mit Schnief- und Hustlauten kommunizierte. Kritiker ätzten, das | |
sei gar kein Außerirdischer, sondern ein Schwede mit fieser Erkältung. | |
Fundiertes konnten sie der intergalaktischen Qualität seiner Sammlung an | |
Kurzgeschichten nicht entgegenhalten. „Schmusespeck/Seelenform“ ist in | |
dieser Hinsicht unangreifbar. | |
Die zwölf durchnummerierten Erzählungen wissen alle auf ihre Art zu | |
begeistern, vielleicht auch, weil sie zwar von einem Alien geschrieben | |
wurden, aber allesamt auf der Erde spielen. So erzählt die Liebesgeschichte | |
„Eins“ von einem Berchtesgadener Waldbison, das unsterblich in einem | |
Fliegenpilz verliebt ist, und um die Gunst des Pilzes zu gewinnen sogar ein | |
Philosophiestudium auf sich nimmt. Oder nehmen wir die Gruselstory „Acht“, | |
in der der Subraum zwischen Delmenhorst und Bremen durch eine | |
Quantenimplosion aufgeweicht wird. In der Folge strömen kleine Muggelmuftis | |
heraus und terrorisieren die Bevölkerung. Nur durch die Hilfe von | |
Star-Ranger Rolf Raue kann die Gefahr gebannt werden. Jede Geschichte sorgt | |
für frischen Sonnenwind in den Regalen. Und so werden wir demnächst wohl | |
noch mehr Exo-Belletristik in den Buchläden sehen. | |
19 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Michael Gückel | |
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